zurück IX e  -  Reformationsfest:

Gebet.

Nachmittags, über Joh. 17, 19. 20. 21.

     
Noch einmal beugt sich unser Wesen vor dir, Vater und Beförderer alles Guten, um dir zu danken, auch für das Gute das du durch die Reformation in der Welt befördert hast, und noch bis jetzt beförderst; für den Geist der Duldung, der Nachsicht mit Anderer Ansichten, der dadurch wieder belebt ward. Nein; sie sollte nicht trennen, sie sollte vereinigen, so verschieden auch die Ansichten seyn mögen. Ihr Geist ist: Glaubensfreiheit haben und Glaubensfreiheit lassen, Jedem, nach seiner Ueberzeugung vor dir, der du "die Herzen kennst, und die Nieren prüfst," was kein Mensch vermag. Allerdings kann Niemand einen andern Grund legen, als der gelegt ist, — Jesus Christus: aber ob das, was Menschen darauf bauen "Gold und Silber, oder Holz, Stroh und Stoppeln ist," darüber sollen Menschen nicht richten, sondern "jener große Tag wird es entscheiden." *) "Wer wären wir auch, daß wir fremde Knechte richten? Stehen und fallen sie ja ihrem Herrn, und wenn sie auch fallen, so kannst du sie ja wieder aufrichten," **) der so Viele aufgerichtet hat! Pflanze, nähre und pflege denn immer mehr in uns diesen Sinn der nachsichtigen Liebe; präg' ihn uns tief ein, den ächten Geist des Evangeliums und der Reformation, daß es weniger darauf ankomme, wie wahr oder irrig, die Einsichten in dein Wort sind, sondern mehr darauf, wie ehrlich das Forschen nach Wahrheit, wie treu und anhaltend das Streben nach christlichem Sinn bei einem Jeden ist. Auch wir wollen in uns nähren diesen Geist, wollen unbefangen um uns her sehen und auch wir werden dann in Wahrheit erfahren, "daß Gott nicht die-Personen," in ihrem äußern Verhältniß ansieht, sondern daß in allerley Volk, in allen Kirchen, wer Ihn fürchtet und recht thut, Ihm angenehm sey. ***) Dein Sohn hat sich selbst geheiligt, geweiht für die Seinigen, auf daß auch sie sich weihen, der Wahrheit. Er bat nicht allein für seine nächsten Schüler sondern auch für Alle die, die auf ihr Wort hin an Ihn glauben würden, also auch für uns, für Jeden unter uns; und Er bat "daß Alle Eins seyen, Einerley Sinn, Einerley Glauben, Einerley Hoffnung haben, wie er mit Dir, dem Vater, Eins ist, damit die Welt an dieser Sinnes- und Glaubenseinheit erkenne, daß du ihn gesandt habest." Erinnere uns denn recht oft daran, daß Jesus in einer seiner heiligsten Stunden hauptsächlich um diese Einheit in Liebe gebetet hat, daß sich Niemand einen Jünger Jesus nennen darf, wenn ihm der Geist der Liebe fehlt, da Er ja so bestimmt sagt: "Daran will ich erkennen, daß Ihr meine Jünger seyd, wenn ihr Liebe untereinander habt." *) Dieser heilige Geist der Liebe leite uns denn, wenn wir uns verirren, warne uns, wenn wir scharf richten, bestrafe uns, wenn wir um Lehr' oder Meinungen oder um irgend einer Ursache willen Andere verdammen wollten; bis wir durch Ihn hinan kommen, zu Einerley Glauben und Erkenntniß, und Männer werden, nach dem Maas der hohen Vollendung Jesus unsers Herrn.   Amen.

 

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*)      1 Kor. 3, 11. 12. 13.

**)     Röm. 14, 4.

***)   Ap. Gesch. 10, 34. 35.

 

 

 

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