Die berühmte Schlacht
der Markomannen (1813)
Der geneigte Leser wird eine Freude daran haben,
und sich etwas darauf einbilden, daß er in seinem Kalender zum erstenmal
eine ganz neue Zeittafel findet, welche statt der Sündflut und statt der
Errichtung der assyrischen Monarchie, die merkwürdigsten Begebenheiten
der vaterländischen Geschichte von den ältesten Zeiten an ausweist, und
in keinem andern Kalender zu finden ist. Wer den Hausfreund nicht
besitzt, hat keine Wahl. Wenn er etwas wissen will, muß er dem geneigten
Leser gute Worte geben. Damit nun derselbe mit Red und Antwort nie
steckenbleibt, und mit guter Gelegenheit selber erfährt, was ihm zu
wissen vielleicht angenehm ist, so sollen von nun an alle diese
Begebenheiten in dem Kalender nach und nach umständlicher beschrieben
werden.
Der Hausfreund bezahlte jetzt freilich hundert Taler gern, wenn er vor
eintausendachthundertundachtzig Jahren schon einmal zwischen dem
Schwarzwald und dem Rheinstrom gelebt hätte, und jetzt wieder sagen
könnte, wie alles damals ausgesehen hat. Fast alle Berge und lustigen
Hügel waren bis an die Ebene hinab mit Eichen und Tannen, die Täler mit
Erlen bewachsen. Der Rhein und die wilden Waldströme, damals viel größer
und reißender als jetzt, hatten von einem Berg zum andern freien Lauf.
Kein Faschinat, keine Brücke, und es gehörte manches Jahr und manche
fleißige Hand dazu, bis unter unaufhörlichen Kriegszeiten, die
Landschaft ihre jetzige Gestalt gewann, von einer Grenze zur andern
prangend mit Weinbergen, fruchtbaren Saatfeldern und braven
Wirtshäusern. Wildes Getier das man jetzt nicht mehr sonderlich kennt,
hauste und horstete in den Wäldern, auf den Felsen, in den Höhlen, und
Völkerschaften andern Namens teilten mit ihnen die Erzeugnisse des
Landes und das Leben; im Unterland die Vangionen, Nemeter, Tribocker,
vom Bodensee herab die Lotobriger und Tulinger, im Schwarzwald, die
Ortenau und das Breisgau hinauf über den Schliengener Berg, Markomannen,
Ehrenvest hieß ihr König; ein ungeschlachtes und rauhes Geschlecht, aber
noch nicht unsere Stammväter von deren Blut wir abstammen. Ihre Kleidung
waren Felle. Ihre Wohnung selbstgemachte Hütten, ihre Beschäftigung
Viehzucht und Jagd. Noch ging kein Pflug ins Feld. In Utzenfeld stand
noch keine Mühle. Kein Hausfreund fuhr mit der Dotnauer Diligence über
den Kastei. Es läutete noch kein Glöcklein in die Kirche und kein
Tambour trommelte zur Parade. Aber ein unruhiger kriegerischer Geist
wohnte in allen Herzen.
Zwei überrheinische Völker, in dem jetzigen Frankreich, damals Gallia
genannt, führten miteinander blutige Kriege; die Äduer und die Sequaner
beginnen einen dummen Streich; nämlich sie riefen den König Ehrenvest zu
Hülfe. Der König ließ sich nicht zweimal rufen. Er ging mit
fünfzehntausend Mann über den Rhein, und aus den fünfzehntausend wurden
hundertundzwanzigtausend, und die Äduer mußten den Deutschen gewonnen
geben, aber die Sequaner auch. Denn das Land gefiel den Deutschen wohl,
und ein Markomann sah den andern an, und sagten: „Wollen wir nicht
dableiben?" Also blieben sie dort, bis ins 14. Jahr, und wollten noch
immer mehr nachkommen, und der Sequaner sah den Äduer auch an, und
sagte: „Wir hätten uns fast ringer miteinander verglichen." Endlich
suchten die Äduer Hülfe bei dem römischen Feldherrn Gajus Julius Cäsar,
welcher selbiger Zeit mit einem tapfern und wohlgeübten römischen
Kriegsheer in der Nähe stand, und Cäsar ließ sich auch nicht zweimal
bitten, sondern er wollte den Deutschen befehlen: „Ihr sollt keine von
euern Landsleuten mehr über den Rhein kommen lassen. Geht lieber selber
heim." Aber der Deutsche sagte: „Wißt ihr was? Ihr habt uns nichts zu
befehlen." Also kam es zu einer Schlacht nicht weit von Mömpelgard. Aber
die wilde deutsche Kraft konnte gegen die geschlossenen Reihen und
Glieder und gegen die römischen Waffen und Kriegskunst nichts anhaben.
