Vorreden & Vorworte zu den Alemannischen Gedichten
 

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VORREDE ZUR ERSTEN AUFLAGE

Der Dialekt, in welchem diese Gedichte verfaßt sind, mag ihre Benennung rechtfertigen. Er herrscht in dem Winkel des Rheins zwischen dem Frickthal und ehemaligen Sundgau, und weiterhin in mancherlei Abwandlungen bis an die Vogesen und Alpen und über den Schwarzwald hin in einem großen Theil von Schwaben. Für Freunde ländlicher Natur und Sitten eignet diese Gedichte ihr Inhalt und ihre Manier. Wenn Leser von höherer Bildung sie nicht ganz unbefriedigt aus den Händen legen, und dem Volk das Wahre, Gute und Schöne mit den heimischen und vertrauten Bildern lebendiger und wirksamer in die Seele geht, so ist der Wunsch des Verfassers erreicht.

Leser, die mit dieser Sprachweise nicht ganz bekannt sind, werden folgende wenige grammatikalische Bemerkungen nicht überflüssig finden. Das u und ü vor einem h, dem wieder ein Vokal folgt, oder folgen sollte, geht in die Triphthongen ueih und iieih über, und diese Form ist also im Metrum immer einsilbig; z. B. frieih, frühe. ‑ Beide Artikel werden meist abgekürzt, tonlos und in der Aussprache wahre Präfixa des Substantivs oder Suffixa der Präposition. Hie und da schien es unvermeidlich, sie als solche auch in dem Text auszudrücken. Z. B. Uffeme auf einem; Anere, an einer. ‑ Der Akkusativ des Singulars ist auch bei den Maskulinis dem Nominativ gleich, z. B. der Tag, der und den Tag. Der Dativ des Singulars wird bei den Maskulinis und Neutris, bisweilen auch Femininis durch die Präposition in bezeichnet. Z. B. im Liecht, imme Liecht, dem, einem Licht; innere (in einer) Frau, einer Frau. ‑ Das absolute Pronomen Ich lautet im Nominativ des Pluralis, wie der Dativ des Singulars. Mir; auch Du, häufiger Dir als Ihr. Sich im Neutrum heißt bisweilen Ihns. Aber überall werden die Personal‑Pronomina und das unbestimmte Man, wenn sie keinen Nachdruck oder Gegensatz haben, wie der Artikel, abgekürzt und wahre Präfixa und Suffixa der nächsten Wörter, letztere, wenn alsdann zwei Vokale zusammen kämen, mit einem eingeschobenen n. Sagi, sage ich; Toni, wo ich; Wennd' und Wennde, wenn du; Wemme, wenn man; Sagmer, sage mir; Denkder, denke dir; Bringem, Bringere, bring ihm, ihr; Sägemer, sagen wir; Sagetder,' 'sagt ihr; Sie Zeigenis, zeigen uns; Zeigenich, zeigen euch; Zuenis, zu uns, Zuenich, zu euch: Sagene, sage ihnen; Sagider, sage ich dir. sagi'm, sage ich ihm u. s. w. Indessen sind diese Anhängwörter, um dem Texte nicht ein zu fremdes Ansehen zu geben, auch in ihrer veränderten und abgekürzten Form fast überall getrennt geschrieben, wenn nicht Aussprache oder Deutlichkeit die Verbindung zu erfordern schien.

Das Glossarium am Ende enthält die in den Gedichten vorkommenden Idiotismen und ungewöhnlichen Formen des Dialekts verglichen mit (Sch.) Scherzii Glossarium Germanicum medii aevi. (Id.) Versuch eines schwäbischen Idiotikon von Schmid. (Ad.) Adelungs Wörterbuch der hochdeutschen Mundart, und andern. Hie und da sind passende Belege aus (Par.) Paraphrasis N. T, Zürich (ohne Jahrzahl) u. s. w. unterlegt worden. Die Absicht des Verfassers war, theils solchen Lesern, die manche Ausdrücke nicht kennen möchten, mit der Erklärung entgegen zu kommen, theils Einheimische, die in der Sprache ihrer Landsleute nur eine Entstellung und Mißhandlung des gutdeutschen Ausdrucks finden, an einzelnen Beispielen auf das Alter und die Ableitung ihrer eigenthümlichen Wörter aufmerksam zu machen. Beide Theile werden es daher gern verzeihen, wenn jeder von ihnen Manches finden wird, was er schon lange wußte, Manches, was er nicht zu wissen verlangt. Vielleicht findet hie und da auch der Sprachforscher Etwas der Aufmerksamkeit werth.



Vorrede zur dritten Auflage

(In der fünften Auflage weggelassen)

Das Publikum hat die allemannischen Gedichte so gütig aufgenommen, daß der Verlagshandlung eine neue Auflage derselben notwendig zu werden schien. Um diese anspruchslosen Spiele meiner Muse der Liebe und Teilnehmung, die sie bisher so glücklich gefunden haben, immer würdiger zu machen, habe ich für diese Ausgabe die öffentlichen und stillen Belehrungen und Winke mehrerer ebenso einsichtsvollen als nachsichtigen Richter und Freunde zu mannigfaltigen Verbesserungen derselben dankbar zu benutzen gesucht und das beigehende Idiotikon, wo es nötig schien, da und dort vermehrt.

