zurück Tod und Blinder
 

 

   
Stich von Matthäus Merian (1696)
 
nach dem Totentanz bei der Basler Predigerkirche
 
Der weltberühmte, als „Tod von Basel" bekannte Totentanz gegenüber Hebels Geburtshaus ragt als unvergessener Jugendeindruck insbesondere in Die Vergänglichkeit [und in den hier zitierten Ausschnitt aus Die Wiese] hinein:

* Siehsch dort vorne 's Röttler Schloß — verfalleni Mure?
In vertäfelte Stube, mit goldene Liiste verbendlet,
hen sust Fürste gwohnt, und schöni fürstligi Fraue,
Heren und Heregsind, und d'Freud isch z'Röttle deheim gsi.
Aber jetz isch alles still. Undenkligi Zite
brenne keini Liechter in sine verrissene Stube,
flackeret kei Füür uf siner versunkene Füürstet,
goht kei Chrueg in Cheller, ke Züber oben an Brunne.
 
Das Gemäuer ist ohne Bewegung und Leben — wie das Gerippe des Basler Totentanzes ohne Fleisch und Blut. Wir ahnen den Eindruck, den der «Tod von Basel» auf die kindliche Phantasie macht, auf Hebel gemacht hat, der sich mit 27 Jahren Ideen zu Totentanzzeichnungen notierte. Der Tod modernisiert heißt es da etwa, statt des Stundenglases hält er eine Taschenuhr in der Hand und sieht nach dem Zeiger. Statt der Sense eine Kugelbüchse im Arm. Etwa auch als Jäger gekleidet. Oder: Eine weite Ebene. Viele Schatten, alle in der Beingestalt, mit der der Tod ausgedrückt wird, und in mancherlei Situationen des Lebens. Z. B. Trink- und Spielgesellschaften, Badende im Strom.
 
Mit einer Bilderfolge sucht nun auch der Ätti [aus "Die Vergänglichkeit"] seinem Sohn das Unfassbare fasslich zu machen: je, 's isch nit anderst, lueg mi a, wie d'witt - dreimal dieser Vers, der das lange Gedicht zugleich gliedert und festigt. Er, der Vater, wird sterben,
da ja unser aller irdischer Gang und Wandel ein Gang ins Unterland, dem Grab entgegen, ist,
 
wie Hebel in einem Brief schreibt. Und ebenso werden nach Generationen auch das Haus, das ganze Dorf und einst die Stadt untergehen. Alles aber, so scheint es, vergeht dennoch nicht. Wie ums Röttler Schloß wieder die wilden Tauben nisten, so weiden Ziegen und Schafe auf den Gräbern, der Pflug geht, wo einst das Pfarrhaus war, und aus dem Schutt Basels wachsen Holunderbüsche, von Reihern bewohnt. *
 
In einem Brief vom Juli 1805 meint Hebel, als er die Anschrift eines Briefes nicht weiß,
er sei "übler dran als der Blinde im Basler Totentanz, dem das Hündlein abgeschnitten ist".
 
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* Originaltext: Johann Peter Hebel in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten;
Autor: Uli Däster. - Reinbek: Rowohlt-Verlag, 1973  /  Seiten 64 & 65