Der preußische Krieg (1808)
Weil ich
hoffe, dem Leser des Rheinischen Hausfreundes das nächstemal viel
Erfreuliches vom Frieden zu sagen, so müssen wir diesmal auch etwas vom
leidigen Krieg erwähnen. Denn ohne Krieg wird in der ganzen Welt kein
Frieden geschlossen, und ein wohlgezogener Kalender soll sein ein
Spiegel der Welt.
Aber wir wollen's kurz machen, und hoffen, die kriegführenden Mächte
machen es auch so.
In der ganzen Welt ist jetzt, soviel wir wissen, nur ein einziger Krieg.
Aber was für einer? Einer, woraus man zwölf machen könnte.
Auf der einen Seite stehen die Preußen, die Russen, und soviel man jetzt
noch weiß, die Schweden. England ist auch auf dieser Seite und hilft mit
Geld aus.
Auf der andern Seite stehen die Franzosen, die Deutschen vom Rheinischen
Bund, Italien, Holland, Spanien, der Türk. Alle diese Mächte und Staaten
von beiden Seiten haben jetzt Truppen im Feld und auf den Straßen. Von
allen Enden und Orten herläuft's gegen Polen. Die Polen haben mit der
Hauptsache nicht viel zu tun. Sie geben nur den Platz her und was dazu
gehört, wie wir in den vorigen Kriegen auch, und helfen, in der
Hoffnung, ihr Königreich wieder aufzurichten. Kurz, ganz Europa ist im
Krieg begriffen. Nur Ostreich nicht, die Schweiz nicht, Dänemark und
Portugal nicht, der Papst nicht. Die andern alle.
Dagegen halten mit die Perser in Asien, weit hinter Jerusalem, ferner,
ein paar afrikanische Mächte, und der Kaiser von Marokko und Fez,
herwärts dem Mohrenland. Diese halten es mit den Franzosen und mit dem
Rheinischen Bund etc.
Den Anfang dazu machte Preußen. Schon seit geraumer Zeit machten zwar
beide Teile, Franzosen und Preußen, solche Bewegungen, die nicht auf
Frieden deuteten. Aber am 1. Oktober 1806 erging von Preußen an den
Kaiser Napoleon ein Schreiben, welches unter andern die Forderung
enthielt, derselbe solle sogleich alle seine Truppen aus Deutschland
heraus und über den Rhein nach Frankreich führen. Das verstand der
französische Kaiser unrecht. In der nämlichen Zeit, in welcher seine
Truppen nach der preußischen Meinung sollten daheim sein, standen sie,
und noch viele dazu, an der preußischen Grenze, eine Heeresmacht der
andern gegenüber. Am 14. Oktober war die Schlacht bei Jena. Durch diese
Schlacht und ihre Folgen ging die preußische Armee bis auf einen kleinen
Überrest zugrunde. Was nicht im Treffen selbst getötet, verwundet oder
gefangen wurde, oder unsoldatisch auseinander ging, ward versprengt,
wußte nicht wo aus noch an, und wurde nach längern oder kürzern Märschen
eingeholt, und mit oder ohne Widerstand gefangen. Die starke Festung
Magdeburg und andere feste Plätze fielen dem Sieger in die Hände. Ein
großer Teil der preußischen Monarchie stand ihm offen und wurde von ihm
besetzt. Am 24. Okt. zog Napoleon in die preußische Haupt- und
Residenzstadt Berlin ein.
Zum Andenken seines Sieges nahm er dort den Degen, mit welchem der König
Friedrich einst kommandiert und seinen Ruhm erfochten hatte, in Empfang,
und schickte ihn nach Paris. Der alte, von allen europäischen Mächten
anerkannte Ruhm der preußischen Waffen ist für jetzt dahin. Kein Mensch
schlägt mehr mit der Hand auf die Brust, wirft den Kopf in die Höhe, und
sagt: „Ich bin ein Preuße!"
Man wußte es anfänglich gar nicht zu begreifen, wie eine so zahlreiche,
ehemals so tapfere und seit langen Zeiten berühmte Kriegsmacht an den
Grenzen ihres eigenen Landes, unter den Augen ihres edeln Königs, von
einem fremden, weit hergekommenen Heer schon am 5. Tag nach dem Ausbruch
des Krieges so geschlagen werden, auseinander laufen und sich verlieren
konnte. Allein die jetzigen Preußen waren nicht mehr die alten. Sie
verließen sich auf den Ruhm ihrer Vorfahren, aber sie hatten nicht mehr
ihren Anführer und ihre Eigenschaften. Es fehlte an zweckmäßigen
Anstalten zum Krieg und Vorbereitungen zur Schlacht. Die Soldaten hatten
schon drei Tage lang kein Brot, und der Hunger ist zwar nach dem alten
Sprichwort ein guter Koch, aber ein gar schlechter Zeltkamerad,
Mitstreiter und Bundesgenosse. Doch, es mußte alles zum Unglück helfen.
