27.  Petrarka und Laura Konvolut 3 / Text

(Original ohne Titel)

 

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Petrarka

P. war so schön, daß die Leute auf d. Gasse still standen, und mit Fingern auf ihn wiesen, wen er vorbei ging. Seine Augen voll Feuer, seine ganze Phÿsiognomie verkündete seinen Geist. Schöne Gesichtsfarbe. Grosse und mänliche Züge. Schlanker, edler, hoher Wuchs. Zum Umgang mit Frauenzimern u. allen Wollüsten wozu Frauenzimer reitzen, riss ihn zuerst sein Temperament, dan das Klima, wo er lebte, das Feuer der Jugend, die Schönheit so vieler Weiber, das Beispiel des liederlichen Hofs. Er vertändelte einen großen Theil des Tages mit Ordn. seiner Haare u. seines Stuzes*. Imer trug er ein weisses Kleid, der geringste Flek an demselben, eine Falte am unrechten Ort machte ihm den größten Verdruß. Auch an seinen Schuhen musste alles zierlich sein, sie waren so eng, daß er die größte Qual ausstand. Auf der Straße vermied er mit d. größten Aufmerksamkeit ieden Wind, der seine Haare in Unordnung bringen konnte. Aber eine weit höhere Liebe für Wissenschaften und Tugend hielten seiner Neigung für das schöne Geschlecht imer das Gleichgewicht. Er verabscheute iede Ausschweifung, Reue und Ekel folgten augenblicklich auf das wüste Vergnügen bei d. schönen Geschlecht. Etliche schöne Frauen suchten sein Herz zu erobern. Verführt durch ihre Reitze that er beinahe was sie wollten. Aber die Unruhen und Schmerzen der Liebe schrekten ihn so, daß er auswich. Er war wilder als ein Hirsch, bevor er Laura sah, u. doch machte er sich, wen m. ihm glauben darf, vor d. 23.sten Jahr keine Vorwürfe. Anfangs arbeitete er als Advokat, fand aber an dieser Lebensart keinen Geschmak u. wurde Geistlicher. Dem Hofleben wich er aus. Ich habe keine Hofn.+ sagte er im 23.stn Jahr, am Hof des Statthalters Christi mein Glück zu machen, ich müsste die Palläste der grossen+ Besuchen, Schmeicheln, Versprechen, Lügen, betrügen. Er hasste Ehre u. Beförderung nicht, aber die Mittel dazu, suchte Ruhe, nur nicht auf d. gewöhnlichen Weg.

Seine 2 Schriften  de vita solitaria  u. de atio religiosorum  sind vielleicht unter allen die er schrieb die schlechtesten. Ersteres fing er 1346 auf Veranlassung eines Gesprächs mit dem Bischof von Cavillon an in den Fasten und ward bis Ostern fertig. Aber er durchsah u. verbesserte es oft, und übergab es dem Bischof erst 1366. Er sagt selbst: Das Buch hat nichts gutes als den Tittel. Das 2te schrieb er als er seinen Bruder im Kartheuserkloster zu Montrieux besucht hatte, einem Versprechen zu folgen, das er den Mönchen gethan hatte ihnen bald eine Abhandlung über ihre Glückseligkeit zu schicken. Sobald er nach Valclusa zurück kam hielt er Wort.

Es war die Sage P. habe in Vaucluse mit seiner Laura gelebt, und aus seinem Haus einen unterirdischen Gang in das ihrige gegraben. So glücklich war er nicht. L. war vermählt u. lebte mit ihrem Mann Hugo v. Sade in ihrer Geburtsstadt Avignon, wo sie auch starb. Eilf Wochenbetten hatten sie ihrer Schönh. schon im 35sten Jahr beraubt. Dabei hatte sie viel häuslichen Verdruß, ihr Man schäzte ihre Tugend nicht, war eifersüchtig ohne Liebe. Petr. liebte sie 20 Jahre aber in ihrem Hause durfte er sie nicht besuchen. Er sah sie nirgends als an öffentlichen Orten und nie allein. Ihr Mann verbot ihr sogar mit ihren Freundinen spatziren zu gehen. Hätte es sie auch nicht geschmerzt, daß er ihr das unschuldige Vergügen weigerte d. Petr. zu sehen der unaufhörlich Lieder für sie dichtete, so musste sie doch das schlechte Verhalten ihres Mannes peinigen. Seine ewigen Quälereien, Verbotte, und ihre unaufhörlichen Wochenbetten kosteten ihr viele Thräume. Sie war geboren 1307 oder 1308 also 3 od 4 Jahre jünger als P. u. starb an der Pest Aprile 1348. Sieben Monate nach ihrem Tod war ihr Mann schon wieder verheirathet, u. Petr. starb 1374.

