Ein Vergleich der Erstauflage von 1803
mit der von Hebel geänderten Version ab der 3. Auflage 1806

 
  zurück zur
Gedicht-
übersicht

1803 erschien die Erstauflage der Alemannischen Gedichte, sie wurden in der 2. Auflage 1804 unverändert gedruckt.
1806 erschien die von Hebel korrigierte und veränderte 3. Auflage, die wiederum der 4. und den folgenden Auflagen als Druckvorlage diente.
(Siehe auch die Vorworte Hebels zu den einzelnen Auflagen, insbesondere zur 4.)

Das Internet bietet nun die einmalige Gelegenheit, die Unterschiede der beiden Versionen in einer "Paralleldarstellung"
schnell und übersichtlich deutlich zu machen.
 
    1. + 2.  Auflage,  1803 + 1804

 

Der Sommerabend
 
O, lueg doch, wie isch d'Sunn so müed,
lueg, wie si d' Heimeth abezieht!
O lueg, wie Stral um Stral verglimmt,
und wie sie 's Fazenetli nimmt,
e Wülkli, blau mit roth vermüscht,
und wie sie an der Stirne wüscht.

's isch wohr, sie het au übel Zit,
im Summer gar, der Weg isch wit,
und z'schaffe findt sie überal,
in Hus und Feld, in Berg und Thal;
's will alles Liecht und Wärmi ha,
und spricht sie um e Segen a.

Meng Blümli het sie usstaffirt,
und mit scharmante Farbe ziert,
un mengem Immli z'trinke ge,
und gfrogt: Hesch gnug und witt no meh?
Und 's Chäferli het hinte no
doch au si Tröpfli übercho.

Meng Some-Chöpfli het sie gesprengt,
und 's zitig Sömli use g'lengt.
Hen d'Vögel nit bis z' allerlezt
e Bettles gha, und d'Schnäbel g'wetzt?
Und kein goht hungerig ins Bett,
wo nit si Theil im Chröpfli het.

Und wo am Baum e Chriesi lacht,
se het sie'm rothi Bäckli gmacht;
und wo im Feld en Aehri schwankt,
und wo am Pfohl e Rebe rankt,
se het sie eben abe glengt,
und het's mit Laub und Bluest umhengt.

Und uf der Bleichi het sie gschaft
hütie und ie us aller Chraft;
der Bleicher het si selber g'freut,
doch hätt er nit: Vergelts Gott! gseit.
Un het e Frau ne Wöschli gha,
se het sie trochnet druf un dra.

's isch weger wohr, und überal,
wo d' Sägesen im ganze Thal
dur Gras und Halme gangen isch,
se het si g'heuet froh und frisch.
Es isch e Sach, by miner Treu,
am Morge Gras und z'obe Heu!

Drum isch sie iez so sölli müed
und bruucht zum Schlof kei Obe-Lied;
kei Wunder, wenn sie schnuft und schwitzt.
Lueg wie sie dört uf 's Bergli sizt!
iez lächlet sie zum lezte mol.
iez seit sie: Schlofet alli wohl!

Und d'unten isch si! Bhüt di Gott!
Der Guhl, wo uffem Chilch-Thurn stoht,
het no nit gnug, er bschaut si no.
Du Wundervitz, was gafsch denn so?
Was gilts, sie thut der bald derfür,
und zieht e rothen Umhang für!

Si duuret ein, die guti Frau,
sie het ihr redli Hus-Chrütz au.
Sie lebt gwiß mittem Ma nit gut,
und chunnt sie heim, nimmt er si Hut;
und was i sag: iez chunnt er bald,
dört sitzt er scho im Fohre-Wald.

Er macht so lang, was tribt er echt?
Me meint schier gar, er trau  nit recht.
Chumm numme, sie isch nümme do,
's wird alles sy, se schloft sie scho!
Jez stoht er uf, und luegt ins Thal,
und 's Möhnli grüeßt en überal.

Denkwohl, mer göhn iez au ins Bett,
und wer kei Dorn im Gwiße het,
der bruucht zum Schlofen au kei Lied;
me wird vom Schaffe selber müed;
und öbbe hemmer Schöchli gmacht,
drum gebis Gott e guti Nacht!

