30.  
(Fab. 8. - o. T.)     
  +   Fab. 9.  Tafelmusik
+  Fab. 10.  Die Pleiße in einen Fluß.
+ Fab. 11.  Ein Componist in einen Badknecht
+ Fab. 12.  (o. T.)
Konvolut 3 / Text
 

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Achtmahl vollendete die Sone ihren Lauf, als endlich, nicht er, ach sein blutiges Haupt auf einer silbernen Schale zurück gebracht wurde.
Hierauf erzählt sie ihm, wie die Schale in die Kirche getragen wurde, wie das Haupt des Herzogs an die Schale anwuchs u. sich hinein schmolz, wie leztere sich in dem Umfang eines Thalerstückes mit dem Bildniß des Herzogs verkleinerte, und den (Joachims) Thalern, hat. Joachimicus den Namen gaben. Seit dem fuhr sie fort, ligt auf uns Vences laus eisecur e Sceptra 1 Seit dem sind unsere goldenen Tage vorüber, in welchen man die kumervollen Gestalten nicht kante, die Ihr hier vor euren Augen erblickt.


Fab. 9.   Tafelmusik

Den es hatten sich unterdessen vier greise Berginvaliden mit Tromel, Triangel Teller u. Flöte an der Thüre gestellt. Aber an ihrer Seite zwey iugendliche Gestalten, die erst zweÿmal bearbeitete 4 Racheline 2 mit dem tönenden Saitenspiel und die holde Savelle 2, keusch und rein, wie der Silberton des Glockenspiels das du schwangst. Aber die zitternden Hände vermochten nicht mehr zu halten den Takt. Mitleids voll betrachtete sie der König der Elfen. "Ich kan euch nichts bezahlen, sagte er. Söhne der Propheten, den die Wirthin hat mich ausgebeutet. Auch hole ich ich diesen Nachmittag meine Frau zu einer Wallfahrt ab. Aber ich will euch belohnen, wie kein irdischer Musterkartenreiter vermag. Der Orion soll nicht mehr über eurem Elend kulminieren.


Fab. 10.
Die Pleiße in einen Fluß.

Als Oberon die Titania traf hatte sich eben ihre Geduld an einem weinenden Mädchen erschöpft, dessen Bräutigam die Hunnen in Leipzig erschoßen hatten. Nun den sagte sie: Wenn die deine Thränen süßer sind, als meine Liebkosungen, so zerfließe in Thränen. Da zerfloß Hanchen Pleiße 3 in Thränen u. eilte ein strömender Fluß nach Leipzig und benezte dort unaufhörlich das Grab des Geliebten mit ihren Thränen.


Fab. 11.
Ein Componist in einen Badknecht

Nach langen Jahren verfolgte sie ein iunger Componist, geladet durch das traurige melodische Flüstern ihrer Wellen biß an ihre Quelle tauchte sich der erste in ihre Grotte u. bearbeitete sie 4. Entrüstet darüber gab ihm Titania, nicht wirkungslos ihren Fluch: Werde Theaterstatist sprach sie u. Notenabschreiber bei Vogel u. Badknecht 2 in der Hub 2. Pleißner sei dein Name, denn du hast die Pleiße bearbeitet.


Fab. 12.

Als aber der Orion sich über die Böhmischen Gebirge erhob u. in eine Dachkamer des rothen Löwen schaute. Animadal 2 der iüngste noch unter dem Berginvaliden der die Flöte blies, wiegte Rachelide 5 mit dem Saitenspiel auf dem spitzigen Knie. Hinter ihm Elihu 2, mit der Tromel auf dem Rücken, schaute ihm über die Achsel, ihr holdes Antliz gesehen. Tagurl 2 und der Sohn Palthiels 2 suckelten an ihren Zehen und hoben die Hände an ihre Waden empor daß die Teller u. die Triangel die Knie Animadals berührten. Aber du keusche Savelle standest antheilslos u. trauernd am Fenster. Da erschienen Oberon u. Titania, u. Oberon verwandelt die fünfe in einen. Racheline schwam in den Flötenspieler hinein. Durch ihre Jugend wurde seine Gestalt u. sein Alter veriüngt, aber ihre Gittare blieb hängen an seiner Brust.* Elihus Tromel an seinem Rücken der Triangel u. die Teller an seinem Knie.

 

   



 
 
   

Hauptthematik dieser Fabelsammlung sind offensichtlich Verwandlungen von einem Zustand 'in' einen anderen, kenntlich an dem Schlüsselwort 'in' bei den Überschriften.
Inspiriert ist die Textfolge möglicherweise von den "Metamorphosen" des Ovid ( Publius Ovidius Naso, * 20. März 43 v. Chr. in Sulmo; † wohl 17 n. Chr. in Tomis, einem antiken römischen Dichter.

1 = Vences laus = (vermutlich Bezug auf) Venceslaus Philomates, * ca. 1480 Neuhaus/Böhmen
      (Jindřichův Hradec/CZ), † nach 1532, Geistlicher und Musiktheoretiker.
      eisecur e Sceptra = (unbekannt) und Zepter

2 = Namen unbekannt, teilweise ev. lokale böhmische Sagengestalten

3 = Hannchen Pleiße = hier der Name des trauernden Mädchens, dessen Tränen der Fluß Pleiße
      - entspringt im Erzgebirge und mündet in Leipzig in die Weiße Elster - seine Entstehung
      verdankt.

4 = Eindeutig eine Anspielung sexueller Natur, d. h. auf einen Geschlechtsverkehr oder sogar auf
     eine Vergewaltigung.

5 = Verschreiber zu Racheline

 

   

 

     

* Der Text endet hier am Ende dieser Seite. Auf dem nächsten Blatt folgt ein Satz, der zwar zum Ende der Fab. 12. passt, aber nach 3 Zeilen beginnt der Text erneut mit "Fabel 12"
(vermutlich ein Versehen bei der Zählung?) und dem Zwischentitel "Das Glockenspiel in einem Helmbusch".

Die BLB hat das nächste Blatt ebenfalls dem Kap. 30 zugeordnet, aber den darauf folgenden Seiten eine neue Kapitelnummer - 31 gegeben, obwohl es inhaltlich keine Veranlassung für ein weiteres Kapitel gibt.

Wenn überhaupt, so ist eine Trennung m. E. hier sinnvoll, daher habe ich die folgende Seite dem Kap. 31 zugeordnet, um einen Kapitelübergang mitten im Satz zu vermeiden.

Gleichwohl bilden die Kapitel 29 - 31 eine inhaltliche Einheit mit Fabelnummern von 1 - 16.

Leider gibt es von Hebel keinen Hinweis darauf, welchen Zweck er mit der Auflistung und der unterschiedlichen "Bearbeitungstiefe" verfolgte.

     
 
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