Möge das Publikum für diese Bemühung, seinen Beifall zu gewinnen, wozu auch die Verlagshandlung durch einige Kupferstiche das Ihrige beitragen wollte, dem Büchlein ferner ein freundliches Gesicht gönnen, und sie statt des Kompliments annehmen, womit sich ihm der Verfasser empfiehlt.

Carlsruhe d. 2. April 1806. J. P. H.



Vorrede zur vierten Auflage

(In der fünften Auflage weggelassen)

Mehrere Freunde der allemannischen Gedichte haben den Wunsch geäußert, in einer neuen Auflage die Lesarten der ersten wiederhergestellt zu sehen. Ich fühle, wie viel in diesem Wunsche Schmeichelhaftes liegt. Er verbürgt mir in einem neuen Beweis das Wohlwollen, mit welchem diese Gedichte bei ihrer ersten Erscheinung aufgenommen wurden, und die Aufmerksamkeit, mit welcher das Publikum dieselben fortdauernd beehrt. Was wir lieb haben, gefällt uns am längsten in der Gestalt, in welcher es uns lieb geworden ist. Mit einiger Schüchternheit, und nicht ohne den Versuch einer kurzen Rechtfertigung, gebe ich daher in dieser neuen Auflage den veränderten Text der dritten wieder.

Die neuen Lesarten und größern Umarbeitungen, die in denselben eingeführt sind, entstanden aus dreierlei Rücksichten.

Kaum konnte eine mißbilligende Miene auf die Veränderungen fallen, die ich hie und da versucht habe, um einzelne Härten des Dialekts zu mildern, oder dem Vers, in welchen sich derselbe nicht überall gerne schmiegt, in etwas nachzuhelfen. Sie sind wenig auffallend und, wie ich wünsche, verbessernd. — Ebenso wenig können wohl einzelne ältere Lesearten vermißt und zurückgewünscht werden, die, wie Seite 18 Vers 1, oder ebendaselbst Vers 8—11 der ersten Ausgabe, auf ganz lokale Umstände und bereits vorübergegangene Erscheinungen anspielen, und eben deswegen nur für die wenigen Leser an Ort und Stelle Sinn und Interesse haben konnten. - Eine andere Bewandtnis dürfte es mit Verwischungen einzelner Züge und größeren Umarbeitungen der alten Ausgabe haben, die eine dritte Rücksicht veranlaßte. Sie scheinen vielleicht ganz willkürlich und zwecklos zu sein, sind es aber am wenigsten. Fast nur durch ein Wunder könnte bei aller Vorsicht ein Schriftsteller, der den engen Kreis, aus welchem er seine Gegenstände heraushebt, selber angibt oder verratet, und das Leben, das sich in ihm bewegt, mit Treue darzustellen sucht, vor dem Unglück verwahrt bleiben, zu treffen, was er nicht treffen wollte. In mehreren Stellen ist mir dieses widerfahren. Personen, die ich nicht kenne, glaubten da und dort, sich, ihre Schicksale und persönlichen Eigenheiten angedeutet zu sehen, und fanden sich dadurch betrübt oder beleidigt. Ich benutze diese Gelegenheit zur öffentlichen Versicherung, daß ich durch das ganze Werklein auf niemand deuten, niemand kränken und höhnen wollte. Zugleich aber darf ich von allen übrigen Lesern hoffen, daß sie die Umarbeitung solcher Stellen, wenn auch die Gedichte selbst dadurch verloren hätten, moralisch billigen werden.

Zu dem allen berechnet der Verleger, der auch seine Meinung mit einzutragen um Erlaubnis bittet, daß um ein Gutes mehr Exemplare der veränderten dritten als der beiden ersten Auflagen in das größere Publikum gekommen seien, und es scheint etwas an der Besorgnis desselben zu sein, daß den Lesern, die diese Gedichte erst aus besagter dritter Auflage kennen, eine zweite und zurückgehende Änderung auffallender und wieder ebenso unangenehm werden könnte, als manchen älteren Freunden derselben die erste war.

Carlsruhe, den 20. Oktober 1808. J. P. H.



VORWORT ZUR FÜNFTEN AUSGABE

Die Verspätung dieser schon längst angekündigten Ausgabe ist größtentheils durch den Uebergang an eine andere Verlagshandlung veranlaßt. Noch andere Hindernisse verlängerten den Aufschub zum Bedauern des Verfassers. Mehrere der neu hinzugekommenen Gedichte sind aus der Iris von Jakobi, und dem alsatischen Taschenbuch wieder gesammelt. Ich übergebe sie dem Publikum mit dem Wunsche, daß ihnen eine gleich wohlwollende Aufnahme, wie den frühern, möge zu Theil werden. 

   J. P. Hebel

 

Ein Vergleich der Erstauflage von 1803
mit der von Hebel geänderten Version ab der 4. Auflage 1808

 

     
 
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Die Auswahl der o. a. Zitate orientiert sich an:

Johann Peter Hebel, Poetische Werke, Winkler Weltliteratur, München 1961

"Johann Peter Hebels Werke" / Band 1; Herausgegeben von Wilhelm Altwegg;
Atlantis Ausgaben / Rombach & Co GmbH, Freiburg i. Br., o. J.