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Der Allmanach des
/ Der Proteuser-Bund |
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"Es gibt nur ein System, nur eine Philosophie — Unsere!
die sich von allen andern wesentlich darin unterscheidet, daß sie auf
einem Grunde ruht,
in dem iene auf nichts, die unsrige aber doch wenigstens auf das Nichts
gegründet ist."
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J. P. Hebel, Januar 1797 |
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Der Proteuserbund - in spöttischer
Parodie ließen sie sich die beiden Freunde Hitzig und Hebel
über eine
Rezension in der «Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung» aus -
»Plessing, F. V. L.: Versuche zur Aufklärung der Philosophie des ältesten
Alterthums« (s. u.) -
die wohl
allzu tiefschürfend eine Arbeit zur antiken Philosophie und
insbesondere über das
«Nichtseiende» des Parmenides behandelte. Der Gedanke, daß die «Wirklichkeit» nicht das wahre
Seiende, daß die
vergängliche Materie, daß die materiellen Unannehmlichkeiten des Lebens
nichtseiend und daß im «Nichts» das wahre Sein sei — er muß, über die
Möglichkeit zum
Spott hinaus, besonders für Hebel auch etwas
Faszinierendes enthalten haben:
die
philosophische Begründung für die
Neigung, sich von der Wirklichkeit zu distanzieren und
in
einem eigenen
Reich der Phantasie und der Wünsche, das nicht von dieser Welt war,
sein
Ziel zu finden. Und so gründeten Johann Peter Hebel und sein Freund
Friedrich Wilhelm Hitzig vermutlich
am
30. November 1790 den "Proteuserbund" zu
Proteopolis (Lörrach). Die Freunde bildeten den
Proteuserbund nach dem Vorbild einer
Oberländer Gemeinde mit Tobias Günttert als Vogt
(Bürgermeister), seiner Frau Karoline Auguste als Vögtin, Hebel als
Stabhalter (Stellvertreter
des BM), dem Bammert (Bannwart, Feldhüter) August Welper, W. Hitzig
sowie diversen,
aus 'Proteopolis' (und Basel) stammenden Mitgliedern, deren Namen
jedoch unbekannt sind.
"Proteisch"
waren die Stunden, in denen man bei gutem Wein gemeinsam den Alltag vergaß
-
und bald
hatte man neben besonderen Namen - insbes. Parmenides für Hebel
und Zenonides
für
Hitzig - ein besonderes Wörterbuch, ein Wappen, einen Wappenvogel -
den Storch,
einen Hymnus und einen eigenen
Kalender, den
"Allmanach des
[Proteus] auf
das gnadenreiche Jahr 1."
Beginn und Schluss des Jahres fallen auf den 30. November, den als
"Lostag" bekannten,
mit allerlei
abergläubischen Begebenheiten
verknüpften, den oder die 'Zukünftige'
offenbarenden "Andreastag".
Statt
12 Monaten gibt es 13 Cyklen mit je 9 Triaden (á 3 Tage), also 13 x 27 =
351 Tagen
plus einen Schaltcyklus im Oktober mit 5 Triaden = 15 Tagen,
zusammen daher 366 Tage.
Die Cyklen tragen besondere Namen:
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Hebel als Parmenides
Tuschezeichnung von Hebel

Titelblatt
des Allmanach
Proteus, der „Alte vom Meer“,
ist ein früher
Meeresgott der
griechischen Mythologie.
Er ist auch der Gott der Verwandlung,
der Gott des Nichts, da er Seiendes
bzw. Etwas in Nichts verwandelt.
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1. Cyklus: Proteus
2. Cyklus: Μήλον
oder Schwabenhammel
3. Cyklus: Cynicus
4. Cyklus: Pelargos oder
Storkencylus
5. Cyklus: Parmenides
6. Cyklus: Anthos
oder
Blüthencyklus
7. Cyklus: Wilhelm |
8. Cyklus: Aeiiudaeos
oder
Ewiger-Judencyklus
9.
Cyklus: Pistieikos
10. Cyklus: Petrus
11. Cyklus: Horatius
12. Cyklus: Oinos
oder Mostzyklus
13. Cyklus: Cyniculus
oder Schaltcyklus
14. Cyklus: Pisis
oder Glaubenscyklus |
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Dazu gibt es mehrere Begleittexte:
1.
die "Proteische
Zeitrechnung"
die in 20
Paragraphen das dem Allmanach zugrunde liegende System erklärt,
2. das "Lehrsystem des Proteus"
welches in 26 'Sätzen' die
Grundlagen und Zusammenhänge des Proteusertums darlegt,
3. das "Verzeichnis der berühmtesten Proteologen
älterer u neuerer Zeiten"
4. den "Anhang"
zum Almanach des Proteus
der bereits einen Hinweis auf ein
Proteuser-Wörterbuch sowie Postverbindungen betr. Proteopolis enthält -
sowie das die besondere Sprache mit ihren
Buchstabenverdrehungen und Sonderwörtern festhaltende
"Wörterbuch des Belchismus"
welche hier auf dieser Website zum erstenmal
transkibiert
veröffentlicht vorliegen.
Unmittelbar verknüpft mit der Proteuserzeit ist eine der ersten
eigenständigen dichterischen Arbeiten,
<eine Phantasie über den Proteuskult>, der 1793 verfasste Hymnus
"Ekstase"
sowie
dessen
Entwurf bzw.