Sie wurden geschlagen, zuerst auf dem linken hernach auf dem rechten
Flügel. Alles floh gegen den Rhein. König Ehrenvest band am Ufer ein
Schifflein los, und brachte mit Mühe sein Leben wieder an das
diesseitige Gestade, man glaubt zwischen Krenzach und Wiehlen. Wenige
von seinen Landsleuten hatten vom nämlichen Glück zu sagen. Die meisten
wurden auf der Flucht von den römischen Reutern zusammengehauen. Zwei
Weiber des Königs kamen um. Eine Tochter wurde ihm getötet, eine
gefangengenommen. Dies ist die berühmte Schlacht der Markomannen mit dem
römischen Feldherrn Cajus Julius Cäsar, 58 Jahre vor Christi Geburt. Der
Handel fängt nicht gut an.
Denn nach der mörderischen Schlacht vermehrten sich die Römer immer mehr
an dem jenseitigen Rheinufer, und befestigten daselbst ihre Herrschaft,
und die Markomannen und ihre Nachbarn diesseits machten schlechte
Geschäfte. Nach und nach verödete sich das Land, was noch da war zog
davon, den Römern aus den Augen und viele Jahre lang vom Bodensee bis an
den Isteiner Klotz, von Istein bis an die Kinzig, von der Kinzig bis an
den Neckar brannte kein Feuer mehr auf einem Herd, kein Mensch begegnete
dem andern.
Als aber die Gallier jenseits Rheins an dem schweizerischen und Elsässer
Ufer lange hinübergeschaut hatten, in die
menschenleere Gegend, mancher von ihnen hatte nicht viel zu beißen und
zu nagen, da zogen viele von ihnen herüber mit Sack und Pack und
siedelten sich an; mehrere folgten nach, wie heutzutag arme Leute nach
Polen und Rußland oder in die Neue Welt auswandern, und die Landschaft
bekam nach und nach ein Aussehen, als wenn noch etwas draus werden
könnte. Aber die Römer, stets begierig, ihre Herrschaft auszubreiten,
als sie auch sahen, daß aus der Landschaft etwas werden konnte und schon
war, zogen sie ebenfalls herüber mit Schild und Schwert, mit
Zimmerleuten und Maurern, machten sich das Land bis an den Main hinab
und weit in Schwaben hinein Untertan und steuerbar, befestigten es durch
Wälle, Türme und Schlösser, und verschönerten es durch Straßen,
Wohnplätze und Bäder, also daß mancher schöne Ort der noch steht,
ohngefähr in diesem Zeitlauf seinen ersten Ursprung bekam, als Konstanz,
Pfullendorf, Badenweiler, Sulzburg mit einem Kastell oder Schloß auf dem
jetzigen Kastelberg, Stadt Baden, Durlach, Pforzheim, und andere. An
manchen Orten sieht man noch die letzten Überreste von altem römischen
Bau, heidnische Götzenbilder und Altäre. Aber schon mancher Schnee ist
darauf gefallen — in mehr als anderthalbtausend Jahren. Über manche
Stätte geht schon Jahrhunderte lang der Pflug. Schon mancher Rausch ist
seitdem auf den Bergen gewachsen, wo die römischen Kriegsschlösser
standen. Also waren die Welteroberer, die Römer, 200 Jahre lang nach
Christi Geburt im ruhigen Besitz des Landes bis ein neues deutsches
Volk, die Allemannen einbrachen, von welchen im künftigen Jahrgang der
geneigte Leser ein mehreres erfahren wird.
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