 

3.  und die folgende Auflagen,  1806 ff

 

Der Sommerabend
 
O, lueg doch, wie isch d'Sunn so müed,
lueg, wie si d'Heimeth abezieht!
O lueg, wie Stral um Stral verglimmt,
und wie sie 's Fazenetli nimmt,
e Wülkli, blau mit roth vermüscht,
und wie sie an der Stirne wüscht.

's isch wohr, sie het au übel Zit,
im Summer gar, der Weg isch wit,
und Arbet findt sie überal,
in Hus und Feld, in Berg und Thal.
's will alles Liecht und Wärmi ha,
und spricht sie um e Segen a.

Meng Blümli het sie usstaffiert,
und mit scharmante Farbe ziert,
un mengem Immli z'trinke ge,
und gseit: Hesch gnug und witt no meh?
Und 's Chäferli het hinte no
doch au si Tröpfli übercho.

Meng Some-Chöpfli het sie gesprengt,
und 's zitig Sömli use g'lengt.
Hen d'Vögel nit bis z'allerlezt
e Bettles gha, und d'Schnäbel g'wetzt?
Und kein goht hungerig ins Bett,
wo nit si Theil im Chröpfli het.

Und wo am Baum e Chriesi lacht,
se het sie'm rothi Bäckli gmacht;
und wo im Feld en Aehri schwankt,
und wo am Pfohl e Rebe rankt,
se het sie eben abe glengt,
und het's mit Laub und Bluest umhengt.

Und uf der Bleichi het sie gschaft
hütie und ie us aller Chraft.
Der Bleicher het si selber g'freut,
doch hätt er nit: Vergelts Gott! gseit.
Un het e Frau ne Wöschli gha,
se het sie trochnet druf un dra.

's isch weger wohr, und überal,
wo d'Sägesen im ganze Thal
dur Gras und Halme gangen isch,
se het si g'heuet froh und frisch.
Es isch e Sach, by miner Treu,
am Morge Gras und z'Obe Heu!

Drum isch sie iez so sölli müed
und bruucht zum Schlof kei Obe-Lied;
ke Wunder, wenn sie schnuuft und schwitzt.
Lueg wie sie dört uf's Bergli sizt!
iez lächlet sie zum lezte mol.
Jez seit sie: Schlofet alli wohl!

Und d'unten isch si! Bhüt di Gott!
Der Guhl, wo uffem Chilchthurn stoht,
het no nit gnug, er bschaut si no.
Du Wundervitz, was gafsch denn so?
Was gilts, sie thut der bald derfür,
und zieht e rothen Umhang für!

Si duuret ein, die guti Frau,
sie het ihr redli Hus-Chrütz au.
Sie lebt gwiß mittem Ma nit gut,
und chunnt sie heim, nimmt er si Hut;
und was i sag: iez chunnt er bald,
dört sitzt er scho im Fohre-Wald.

Er macht so lang, was tribt er echt?
Me meint schier gar, er traut nit recht.
Chumm numme, sie isch nümme do,
's wird alles sy, se schloft sie scho.
Jez stoht er uf, und luegt ins Thal,
und 's Möhnli grüeßt en überal.

Denkwohl, mer göhn iez au ins Bett,
und wer kei Dorn im G'wiße het,
der bruucht zum Schlofen au kei Lied;
me wird vom Schaffe selber müed;
und öbbe hemmer Schöchli gmacht,
drum gebis Gott e guti Nacht!

 

       
     Der Text links folgt dem in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe vorhandenen und digitalisierten Exemplar der 1. Auflage von 1803.
Der Text rechts folgt dem für diese Website auch sonst verwendeten Referenzwerk: Johann Peter Hebel, Poetische Werke, Winkler Weltliteratur, München 1961
(Diese folgt weitestgehend der 5. Ausgabe(!), erschienen 1820 bei H. R. Sauerländer in Arau).

Alle Unterschiede der beiden Texte - Änderungen, Hinzufügungen und Weglassungen wurden links gelb hinterlegt, rechts (soweit möglich und sinnvoll) rot dargestellt.

 

 
zurück zur
Gedicht-
übersicht
 

nach oben