Kaiser Napoleon bot dem König noch den Tag vor der Schlacht in einem
eigenhändigen Brief den Frieden an. Der Brief wurde dem König erst nach
der Schlacht übergeben, als es zu spät war.
Der ganze Krieg schien 5 Tage nach dem Ausbruch geendigt zu sein, und es
ist jammerschade, daß es nicht dabei blieb. Erstlich weil viel gutes
liebes Menschenblut und Leben wäre geschont worden. Zweitens, weil man
wohl einen 7jährigen Krieg hat und einen 30jährigen, aber noch keinen
5tägigen.
Allein eine russische Armee war den Preußen zu Hülfe auf dem Anmarsch.
Der unglückliche König zog sich mit dem Rest seiner Truppen zu ihnen
zurück. Aber Kaiser Napoleon bleibt nicht auf dem halben Wege stehen. Er
zieht dem neuen Feind entgegen, und so spielt sich der Krieg aus
Deutschland nach Polen. Auch hier wurde noch, bis Jahrszeit und
Witterung Stillstand geboten, viel Blut vergossen bei Pultusk, bei
Ostrolenga und bei Eylau.
Unterdessen und während der Waffenruhe des Winters und Frühjahrs wurde
in preußisch Schlesien eine Stadt nach der ändern belagert und
weggenommen. Langen Widerstand leistete auf einer andern Seite die große
und berühmte Stadt und Festung Danzig. Französische, badische und
polnische Truppen setzten ihr zu. Den 24. Mai hat sie kapituliert. Noch
stehen die Schweden herwärts dem Kriegstheater in Stralsund. Dann
schlössen sie nach einer mißlungenen Unternehmung einen Waffenstillstand
mit dem Feind. So stand die Sache, und so lauteten die Nachrichten bis
zum 5. Juni 1807, als der Hofbuchdrucker Sprinzing sagte, jetzt sei es
Zeit, den Kalender zu drucken.
Mögen alle in diesen Krieg verwickelten Mächte dem schwedischen Beispiel
folgen, und dann bald zu einem langen gedeihlichen Frieden sich die
Hände bieten! Das freut den Rheinischen Hausfreund, und wenn nicht im
ganzen Schaltjahr 1808 der Himmel voll Baßgeigen hängt, und nicht ein
anderer Krieg ausbricht, in welchem an allen Enden und Orten, besonders
aber am Rheinstrom, mit lauter Äpfelküchlein geschossen wird, und viele
hunderttausend Bratwürste wie Kraut und Rüben zusammengehauen und alle
Tage Kriegsgefangene, nämlich Kronentaler und Dublonen in Kisten und
Kästen eingebracht werden, so kann der Rheinländliche Hausfreund nichts
dafür.
Der preußische Krieg /
Nachtrag
Jetzt wird jedermann gestehen müssen, daß der Rheinländische Hausfreund
mehr kann als nur Brot essen, und daß er nicht nur weiß, was geschehen
ist, sondern auch was geschehen will. Denn was er am 5. Juni 1807 vom
preußischen Krieg geschrieben hat, ist jetzt alles schon wieder vorüber
und noch viel dazu; und wie er gehofft hat, die großen Herrn werden es
kurz machen, also ist's geschehen. Noch eine fürchterliche Schlacht
geschah zwischen den Franzosen und Russen am 14. Juni bei Friedland.
Nicht weniger als 60 000 Mann von der russischen Armee gingen nach den
französischen Berichten, innerhalb 10 Tagen verloren. Diese Schlacht
war ohne Zweifel die fürchterlichste im ganzen Krieg, aber auch die
wohltätigste. Denn bald nach ihr wurden durch einen Waffenstillstand
alle Feindseligkeiten eingestellt. Und jetzt sah man ganz andere Dinge
als vorher. Die drei kriegführenden Monarchen zogen jetzt aus dem Feld
friedlich zusammen in die Stadt Tilsit, und lebten miteinander als die
besten Freunde, speisten beieinander zu Mittag, und ritten miteinander
spazieren. Der Kaiser von Frankreich und der Kaiser von Rußland, vor
wenigen Tagen noch Feind gegen Feind, wohnten jetzt als gute Nachbarn
nicht weit voneinander in einer Gasse, und jetzt ist am ganzen vorigen
Artikel, daß ein so erschrecklicher Krieg in der Welt sei, kein Wort
mehr wahr. Vielmehr wurde zu allgemeiner Freude am 7. und 9. Julius
zwischen Frankreich, Rußland und Preußen, der Friede geschlossen, dem
Gott eine lange Dauer verleihen wolle.
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