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Vortrag die vorgeschlagene Sammlung eines neuen Gesangbuchs betr.
Gemäß des erhaltenen Auftrags zum Behuf
der Sammlung eines neuen Gesangbuchs für die vereinigte Kirche, mich nach
mehreren neuen und vorzüglichen Gesangbüchern umzusehen, u. nach deren
Durchsicht weitern Vortrag zu erstatten, lege ich einstweilen vor
1) das Wertheimsche ohne Titel, jedoch von dem verstorbenen
achtungswerthen Decan Müller redigirt
2) das von einem Geistlichen der Diöcese Weinheim empfohlene Nassau
Weilburgische, zwar von 1779. u. ebenso
3) das Neuwiedische von 1805.
34) das Bairische von 1814. u. endlich
5) das neueste vielleicht von allen das Schnepftalische von 1821.
Einige andere, namentlich das Hildesheimische sind mir noch nicht
zugekommen, weil es immer schwer ist, auswärtige Kirchenbücher, die
meistens auf Rechnung milder Stiftungskassen gedruckt werden, durch den
Buchhandel habhaft zu werden.
Es ist hier nicht der Ort und der Zweck, die einzelnen Sammlungen zu
recensiren u. gegeneinander zu würdigen. Ich begnüge mich mit der
allgemeinen Bemerkung, daß sie, mit einiger Ausnahme des Schnepfthalischen,
durchgehends den nemlichen Charakter haben, u. hinsichtlich ihrer Güte
nicht sehr weit von einander abzustehen scheinen.
Sie enthalten durchgehends fast die nemliche Auswahl der bisher bekannten
ältern und mittelzeitigen Kirchenlieder mit stärkern oder leichtern, mehr
oder weniger gelungenen Abänderungen. Unter diesen u. den neuern, die mir
wenigstens noch neu sind, finden sich gute, wie mittelgute, darum nicht zu
verachtende, u. neben beiden noch eine größere und kleinere Anzahl solcher
Lieder, die ein anderer vielleicht nicht würde aufgenommen haben, wenn ihm
anders eine reichere Auswahl zu Gebot gestanden wäre. -
Die Tendenz der meisten neuern Erbauungsschriften ist bekannt. Nicht in
allen ist das Bestreben vorherrschend, den Glauben in positive u.
geschichtliche Lehren des Christenthums und ihre hocherprobte Wirksamkeit
auf die Gemüther zu bewahren u. zu nähren. Viele beurkunden mehr die
geläuterten Religionsbegriffe u. den gebildeten Geschmak ihrer Verfasser,
als ihre Bekanntschaft mit den Bedürfnissen der großen Volksmasse, für
welche doch eigentlich sollte gesorgt werden, u. welche lieber stark
empfinden, als klein anschauen will, durch halbdunkel gehaltene
Vorstellungen lebhafter als durch klare bewegt wird, u. welche sich mit
der Wahrheit im biblischen Wort und Bild lieber u. inniger befreundet, als
in jedem andern. Es ist eine merkwürdige Erscheinung, - ich erlaube mir
diese Bemerkung hier einzulegen, - daß seit einigen Jahren mit einem edlen
Enthusiasmus durch zahlreiche Konföderationen der ganzen Christenheit die
Bibel als das einzig nötige und unentbehrliche, als die einzige wahre
Seelenspeise in alle Familien u. in alle Hände zurückgeführt, u. zu
gleicher Zeit z. Th. von den nemlichen Orten her, wo jener große Zwek mit
regsamer Theilnahme betrieben wird, die eigentümlichen Vorstellungen und
Formen der Bibel, bis auf die schönen u. stark anregenden Metaphern u.
Beziehungen, welche ihr Geschichtliches bietet, mit einer fast Gefahr
ahndenden Ängstlichkeit aus allen Erbauungsbüchern u. namentlich aus den
Kirchengesängen, wo sie noch am wenigsten fehlen sollten, entfernt werden.
Indessen hat sich auch hier eine Parthie u. - darf ichs sagen - der
größere Theil der Geistlichkeit selbst des Urtheils bemächtigt, u. den Ton
angegeben, u. es möchte nun eben so gewagt u. unausführbar sein, gerade
bei der Wahl des Gesangbuchs unvorbereitet einen Schritt zurükzuthun, als
es zu wünschen wäre, daß einige Schritte vorwärts noch nicht geschehen
seyn möchten.
Soll ich jedoch über die vorgelegten Bücher eine eigene Meinung
aussprechen, so scheint das neueste derselben - das Schnepfenthalische
auch die meisten neuen Lieder zu enthalten, u. viele unter ihnen zeichnen
sich nicht nur durch reine Diction, sondern auch durch reine Religiosität,
nicht nur durch leichte Verifikation, sondern auch durch eine mild
ansprechende Gemüthlichkeit aus.
