Ein Vergleich der Erstauflage von 1803
mit der von Hebel geänderten Version ab der 3. Auflage 1806

 
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1803 erschien die Erstauflage der Alemannischen Gedichte, sie wurden in der 2. Auflage 1804 unverändert gedruckt.
1806 erschien die von Hebel korrigierte und veränderte 3. Auflage, die wiederum der 4. und den folgenden Auflagen als Druckvorlage diente.
(Siehe auch die Vorworte Hebels zu den einzelnen Auflagen, insbesondere zur 4.)

Das Internet bietet nun die einmalige Gelegenheit, die Unterschiede der beiden Versionen in einer "Paralleldarstellung"
schnell und übersichtlich deutlich zu machen.
 
    1. + 2.  Auflage,  1803 + 1804

 

Die Irrlichter

Es wandlen in der stille dunkle Nacht
wohl Engel um, mit Sterneblume gchrönt,
uf grüne Matte, bis der Tag verwacht,
und do und dört e Betzit-Glocke tönt.

Sie spröche miteinander deis und das,
sie machen öbbis miteinander us;
's sin gheimi Sache; niemes rothet, was?
Druf göhn sie wieder furt, und richte's us.

Und stoht ke Stern am Himmel und ke Mon,
und wemme nümme sieht, wo d'Nußbäum stöhn,
mü'en seli Marcher usem Füür an d'Frohn,
sie müen den Engle zünde, wo sie göhn.

Und wenns so finster wird, wie in're Chue,
und wemme nümme sieht, wo d'Nußbäum stöhn,
was gschieht? se mü'en die füürige Manne zu,
und mü'en den Engle zünde, wo sie göhn.


Und iedem hangt e Bederthalben a,
und wenns em öd wird, lengt er ebe dri,
und biißt e Stückli Schwefelschnitten a,
und trinkt e Schlückli Treber-Brentewi.

Druf putzt er d'Schnören amme Tschäubli ab,
Hui, flackerets in liechte Flammen uf,
und, hui, gohts wieder d'Matten uf und ab,
mit neue Chräfte, d'Matte ab und uf.

's isch chummliger so, wenn eim vorem Fuß
und vor den Auge d'Togge selber rennt,
aß wemme sie mit Hände trage muß,
und öbbe gar no d'Finger dra verbrennt.

Und schritet spot e Mensch dur d'Nacht derher,
und sieht vo witem schon die Kerli goh,
und betet lisli: "Das walt Gott der Her" -
"Ach bleib bey uns" - im Wetter sind sie do.

Worum? So bald der Engel bete hört,
se heimelets en a, er möcht derzu.
Der füürig Marcher blieb io lieber dört,
und wenn er chunnt, se hebt er d' Ohre zu.

Und schritet öbsch e trunk'ne Ma dur d'Nacht,
und fluecht und sappermentet: "Chrütz und Stern,"
und alli Zeichen, aß der Bode chracht,
sell hörti wohl der füürig Marcher gern.

Doch wirds em nit so gut; Der Engel seit:
"Furt, weidli furt! Do magi nüt dervo!"
Im Wetterleich, sen isch der wiit und breit
kei Marcher me, und au kei Engel do.

Doch goht me still si Gang in Gottis G'leit,
und denkt: "Der chönnet bliben oder cho,
"ne jede weiß si Weg, und 's Thal isch breit",
sell isch 's vernünftigst, und sie lön ein go.

Doch wenn der Wunderwitz ein öbbe brennt,
me lauft im Uhverstand den Engle no,
sel isch ene wie Gift und Poperment;
im Augeblick se lön sie alles stoh.

Z' erst sage sie: "Denkwol es isch si Weg;
"er goht verbey, mer wen e wenig z'ruk!"
So sage sie, und wandle still us Weg,
und sieder nimmt der füürig Ma ne Schluck.

Doch folgt me witers über Steg und Bort,
wo nummen au der Engel goht und stoht,
se seit er z'letzt: "Was gilts, i find en Ort,
"du Lappi, wo di Weg nit dure goht!"

Der Marcher muß vora; mit stillem Tritt
der Engel hinterher, und lauft me no,
se sinkt men in e Gülle, 's fehlt si nit.
Jez weisch di B'richt, und iez chasch wieder goh!

Nei, wart e wenig, 's chunnt e guti Lehr!
Vergiß mers nit, schribs lieber in e Buch!
Zum Erste sagi: Das walt Gott der Her,
isch alliwil no besser, as e Fluch.

Der Fluch jagt d' Engel mittem Heil dervo;
ne christli Gmüeth und 's Bette zieht si a;
und wemme meint, me seh ne Marcher cho,
's isch numme so d'Laterne vorne dra.

Zum Anderen, und wenn en Ehre-Ma
ne Gschäft für ihn ellei z'verrichte het,
so loß en mache! Was gohts di denn a?
Und los nit, wemme mittem Nochber redt!

