Andreas Hofer
(1811)
Als im letzten Krieg die Franzosen
und Östreicher in der Nachbarschaft
von Tirol alle Hände voll miteinander zu tun hatten, dachten die
Tiroler: Im Trüben ist gut fischen. Sie
wollten nimmer bayrisch sein. Viel
Köpfe, viele Sinne, manchmal
gar keiner. Sie wußten zuletzt selber nimmer recht, was sie wollten.
Unterdessen läuteten in allen Tälern die Sturmglocken. Von allen
Bergen herab kamen die Schützen mit ihren Stutzen. Jung und alt, Mann
und Weib griff zu den Waffen. Die
Bayern und Franzosen hatten harten Stand; besonders
in den engen Pässen, wenn Felsenstücke wie kleine Häuser so groß auf sie
herabflogen. Bald glücklich bald unglücklich in ihren Gefechten, nahmen die Rebellen bald Inspruck ein, die
Hauptstadt in Tirol; bald mußten sie sie wieder
verlassen; bekamen sie wieder, und konnten sie doch nicht
behalten. Ungeheure Grausamkeiten wurden verübt, nicht
nur an den bayerischen Beamten und
Untertanen, nein auch an den
eigenen Landsleuten; Vogel friß oder stirb. Wer nicht
mitmachen wollte, war des Lebens
nicht sicher. Endlich als
manches schöne Dorf und Städtlein in der Asche lag, mancher
wohlhabende Mann war ein Bettler, mancher leichtsinnige und rasende
verlor das Leben; jedes Dorf, fast jedes Haus hatte seine Leichen, seine
Wunden und seinen Jammer, da dachten
sie zuletzt, es sei doch besser bayerisch sein als sie im Anfang
gemeint hatten, und unterwarfen sich wieder. Unversucht
schmeckt nicht. Nur einige Tollköpfe wollten lieber
zuerst ein wenig erschossen oder
gehenkt sein; zum Beispiel
der Andreas Hofer.
Andreas Hofer, Sandwirt in Passeyer und
Viehhändler, hatte bis über sein 40. Jahr, bis der Aufstand ausbrach,
schon manch Schöpplein Wein
ausgeschenkt, manch Stücklein
Kreide an bösen Schulden
verschrieben, und schätzen konnte er ein Häuptlein Vieh trotz einem.
Aber im Aufstand brachte er es zum Kommandanten, nicht bloß von
einem Städtlein oder Tal, nein von
der ganzen gefürsteten Grafschaft Tirol, und nahm sein Quartier
nicht nur in einem Pfarrhof oder
etwa in einem Amthaus, sondern in dem großen Fürstlichen
Residenzschloß zu Innsbruck. An
fünfzigtausend Mann Landsturm stand in kurzer Zeit unter seinem
Befehl. Wer keine Flinte hatte,
präsentierte das Gewehr mit der Heugabel. Was verordnet und
ausgefertigt wurde, stand Andreas Hofer darunter,
das galt. Sein geheimer Kriegsminister war ein geistlicher Herr,
Pater Joachim genannt, sein Adjutant war der Kronenwirt von Pludenz,
sein Schreiber ein entlaufener
Student. Unter seiner Regierung wurden für dreißigtausend Gulden eigene
Zwanzigkreuzerstücke für Tirol geprägt, der
Hausfreund hat auch einen Hutvoll
davon. Ja, er legte eine
eigene Stückgießerei an, aber wie? Die Kanonen wurden aus
Holz gebohrt, und mit starken
eisernen Ringen umlegt. Item
es tat gut, nur nicht dem, den's
traf. In Inspruck ließ er sich gut auftragen. Selber essen macht
fett. Er sagte: „Ich bin lang genug Wirt gewesen. Jetzt will ich auch
einmal Gast sein." Bei dem allen
veränderte er seine Kleidertracht nie. Er ging einher wie ein gemeiner
Tiroler, und trug einen Bart, so
lang das Haar wachsen mochte. Nur im
roten Gürtel trug er ein Paar Terzerolen, und auf
dem grünen Hut eine hohe Reiherfeder, und neben seinen schweren
Regierungsgeschäften
trieb er den Viehhandel fort, wie vorher. Jetzt schickte er
einen Adjutanten mit Befehlen an
die Armee ab, jetzt kam ein Metzger: „Wie teuer die vier Stieren,
die Ihr bei Eurem
Schwager eingestellt habt?" Sonst war er kein ganz roher Mann: viel
Unglück hat er verhütet, wo er wehren konnte. Aber größer war das
Unglück, das er durch seine Hartnäckigkeit gegen alle Einladungen zum
Frieden und durch seine Treulosigkeit verursachte. Jetzt schrieb er an
das bayerische Kommando: „Wir wollen uns unterwerfen und bitten um Gnad.
Andere Hofer Oberkommedant in Diroll gewöster." Zugleich schrieb er an
den Adjutant Kronenwirt: „Wehrt euch solang ihr könnt. Trifft's nicht,
so gilt's nicht." Als sich aber endlich das verblendete Volk der
angebotenen Gnade seines großmütigen Königs unterwarf, und alle, welche
sich nachher mit den Waffen des Aufruhrs noch blicken ließen,
gehenkt wurden, mancher Baum trug
solch ein Früchtlein, da war Andreas Hofer nicht daheim zu
finden, und an keinem Baum; und es hieß, er sei ein wenig spazieren
gegangen über die Grenzen. Den
Willen dazu mag er gehabt haben in seiner armen hölzernen
Hirtenhütte auf einem hohen Berg im hintersten Passeyer Tal, wo er mit
seinem Schreiber verborgen lag, und mit 6 Fuß hohem Schnee verschanzt
war. Sein Haus und sein Vermögen war von den wütenden Bauern
geplündert. Dürftige Nahrung verschaffte ihm von Zeit zu Zeit seine
Frau, die jetzt selber mit ihren 5 Kindern von fremden Wohltaten lebt.
Da sah es anderst aus als in der Burg zu Inspruck. Schlimmers Quartier
wartete auf ihn. Einer von seinen guten Freunden verriet für Geld seinen
Aufenthalt.
Ein französisches
Kommando umringte seine Hütte und nahm ihn gefangen. Man fand bei ihm
vier geladene Kugelbüchsen, viel Geld, wenig Nahrung. Er selbst
war von Mangel, Kummer und Angst abgezehrt. So wurde er von einer
starken militärischen Begleitung
unter Trommelschlag durch das Land nach Italien nach Mantua ins
Gefängnis gebracht, und daselbst erschossen. In solchen Wassern fangt
man solche Fische.
Vorgetan und
nachbedacht, hat manchen in groß Leid
gebracht. |