Allein das Volk, an welches hier immer zuerst gedacht werden muß, verlangt
eben nichts neues. Das alte Gute ist ihm unendlich mehr werth, als das
beste neue. Unter den übrigen würde ich dem Wertheimer unbedenklich den
Vorzug geben. Ein anderer vielleicht einem anderen.
Soviel über die Bücher.
Die möglich baldigste Veranstaltung eines neuen Gesangbuchs für die
Gesamtkirche des Landes ist zwar noch durch keine allgemeine Dringlichkeit
geboten, u. es würden und werden seiner allgemeinen Einführung noch
gerechte Bedenklichkeiten und Protestationen entgegen treten. Der Act, ich
sage nicht die Acte einer der Kirchenvereinigung macht an sich die Einheit
eines Gesangbuchs für die Gemeinden, die ihr beitreten, noch nicht zur
gebietenden Nothwendigkeit. So gut der Badener, der Hanauer, der
Wertheimer, jeder mit einem andern Gesangbuch in der Hand doch Mitglieder
der einen und ungeteilten Lkirche waren, so gut können wir alle mit den
nemlichen Büchern, u. selbst der ehemals reformirte mit dem seinigen
fortfahren, Mitglieder der vereinigten Protestantischen Kirche zu seyn.
Ein neues Gesangbuch ist eigentlich nur für die wenigen gemischten
Gemeinden der ehemaligen Pfalz und für diejenigen rein lutherischen
Gemeinden des nemlichen Landesdistrikts, der sich noch mit uralten Büchern
behilft, ein nahes Bedürfnis geworden. Das Gesangbuch der Altbadener
gehört noch immer zu den guten, wenn auch nicht zu den besten. Noch mehr
Ursache hat der Wertheimer mit dem seinigen zufrieden zu seyn, u. es wird,
nachdem ihnen der Fortgebrauch derselben bereits auf 10 - 12 weitere Jahre
gesichert ist, schwer zu erwarten seyn, daß sie in die Wünsche u.
Vorschläge zur Befriedigung eines ihnen fremden von ihnen nie gefühlten
Bedürfnisses, zumal in einer Zeit sich präcipitiren werden, in welcher der
Kreuzer zur Beschaffung eines neuen Gesangbuchs ohne Noth, von 1000den im
eigentlichen Sinn am Brod und dermalen noch am Salz müßte erspart werden.
Diese Bemerkungen legen jedoch den geschehenen neuerlichen Vorschlägen,
einsweilen eine Auswahl u. Sammlung von Liedern zur Vorlage und Prüfung
hei der nächsten General Synode zu veranstalten, keine Bedenklichkeit in
den Weg.
[Hier fehlt durch einen Speicherfehler 5
Abschnitte, diese werden nachgereicht]
halten gegen Gebrechliche aller Art recht
eigentlich und zwekmäßig vorangehen sollte.
Ebenso unnötig ist eine reichere Sammlung von Liedern für die häußliche
Erbauung, welches ihre zweite Bestimmung ist. Auch der frömste Hausvater
wird schwerlich klagen, daß er mit 400 Liedern für den Hausgebrauch nicht
ausreiche,. Man weiß vielmehr, daß jedermann, selbst der Gebildete, auch
aus der reichsten Sammlung nur eine ganz kleine Anzahl von Liedern recht
eigentlich lieb gewinnt, sie allein zu seiner Erbauung anwendet, in ihnen
immer neue Nahrung, neues Leben findet, u. alle andren fast ungeleßen läßt,
u. es müßte das Gesangbuch von 400 Liedern eine große
Verdammungswürdigkeit in sich selben tragen, in welchem nicht jeder 30.
50. 80. Lieder fände, die seiner Individualität zusagen u. wie für ihn
gemacht scheinen sollten. Aus diesen Gründen glaube ich, daß 400 gut
gewählte Lieder überaus genügen, und jeder größern, das Buch nur
verdikenden und vertheuernden Sammlung vorzuziehen sey.
Indessen wird es doch zwekdienlich seyn, die Zahl der zur Prüfung
vorzulegenden Lieder auf 450 auszudehnen, damit nötigenfalls noch eine
Parthie ausgeschoßen werden kann, die vielleicht nicht glüklich genug
werden gewählt scheinen.