1. Fassung
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Der Proteuser-Bund -
die Übersicht
=
Proteus
= Proteus > gesprochen mit 'eu'
aber
Proteisch > gesprochen 'Prote-isch'.
In der Handschrift verwendet Hebel fast
durchgängig " sch
(-e, -en, -es)",
deshalb als z. B. Proteus-sche Zahl
oder
Proteus-sches Jahr zu lesen.
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Das Wappen der Proteuser.
Federzeichnung von J. P. Hebel, um 1790
Im Wolkenkranz das Zeichen
des
Proteus,
darunter erhobenen Hauptes 2 Storken,
dazwischen mit gesenktem Haupt ein fetter "Schwabenhammel",
platziert auf dem Thron und Altar des Proteus, dem Belchen.

Proteuserbund (bei der Kirche von Rötteln).
Aquarellierte Federzeichnung von Christian Meichelt, 1812
Ausschnitt mit eigenhändigem Namenszug J. P. Hebels.
Nach dessen Position könnte Hebel der 4. von rechts sein;
der Ort Rötteln legt nahe, dass zumindest Günttert, Hitzig
und
Welper unter den Gezeichneten sein sollten,
aber lt.
Wilhelm Altwegg: "...sind der 2. v. li. ein 'Musikus
Lehmann',
die anderen mehrheitlich Basler Herren..."
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Die Synchronisation des
Proteuser-Allmanach mit
dem Gregorianischen Kalender zeigt, dass Hebel den
Beginn auf den 30. November 1790,
das Ende
auf den 30.
November 1791 festgelegt hatte.
Zu beachten ist, dass abgesehen von der
Rechtschreibung, der Satzbau
(Hebel hat ein
Faible für lange,
inhaltlich höchst komplizierte
Schachtelsätze) und die Interpunktion
nicht
den heutigen Gewohnheiten
entsprechen
(oft steht z. B. ein Punkt, wo ein Komma oder
gar kein
Zeichen angebracht wäre) und der
Allmanach seinerzeit verm. auch nicht zur
Veröffentlichung gedacht war.
Er entwickelte zudem einen ganz eigenen
Sprachrhytmus, in den man sich
erst "einlesen"
muss,
damit sich der Inhalt erschließt.
Stork = Storch
Schwabenhammel = für Hebel und Hitzig
der
Ausbund an Dummheit, Sturheit und Pedanterie:
"vom Nichts selber ununterscheidbar...",
"...am Schlimmsten sind die hohenlohischen...":
aus Pfedelbach/Hohenlohe stammte der
ebenfalls am Lörracher Pädagogium
unterrichtende
Johann Christ. Riedel,
gewissermaßen
deren "Prototyp".
Laut dem 1. Brief Hebels an ihn (Dez.
1793)
besaß und führte Hitzig eine Liste der Mitglieder
des Bundes: "Unterdessen hat
auch den
Herrn von Edelsheim* zu sich genommen. Der
erste dumme
Streich den
beging... Ich
ehre ihn seit seinem Tode als einen Urproteusen
und bitte dich seinen Namen in die Matrikel
einzutragen."
In dem von Hitzigs
Nachfahren der
Bad. Landesbibliothek übergebenen Nachlass
findet sich diese
"Matrikel" jedoch nicht.
Daher kann über die Anzahl und Namen des
'proteopolischen' Freundeskreises
nur
spekuliert werden -siehe hier:
'Proteuserbund - die Übersicht'.
Über die auf der Zeichnung Meichelts dargestellten
Personen ist leider
nichts Genaueres bekannt. |
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Transkriptionen des Allmanachs:
© Hansjürg
Baumgartner 2018
Mit großem Dank - für freundliche Unterstützung insbesondere als Lektor
sowie bei den
lateinischen und
griechischen Passagen - an Remy (Remigius) Suter, Ziefen/Baselland/CH. |
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Plessing, F. V. L.: Versuche zur Aufklärung der Philosophie des ältesten
Alterthums
*Wilhelm Freiherr von Edelsheim, *
13.11.1737 Hanau,
† 6.12.1793 Karlsruhe. 1758
trat Edelsheim in
die Dienste des Markgrafen Karl Friedrich von Baden. Von 1767
bis 1769 war er Gesandter in Wien.
1774 wurde er zum Minister für auswärtige
Angelegenheiten, auch die Kontrolle des Finanzwesens
unterstand ihm. Ab
1782 arbeitete er auf einen Zusammenschluß der Fürsten gegen Österreichs
Übermacht hin und betrieb 1785 den Anschluß Badens an den Deutschen Fürstenbund.
1788 übernahm Edelsheim die Leitung der gesamten Staatsgeschäfte. Er war vor
allem bestrebt,
die Leibeigenschaft aufzuheben. Zus. Infos:
https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Edelsheim, Wilhelm
Christian Meichelt (* 1776 in Nürnberg;
† nach 1840 (1830?), genaue Daten unbekannt)
war ein Kupferstecher und Miniaturmaler. Ab 1798 war er als
Zeichenlehrer in Lörrach
am dortigen Pädagogium tätig. Die Zeichnung entstand über 20 Jahre nach
dem Treffen,
die Frage nach dem dokumentarischen Wert bleibt deshalb offen.
Weitere Infos:
https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Meichelt |
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