zurück IX d  -  Reformationsfest:

Ein Anderes,
nach der Predigt über Coloss. 2, 6. 7.

     
Von Neuem rufst du uns heute zu , im Innersten unseres Wesens, Jesus unser Heiland, was einer deiner Gesandten jenen Christen schrieb. Die Erinnerung an das, was an diesem Tag geschah, soll sie unserm Herzen wieder nahe bringen, die Ermahnung: "Wie Ihr nun angenommen habt den Herrn Jesus Christus, so wandelt in Ihm und seyd gewurzelt und erbaut in Ihm und seyd fest im Glauben und seyd in demselben recht dankbar." Und sie kann uns nahe bringen diese wichtigen Worte, Großes, Licht, Heil und Seegenbringendes war's, was heute geschah. Vor Deinem Angesicht wollen wir es uns heute feyerlich erinnern. Mißbräuche waren eingerissen, die zu Leichtsinn gegen alle Sittlichkeit führten, die schon damals den Bessern als Mißbräuche erschienen, und jezt von sovielen Gliedern aller Christlichen Kirchen als Mißbrauch erkannt werden. Unter ein menschliches Joch wollte man die Gewissen beugen, was selbst Du, der Göttliche, nicht wolltest, was aber auch jetzt, Dank jener Zeit, keine ganze Christliche Kirche mehr will. Denk- und Glaubens-Freiheit, diesen Vorzug, dieß Heiligthum der Menschheit wollte man beengen, durch Menschensatzungen und Gewalt. Wie danken wir Dir, dem Führer und Beschützer seiner Kirche, der Kirche, die zu allen Zeiten an allen äußeren Kirchen lebte. — Wie danken wir dir, daß du Verbesserung, Reinigung durch Lagen und Umstände einleitetest, daß du Freiheit wiedergebahrst, nach dem Druck, und selbst durch den Druck. Ja, es gab große Bewegungen in unserm Erdtheile; Reibungen, Streit, Krieg. Aber auch hier erkennen wir dich, das Ebenbild dessen, der durch Gewitter oft schreckt, manchmal zerstört, aber eben durch sie noch weit mehr segnet, daß die Luft gereinigt wird von schädlichem Dunst, daß der Mensch wieder frei athmen, gesund bleiben kann. Aber wie laut lässest du uns auch ermuntern treu zu seyn mit der großen Gabe, die du uns anvertraut hast. Der freie Gebrauch deines Worts ist uns worden; desto heiliger muß es uns denn auch seyn, als die einzige Quelle unserer Religions-Kenntniß, unseres Glaubens, unseres Trosts, unserer Hoffnung. Wie könnte es uns aber heilig seyn, wenn wir nicht zu leben suchten nach seiner Vorschrift? Wie könnten wir festgewurzelt seyn in dir, innig zusammen hängen mit dir, wenn dein Sinn nicht unser Sinn wäre, wenn Welt - und Fleischessinn uns erfüllte, der dir, dem Himmlisch-Gesinnten so fremd war? Evangelische Christen heißen wir seit beinahe dreihundert Jahren: aber wie könnten wir uns so nennen ohne Schamröthe, wenn weder der Sinn des Evangeliums, noch des Christenthums uns belebte? Denk- und Glaubensfreiheit ward uns gegeben, wäre sie uns aber nicht zum Fluch gegeben, würde sie uns nicht Gift, diese belebende Arzeney, wenn wir sie brauchten um Raum zu geben unserm Fleisch, *) unserer Sinnlichkeit, Eitelkeit, unserer Neuerungssucht, unserem Vernunftstolz, der das Unendliche messen will nach seiner Beschränktheit? Ja, das wär' es; du Herr, wärest uns Aergerniß und Thorheit, aber nicht göttliche Kraft und göttliche Weisheit. "Herr Herr, würden wir dich zwar nennen, aber nicht thun deinen Willen." Wir würden ein Haus haben, auf Sand gebaut. Früher oder später würde es einstürzen und einen schröcklichen Fall thun. Nein, Herr Jesus, wir wollen uns nicht ausfetzen dieser Gefahr. Heut' an diesem Reformations-Feste nehmen wir uns vor deinem Angesicht neu und heilig vor, uns evangelisch zu machen, hauptsächlich an uns selbst zu reformiren, zu bessern, üble Gewohnheiten abzuschaffen, fester zu werden im Glauben, in der Liebe, im Streben nach Christen-Vollendung, nach Aehnlichkeit mit dir. — An jedem letzten Tage eines Monats, an jedem letzten Tage einer Woche, an jedem Ende und Anfang jeden Tags, wollen wir uns ernstlich sagen: es giebt keinen Christus für dich, wenn es keinen Christus in dir gibt. Das ganze Evangelium geht dich nichts an, wenn du nicht strebst zu leben nach dem Evangelium. Ja; das ist unser Vorsatz. Wir wären nicht werth ein Reformations-Fest zu feyern, wenn er es nicht wäre. Aber Herr; du kennst unsere Schwäche und hast Nachsicht mit Schwäche. "Auch das zerstoßene Rohr willst du nicht zerbrechen, und das nur noch glimmende Docht nicht auslöschen." **) Erinnere uns denn, wenn wir aus Leichtsinn unsere Vorsätze vergäßen; Stärke uns, wenn wir zu schwach wären sie zu erfüllen. Erhalt uns Christliche Regenten, Christliche Lehrer, Christliche Unterobrigkeiten, die mitwirken, daß wir näher kommen dem Christen-Ziel. Du hast ja Tausend Mittel in deiner Hand, zu befördern, daß wir wandlen in dir, uns fester zu wurzeln in dich, uns zu befestigen im Glauben. Brauche denn diese Mittel, welcher Art sie auch seyen, und wenn uns auch manche weh thun sollten.
Wir bitten dich darum im Glauben an deine Verheißungen.   Amen.

 

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*)    Gal. 5, 13

**)  Esaj. 42, 3

 

 

 

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