2) Es sollen vorzugsweise diejenigen Lieder wieder aufgenommen werden,
welche bereits in allen oder doch einigen der eingefürten besten
Gesangbücher eine verdiente Stelle gefunden haben. Einige Schwierigkeit
werden hier die ungleichen Veränderungen herbeiführen, welche besonders an
den ganz alten Liedern von den verschiedenen Redactoren vorgenommen
wurden. Das nemliche Lied kann in jedem andern Gesangbuch mit andern
Lesarten erscheinen. Hie und da ist eine derselben entschieden die beste.
Unter den meisten ist keine Wahl, wenn das subjective Gefühl des Einzelnen
von dem Richteramt ausgeschlossen wird. Es ließe sich dafür wohl der
Zusatz noch rechtfertigen, daß in solchem Fall jedes einzelne Lied mit
denjenigen Verbesserungen oder in derjenigen Form aufzunehmen sey, in
welcher es in den mehresten unserer Gesangbücher erscheint, Da jedoch
diese Aufgabe das Geschäft sehr verweitläufigen u. erschweren würde, da es
sogar möglich u. fast zu erwarten ist, daß einzelne Lieder in jeder
Sammlung anderst erscheinen, so würde ich vorschlagen, daß die Form,
welche den Liedern die Redaction des alt-badischen Gesangbuchs gegeben
hat, wenn sie anders darin stehen, angenommen werde. Ich sage dieses aus
keiner Vorliebe für dasselbe - ich habe sie nicht - sondern weil die
Gemeinden, in welchen dasselbe bereits eingeführt ist, in dem ganzen
Großherzogthum bei weitem die zahlreichsten sind. Eigenen neuen
Veränderungen wird sich der Sammler enthalten,
3) Was die Bedingung der Aufnehmungswürdigkeit sowohl der bisher üblich
gewesenen, als neu zu wählenden Lieder betrifft, so wird es nicht nötig
seyn, das Augenmerk des Sammlers auf reine richtige und edle Diktion, auf
richtige und geschmeidige Versifikation und leichte Verständlichkeit der
Lieder zu richten.
Die Gesänge sollen in der Mehrzahl nicht nur religiös u. moralisch,
sondern christlich religiös seyn.
In den Festgesängen sey die Geschichte des Festes nicht in den Hintergrund
gestellt. Nicht Belehrung auch nicht schales Bekenntniß der Lehre oder
Anerkenntniß der Pflicht, sey der vorwaltende Inhalt des Kirchen Psalms.
Er entflamme zur Andacht, führe das Gemüth zur tiefen Einkehr in sich
selbst, erhebe es zu dem hohen Unsichtbaren, heilige die ganze Denk- Sinn-
u. Handlungsweise - gewählte biblische und schöne Naturbilder seien sein
höchster poetischer Schmuk. Auch der gemeine Volkssinn verträgt nicht nur
den hochpoetischen Ausdruck. Er ist sogar ein notwendiges Ingrediens der
populären Poesie.
4) Hier nächst wird nun zwar nur untergeordnete Rüksicht bei reicherm
Vorrath und gleicher Güte der Lieder die Wahl zwischen dem kürzesten u.
längsten in dem Maße bestimmen, daß die kurzem noch für einen Gottesdienst
zureichen, u. die längern noch während eines solchen können ausgesungen
werden. Zu Verstümmelungen bereits bekannter Gesänge durch Weglassung
einzelner Verse weiß ich nicht zu rathen. Man wird weniger ein ganzes Lied
vermissen, weil nichts daran erinnert, als eine einzige Strophe, weil
jeder, der das Lied sonst kennt die Lüke augenbliklich bemerkt; doch ist
auch nicht zu bringen, daß manches gute Lied blos durch Weglassung einer
mäßigen u. weniger geglükten Strophe erst auch schön wird.
5) Die Beziehung der Lieder auf die Melodien darf hier nicht übergangen
werden.