Petr. der vor den Füssen eines Weibes weinte, seufzte, wie selten wie ein Kind, schrieb so bald er seine Augen nach Rom kehrte, Brieffe voll ächten Römergeistes im mänlichsten muthigsten Stil. Der weibische Sklave der der Ketten einer stolzen Gebieterin büsste, die ihn mit einem Schein von Widerwillen verachtete, war nie kühner Republikaner, lies die Stime der Freiheit durch ganz Italien erschallen und leuchtete selbst die Sturmgloken gegen alle Tÿranen.

Squarzafichi** ein Lebensbeschr. des Petr. sagt, daß er in seinen späteren Jahren als er sich um Mailand aufhielt mit einem Fräulein aus dem Hause Beccaria Bekanntschaft gehäbt hätte, wovon seine Tochter Francisca die Frucht wäre. Seine Tochter Francisca aber kam selber 7 Jahre nachher in die Wehen u. muß also aus einer früheren Liebe entstanden sein.
Zimerm. Über d. Einsamk.**                                                                                  

Laura ligt zu Avignon in der Franziskaner Kirche. Ihr Grab ist mit einem simplen Stein bedeckt, der am Rund eine gothische Inschrift hat. Franz I., lies das Grab öffnen man fand eine Büste, die eine Schaumünze enthielt auf einer Seite Laurens Bild und auf der andern die Buchstaben M. L. M. F. (Madonna Laura Morte Face) nebst folgenden Versen, die vom Original kopiert sind +



In Vaucluse besizt ein Einwohner noch 3 alte Gemählde die er für Originale hält; vielleicht sind es aber nur gute Kopien gleichzeitiger Gemählde. Das eine Petrarch mit dem Lorbeerkranz ohngefär im 30 - 40stn Jahr. ein volles Gesicht. Laura im Profil, das zweite. Sie ist nicht eigentlich schön hat aber etwas sanftes und in ihren schwarzen Augen so wie im Blik viel feines u. geistreiches. sie ist in der Kleidertracht ihres Jahrhunderts. Die blonden Haare in einer Flechte um den Kopf gewunden ohngefär wie man sie in Schwaben trägt. Das 3te eine alte Verwandtin des Dichters
                                 (Girtanner an Prof. Fischer in Göttingen Berl. M. Sch. 1788 Nov.)***

Die Schaumünze ist von Bleÿ. Franz I. ließ das Grabmal das noch steht errichten und eine von ihm selbst verfertigte Inschrift drauf setzen.
En petit etc.

Der Bischof von Cavaillon hieß Philipp v. Cabassole u. war Herr v. Valclusa. Er kam oft auf ein Schloß welches mehr bei Valclusa stand, u. wovon die Ruinen noch stehen, um seinem Freund nahe zu seÿn, der nicht weit davon seine Hütte hatte.
                                                                       Popons Reise durch die Provence.****

 

   

 

Petr. Gestalt u.
   Charakter
 

 

 

 

 


 

+ Hofn. = Hoffnung
+ ...der Grossen besuchen, schmeicheln,... usw.



Schriften
1, de vita solitaria
2, de atio religiosorum





Laurens Schiksale

 

 

 

 

 

Petr. Freiheitssin

 

 

Petr. Spätere Liebe

 


Laurens Grab


+ Es ist unwahrscheinlich, dass der gesamte Text auf der Schaumünze = Medaillon steht, es lässt sich aber nicht klären, wieviele Verse des gesamten Gedichtes sie enthält.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bildnisse v. P. u. L.

 

 

 

Nachtrag über Laurens Grab


Bischof v. Cavall.

 

 
   

 

*  verm. "Stutzers" - gemeint ist hier sicher das Stutzen des entspr. Oberlippenbartes

**  "Squarzafichi, ein schätzbarer  Lebensbeschreiber des Petrarka" aus:
      Johann Georg Zimmermann, "Über die Einsamkeit", Königl. Großbrit. Hofrath und Leibarzt
      in Hannover, Leipzig 1785

***  Christoph Girtanner, * 7. Dezember 1760 in St. Gallen, Schweiz; † 17. Mai 1800 in
        Göttingen war ein Schweizer Arzt, Chemiker und politisch-historischer Schriftsteller.
        (Abk. nicht eruierbar)

****  vermutlich aus: Popon, "Histoire general de Provence Paris 1777-86.
         (Nähere Angaben nicht vorhanden)

 

   

 

     

Die Schrift lässt wenig Rückschluss auf die Zeit der Entstehung zu, einerseits ist sie relativ gut lesbar, andererseits enthält sie einige bemerkenswerte Eigenheiten:

- für ein, eine, einen, einer verwendet Hebel eine Abk., die das 'i' weglässt, so dass die Worte wie en, ene, ener, enen aussehen
- sehr inkonsistent ist die Diskriminierung von 'h' und 's' (Valclusa liest sich wie 'Valcluha'), aber auch von a und o, insbes. das 'a' kommt auf mind. 4 Varianten, auch das 'r' und das 'sch' lassen sich oft nur aus dem Zusammenhang erschließen
- die Verwendung des Makron für 'nn' (=n) ist so uneinheitlich wie selten in seinen Autographen - mal Man, mal Mann

 

     
 
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