Und goht me der us Weg, se lauf nit no!
Gang diner Wege furt in Gottis G'leit!
's isch Uhverstand, me merkts enanderno,
und 's git en Unehr; sag, i heig ders gseit.

 

3.  und die folgende Auflagen,  1806 ff

 

Die Irrlichter

Es wandlen in der stille dunkle Nacht
wohl Engel um, mit Sterneblume g'chrönt,
uf grüne Matte bis der Tag verwacht,
und do und dört e Betzit-Glocke tönt.

Sie spröche miteinander deis und das,
sie machen öbbis miteinander us;
's sin gheimi Sache, niemes rothet, was?
Druf göhn sie wieder furt, und richte's us.

Und stoht ke Stern am Himmel und ke Mon,
und wemme nümme sieht, wo d'Nußbäum stöhn,
mü'en seli Marcher usem Füür an d'Frohn,
sie müen den Engle zünde, wo sie göhn.

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Und jedem hangt e Bederthalben a,
und wenn's em öd wird, lengt er ebe dri,
und biißt e Stückli Schwefelschnitten a,
und trinkt e Schlückli Treber-Brentewi.

Druf putzt er d'Schnören amme Tschäubli ab,
Hui, flackerets in liechte Flammen uf,
und, hui, gohts wieder d'Matten uf und ab,
mit neue Chräfte, d'Matte ab und uf.

's isch chummliger so, wenn eim vorem Fuß
und vor den Auge d'Togge selber rennt,
aß wemme sie mit Hände trage muß,
und öbbe gar no d'Finger dra verbrennt.

Und schritet spot e Mensch dur d'Nacht derher,
und sieht vo witem schon die Kerli goh,
und betet lisli: "Das walt Gott der Her" -
"Ach bleib bei uns" - im Wetter sind sie do.

Worum? Sobald der Engel bete hört,
se heimelets en a, er möcht derzu.
Der füürig Marcher blieb io lieber dört,
und wenn er chunnt, se hebt er d'Ohre zu.

Und schritet öbsch e trunkne Ma dur d'Nacht,
und fluecht und sappermentet: "Chrütz und Stern"
und alli Zeichen, aß der Bode chracht,
sell hörti wohl der füürig Marcher gern.

Doch wirds em nit so gut. Der Engel seit:
"Furt, weidli furt! Do magi nüt dervo!"
Im Wetterleich, sen isch der wiit und breit
kei Marcher me, und au kei Engel do.

Doch goht me still si Gang in Gottis G'leit,
und denkt: "Der chönnet bliben oder cho,
ne jede weiß si Weg, und 's Thal isch breit",
sell isch's vernünftigst, und sie lön ein go.

Doch wenn der Wundervitz ein öbbe brennt,
me lauft im Uhverstand den Engle no,
sel isch ene wie Gift und Poperment;
im Augeblick se lön sie alles stoh.

Z'erst sage sie: "Denkwol es isch si Weg;
er goht verbei, mer wen e wenig z'ruck!"
So sage sie, und wandle still us Weg,
und sieder nimmt der füürig Ma ne Schluck.

Doch folgt me witers über Steg und Bort,
wo nummen au der Engel goht und stoht,
se seit er z'letzt: "Was gilts, i find en Ort,
du Lappi, wo di Weg nit dure goht!"

Der Marcher muß vora, mit stillem Tritt
der Engel hinterher, und lauft me no,
se sinkt men in e Gülle, 's fehlt si nit.
Jez weisch di B'richt, und iez chasch wieder goh!

Nei, wart e wenig, 's chunnt e guti Lehr!
Vergiß mers nit, schribs lieber in e Buch!
Zum Erste sagi: Das walt Gott der Her,
isch alliwil no besser, as e Fluch.

Der Fluch jagt d'Engel mittem Heil dervo;
ne christli Gmüeth und 's Bette zieht si a;
und wemme meint, me seh ne Marcher cho,
's isch numme so d'Laterne vorne dra.

Zum Anderen, und wenn en Ehre-Ma
ne Gschäft für ihn ellei z'verrichte het.
so loß en mache, was goht's di denn a?
Und los nit, wemme mittem Nochber redt!

Und goht me der us Weg, se lauf nit no!
Gang diner Wege furt in Gottis G'leit!
's isch Uhverstand, me merkt's enanderno,
und 's git en Unehr. Sag, i heig ders gseit.

 

       
     Der Text links folgt dem in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe vorhandenen und digitalisierten Exemplar der 1. Auflage von 1803.
Der Text rechts folgt dem für diese Website auch sonst verwendeten Referenzwerk: Johann Peter Hebel, Poetische Werke, Winkler Weltliteratur, München 1961
(Diese folgt weitestgehend der 5. Ausgabe(!), erschienen 1820 bei H. R. Sauerländer in Arau).

Alle Unterschiede der beiden Texte - Änderungen, Hinzufügungen und Weglassungen wurden links gelb hinterlegt, rechts (soweit möglich und sinnvoll) rot dargestellt.

 

 
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