|
zurück
|
1808 De.
Auf der ganzen Leiter, sagt Wieland°, an welcher wir die
Menschenkinder ewig auf und nieder steigen sehen
An der ganzen Leiter, auf welcher die Völker langsam
hinaufsteigen, um von der höchsten Spitze schnell wieder herab zu
stürzen, sind nur 2. Stuffen, wo sie sehr zu ihrem Vortheil in die Augen
fallen. Jch meine 2 Zeitalter, das eine, wo ein Volk viel feine, edle
u. gute Menschen u. die besten von ihnen an der Spitze hat, das andre,
wo es Künstler hat, die den Geist der heiligen Götter empfangen haben,
um die Bilder der großen Menschen, die nicht mehr sind, aus Marmor u.
Elfenbein zu schnitzen, u. den Göttern, an die man nicht mehr glaubt,
schöne Tempel zu bauen, u. die Thaten der Helden, die niemand mehr thun
kan oder darf in schönen
Schauspielen vor zu stellen. Welches von diesen zweÿ Zeiten* selbst die
vorzüglichste seÿ, will ich nicht entscheiden, zumal wir selbst in der
zweiten leben. Doch will mir sehr scheinen der Held seÿ noch mehr werth
als sein Bild, die Religiösität mehr als die Kirche, und die That mehr
als das Schauspiel oder eine Abhandlung über ihre Moralität
oder Verdienstlichkeit.
|
|
|
|
|
°
= Wieland = Vgl. dazu die
Schriften von Christoph Martin Wieland in der Ausgabe, die Hebel
möglicherweise bekannt war:
C. M. Wielands sämmtliche Werke. Leipzig: Göschen, Bd. 14. - Beyträge zur
geheimen Geschichte der Menschheit. 1796:
- S. [209] - 241: Über die vorgebliche Abnahme des menschlichen
Geschlechts.
- S. 238: Mich dünkt, auf der ganzen Leiter, worauf ich die Menschenkinder
(wie Jakob dort die Engel in seinem Traum) ewig auf und nieder steigen
sehe, sind nur zwey Stufen, wo sie zu ihrem Vortheil in die Augen fallen.
Die eine ist der Zeitpunkt, wo ein Volk viel freye, edle, gute Menschen,
und die besten unter ihnen an seiner Spitze hat: die andre der, wo es
Künstler hat, die den Geist der heiligen Götter empfangen haben, um die
Bilder der großen Menschen, die nicht mehr sind, aus Marmor und Elfenbein
zu schnitzen, und den Göttern, an die man nicht mehr glaubt, schöne Tempel
aufzubauen, und die Thaten der Helden, die niemand mehr thun kann, oder,
wenn er könnte, nicht thun darf, in schönen Schauspielen, zu großer
Leibes- und Gemüthsergetzung ihrer Mitbürger und hoher Herrschaften,
vorzustellen.
Anmerkungen beigefügt von
Rainer Fürst. |
|