zurück Vom Tabakrauchen
   

 

Es ist eine eigene Sache um das Tabakrauchen. Tausende rauchen und wissen nicht warum, - müssen rauchen und wissen nicht warum. Der beurteilt's geradehin als Gewohnheit, ein anderer sucht das Delikate und Vergnügliche im Gerüche des Rauches, was wohl nur eine Nebensache ist, andere richtig im Geschmacke. Aber auch von diesen weiß sich fast keiner Rechenschaft zu geben, was der Sinn des Geschmackes Angenehmes dabei empfinde, wie ihm der stinkende Rauch dieses Krautes Bedürfnis sei. Es scheint unbegreiflich, wie jemand hat mögen anfangen Tabak zum Vergnügen zu rauchen. Vielleicht liegt in folgendem einige Aufklärung.

Ein Sinn des Menschen, das Auge, ist, solange er wacht, unaufhörlich beschäftigt, durch irgendeinen Gegenstand, der sich in ihm spiegelt, einigermaßen gereizt. Sei es nun die gegenüberstehende Wand oder Mauer, sie soll durchaus nichts haben, das die Aufmerksamkeit und das Wohlgefallen des Auges auf sich zieht; es ist genug, solange sie dem offenen Auge gegenübersteht, hält sie diesen Sinn in einer kleinen Spannung, sowenig wir davon denken und dessen auch nur bewußt sind, daß wir etwas sehen. Wie langweilig und lästig ist uns gänzliche Finsternis, das heißt ein Zustand, in welchem das Auge durchaus nichts zu sehen hat; wie unnatürlich und selten ist es, daß ein Mensch mutwillig und absichtslos eine halbe Stunde lang bei hellem Tag durch Schließung der Augen sich in diesen Zustand versetzte!

Nicht anders ist es mit dem Ohre. Ein unaufhörliches Geräusch gibt ihm den ganzen Tag über Beschäftigung, sei es auch nur unser eigener Fußtritt, unsers Atmens Rauschen, ob wir gleich teils kein positives Vergnügen bei dem Schallen empfinden, uns des Hörens nicht einmal bewußt sind. Unwillkürlich klimpern wir eher mit den Fingern, rauschen mit einem Papierchen, schleppen, wo wir einsam gehen, den Stock auf dem Boden nach, damit er rassele, oder schwingen ihn etwa einmal in der Luft herum, daß er sause, sprechen ein paar laute Worte, tun einen einem lauten Seufzer ähnlichen Atemzug, singen oder pfeifen, wecken irgendeinen Schall in der Luft und fühlen ein dunkles Wohlbehagen dabei.

So das Gefühl. Am ganzen Körper ausgebreitet, muß es unaufhörlich irgendwo berührt und beschäftigt sein, ist es auch durch Kleider, Luft und Reibung der körperlichen Teile aneinander selbst. Wäre es auch nicht, so kommen wir ihm abermals durch unwillkürliches Reiben oder Streichen der Hand, durch sanften Druck und Kratzen zu Hilfe. Das gilt selbst noch von dem Geruch. Es gibt in der allgemeinen Atmosphäre und in der besondern, die uns und andere Körper umgibt, immer etwas zu riechen, sei auch die Empfindung davon so schwach und stumpf, als sie will; es ist immer etwas.

Nur der Sinn des Geschmacks macht eine Ausnahme. Nur für eine eingeschränkte Art von Gegenständen reizbar, nur reizbar durch unmittelbare Berührung derselben, nur auf einen kleinen Raum der empfindsamen Oberfläche des Körpers eingeschränkt, und noch überdies an einer zurückgezogenen, verborgenen, eingeschlossenen Stelle des Körpers angebracht, ist er im Fall, oft Stunden und halbe Tage lang allein feiern zu müssen, wenn die ändern Sinne alle etwas zu tun und zu spielen haben.

Aber wie der Mensch dem Ohr durch selbst geweckte Töne, dem Gefühl durch Druck und Reiben, dem Geruch durch Blumen und Lavendelwasser zu Hilfe zu kommen weiß, so fand er auch etwas für den Geschmack. Ob die Natur den Kopf dazu nickte oder schüttelte, ist hier einerlei; kurz, er suchte und fand etwas für ihn.

Cajus ißt und trinkt unaufhörlich nur, um den Geschmack zu beschäftigen. Der nüchterne Titus kaut wenigstens an einem Baumblatt auf seinem Spaziergange. Es ist nicht süß, ist nicht würzhaft, ist nicht fett, ist nicht angenehm bitter oder süß, gewährt ihm durchaus keine positiv angenehme Empfindung. Aber genug, er hat etwas zu schmecken. Sollte nicht hieher auch das Rauchen des Tabaks gehören? Ich zweifle gar nicht. Und dann wäre die Frage gelöset. Was hat die seltsame Gewohnheit Angenehmes? Worin besteht das Vergnügen davon? Positiv in nichts. Es ist dem Geschmacke das, was dem Auge der Anblick einer Mauer, eines Ziegeldaches, eines Weidenstockes, was dem Ohr das Summen und Rauschen und Klimpern und Pfeifen, womit wir dasselbe unterhalten, was dem Gefühl Kratzen, Reiben und Druck. Wir können, ohne es zu wissen, stundenlang den Rauch einsaugen und ausblasen, wie wir, ohne es zu wissen, stundenlang eine Wand, eine Tür, einen Tisch im Auge haben, das ferne Rauschen des Wassers oder die Fußtritte auf der benachbarten Straße usw. hören, den Druck übereinandergelegter Glieder oder sanft gebissener Lippen usw. fühlen. Aber wenn wir's eine Zeitlang entbehren, so wird uns die Leere des Gefühls so lästig als lange Finsternis und öde Stille. Hiezu kommt noch, daß bei dieser Beschäftigung eines Sinnes mehrere mitbeschäftigt sind; der Geruch durch das, was von dem Rauch der Nase zuteil wird; das Auge durch die in tausenderlei Gestalt schwimmenden und wirbelnden und zerfließenden Wölkchen; selbst, wiewohl sehr schwach, das Ohr durch jene wiederholte Aufschnellung der Lippen und das Gefühl durch das Herumfahren der Pfeife in Hand und Mund.

 

 
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