Sollen die bisher üblichen und daher bekannten Melodien in der Art
maßgebend seyn, daß alle Lieder verworfen werden, deren Versmaß auf keine
derselben anpassend ist - oder soll der Sammler ermächtigt werden,
treffliche Gesänge aufzunehmen, auch wenn in den eingeführten
Choralbüchern keine Melodien dazu vorhanden sind - sollen sogar
absichtlich darauf Bedacht genommen werden, den Melodien größere
Mannigfaltigkeit zu geben, u. besonders einigen, die der Kenner für
vortrefflich hält, eine verdiente Aufnahme zu bereiten? Ein Diöcesane von
Moßbach gedenkt eines Vorwurfs, den man den Protestanten mache, daß sie
nur Eine Melodie hätten, oder bestimmter, daß alle Melodien ohne Rüksicht
auf das Versmaß keine einzige ausgenommen im 4/4tel Takt gesezt seien, und
fragt, ob nicht mit glüklichem Erfolg zur Abwechslung und Vermeidung jenes
Vorwurfs der 3/4tel u. 6/8tel Takt bisweilen vorkommen dürfe. Ich muthe
mir hierüber kein Urtheil zu, u. überlasse diesen Gegenstand einer
competenten Entscheidung. -
Jedoch darf ich nicht unbemerkt lassen, daß die erste Bedingung, nemlich
daß nur solche Lieder aufzunehmen seyen, deren Versmaß einer bereits
eingeführten Melodie entspricht, eine Vorschrift ausspreche, die kaum bis
zur Einheit und Allgemeinheit auszuführen sey, da schon in den bereits
üblichen Gesangbüchern der verschiedenen Landesdistrikte ungleiche
Singweisen vorkommen, u. es dürfte allerdings verkehrt und der Güte des
Werks wenig ersprießlich seyn, Lieder für eine bestimmte und geschlossene
Anzahl von Melodien, oder für ein beschworenes Choralbuch zu sammeln, u.
nicht vielmehr, wenn die Lieder gesammelt sind, ein neues Choralbuch dazu
zu veranstalten.
Die von dem Decan Müller in Eppingen unter dem 14. Feb. d. J,.
eingesandten, von ihm seihst theils verbesserten, theils neugesetzten u.
mit Präludium begleiteten Melodien einiger Kirchengesänge dürften
vorläufig auf alle Fälle einem Kundigen zur Beurtheilung zuzustellen sein.
Endlich
6) müßte dem Sammler aufzugeben seyn, die Lieder, die er der Aufnahme
würdig erachten wird, selbst die bereits gekannten, nicht blos etwa mit
den Nummern ihres Gesangbuches, oder der Anfangszeile bemerkbar zu machen,
sondern sie wohl leserlich und auf einzelnen Blättern abschreiben zu
lassen, u. sie sodann, wenn er alle beisammen hat, nach einer einfachen
Reihenfolge ohne künstliche Systematisirung zu ordnen.
Ich möchte hierzu das Muster des alt Badischen Gesangbuchs unbedenklich
vorschlagen, wenn auch die Zeitlieder, die in demselben an der Spitze
stehen, füglicher zwischen der 3ten Abtheilung und dem Anhang ihren Platz
finden würden.
Die Abschriften der Lieder werden vielleicht mehrere Hände erfordern, u.
einigen Kosten Aufwand verursachen. Allein sie sind schon um der Revision
willen, noch mehr aber zur Vorlage bei der General Synode doch nötig, u.
können dann in der Maße, als die Sammlung angenommen wird, zugleich als
Manuscript für den Druk benuzt werden. pp
Sollten diese sämtlichen Ansichten u. Vorschläge gebilligt und genügend
erfunden werden, so würde ich nun weiter darauf antragen, einen hierzu in
jeder Hinsicht geeigneten Mann mit dem Geschäft der Redaction zu
beauftragen, ihm eine aus diesen Vorschlägen zu entnehmende kurze jedoch
in einigen Punkten noch näher zu bestimmende Instruktion zuzustellen, u.
zur Beendigung des Geschäfts einen möglichen liberalen Zeitraum zu
bestimmen. Ich will bestimmt hirzu zwar kein Individuum, wohl aber die
Wahl eines praktischen Geistlichen vorschlagen, der mit den verschiedenen
Volksklassen in mehrfacher Berührung steht, u. neben jeder andern
Kompetenz zu diesen wichtigen unter vielfachen Umsichten zu fertigenden
Arbeiten mit der Geschichte der fortschreitenden Volkscultur bekannt ist,
u. von allen Dingen Muße genug hat, das Geschäft mit Liebe und
Beharrlichkeit vollenden zu können. Es giebt wohl keine Art von
Beschäftigung, die weniger Unterbrechungen verträgt, weniger in einzelne
zufällige oft weit auseinander liegende Zeitparcellen sich zersplittern
läßt, als diejenige, welche zur Bestimmung hat, eine zahlreiche Menge
gegebener Einheiten zu prüfen, fortwährend miteinander zu vergleichen, u.
zulezt aus allen eine umfassende harmonische in sich vollendete
Totaleinheit darzustellen.
Ich stelle anheim, ob als dann die Sammlung vor ihrer Eingabe noch einem
zweiten geeigneten Mann zur Revision soll zugestellt werden, u. biete mich
in dem einen und dem andern Fall gerne an, die lezte Revision, wenn sie
mir will anvertraut werden, zu übernehmen.
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