12 - [12].    1808. De. Konvolut 3 / Text
 

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1808 De.

Auf der ganzen Leiter, sagt Wieland
°, an welcher wir die Menschenkinder ewig auf und nieder steigen sehen
An der ganzen Leiter, auf welcher die Völker langsam hinaufsteigen, um von der höchsten Spitze schnell wieder herab zu stürzen, sind nur 2. Stuffen, wo sie sehr zu ihrem Vortheil in die Augen fallen. Jch meine 2 Zeitalter, das eine, wo ein Volk viel feine, edle u. gute Menschen u. die besten von ihnen an der Spitze hat, das andre, wo es Künstler hat, die den Geist der heiligen Götter empfangen haben, um die Bilder der großen Menschen, die nicht mehr sind, aus Marmor u. Elfenbein zu schnitzen, u. den Göttern, an die man nicht mehr glaubt, schöne Tempel zu bauen, u. die Thaten der Helden, die niemand mehr thun kan oder darf in schönen Schauspielen vor zu stellen. Welches von diesen zweÿ Zeiten* selbst die vorzüglichste seÿ, will ich nicht entscheiden, zumal wir selbst in der zweiten leben. Doch will mir sehr scheinen der Held seÿ noch mehr werth als sein Bild, die Religiösität mehr als die Kirche, und die That mehr als das Schauspiel oder eine Abhandlung über ihre Moralität oder Verdienstlichkeit.

 

 

 

 

   

 

Es gibt keine Quellenangabe und keinen Hinweis darauf, zu welchem Text Hebel sich hier seine Gedanken gemacht hat.

                             '    2      1   '
* im Autograph steht 'Zeiten zwey'

 

 

 

 

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° = Wieland = Vgl. dazu die Schriften von Christoph Martin Wieland in der Ausgabe, die Hebel möglicherweise bekannt war:

C. M. Wielands sämmtliche Werke. Leipzig: Göschen, Bd. 14. - Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit. 1796:

 - S. [209] - 241: Über die vorgebliche Abnahme des menschlichen Geschlechts.

 - S. 238: Mich dünkt, auf der ganzen Leiter, worauf ich die Menschenkinder (wie Jakob dort die Engel in seinem Traum) ewig auf und nieder steigen sehe, sind nur zwey Stufen, wo sie zu ihrem Vortheil in die Augen fallen. Die eine ist der Zeitpunkt, wo ein Volk viel freye, edle, gute Menschen, und die besten unter ihnen an seiner Spitze hat: die andre der, wo es Künstler hat, die den Geist der heiligen Götter empfangen haben, um die Bilder der großen Menschen, die nicht mehr sind, aus Marmor und Elfenbein zu schnitzen, und den Göttern, an die man nicht mehr glaubt, schöne Tempel aufzubauen, und die Thaten der Helden, die niemand mehr thun kann, oder, wenn er könnte, nicht thun darf, in schönen Schauspielen, zu großer Leibes- und Gemüthsergetzung ihrer Mitbürger und hoher Herrschaften, vorzustellen.

Anmerkungen beigefügt von Rainer Fürst.