zurück IX a   -   Reformationsfest

Altargebet.

   
Mit froher Rührung treten wir in dein Heiligthum, Gott, du Allweiser und Allbarmherziger, den festlichen Tag zu feyern, der dem Andenken an jene auserwählte, freimüthige, kraftvolle Bekenner der Religion gewidmet ist, welchen du es gelingen liessest, unsfern theuren Glauben von Jrthümern und Misbräuchen zu reinigen, und ihn zu seiner ursprünglichen, himmlischen Würde zu erheben.

Durch sie hast du das Dunkel zerstreut, welches die Christenheit bedeckte, und die irrende Menschheit aus der Finsterniß an das Licht, aus der Sklaverei zur Freiheit, und aus dem langen, blutigen Kampf zum Sieg und Frieden geführt.

Was durch sie klein gesä't wurde, stand groß auf, und blühte unter Thränen und Blut. Alle Stürme, die in den letzten Jahrhunderten tobten, konnten den gereinigten Tempel — erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, nicht zerstören, und den hellen Schein, den du in die Herzen gegeben hast, nicht auslöschen. Dein herrliches Werk gieng fort, und deine Kirche ist ein Wunder deines mächtigen Schutzes. Aus den Gefahren, in welchen sie von jeher schwebte, hast du sie gerettet, und die Wahrheit, die sie in ihrem Schoose aufbewahrt, ist immer verklärter und reiner aus den Wolken, in die man sie hüllte, und aus dem Feuer der Prüfung hervorgegangen. Die Welt kann untergehen, und Berge können ins Meer sinken; sie wird bleiben und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.

Laß uns niederfallen, und deine unerforschlichen Wege anbeten, die sich alle in Seligkeit enden. Laß uns heute alles vergessen, und nur nur an die Wohlthat denken, die uns dieses Fest verkündigt. Entferne von uns allen Leichtsinn, und jede quälende Lebens-Sorge, und jeden fremden Gedanken, damit wir mit stillem, unzerstreutem Gemüthe der Segnungen uns freuen mögen, welche die wohlthätige Begebenheit, die uns in dieser Morgenstunde beschäftigt, über Völker und Länder verbreitet hat. Heilige unsre Freude, damit kein Vorwurf den Abend dieses Tages trübe, und segne seine Feyer für die Zeit, und für die Ewigkeit;    Amen.

 

 

 

Ein Anderes.

   


Die Gnade Gottes und die Liebe unsers Herrn Jesus Christus seye mit uns allen!

Geliebteste Freunde! Wir haben uns heute vor dem Angesicht Gottes zur freudigen Feyer des Tages versammelt, an dessen Ereigniß seine allweise und allgütige Vorsehung vor 300 Jahren unsre heiligste und seligste Angelegenheit für Welt und Himmel, für Zeit und Ewigkeit geknüpft hat. Erhebet also vor allen Dingen Herzen und Hände zu Gott, und betet mit uns:

Gebet.

Vater aller Menschen, der du wohnest in einem Lichte, zu welchem Niemand kommen kann! Schon oft haben wir dich an dieser heiligen Stelle für den göttlichen Lehrer, für den Sohn und Gesandten aus deinem Schoose gepriesen, der dich uns verkündigt hat, der uns Weg zu dir, und Wahrheit und Leben geworden ist; und haben dich für das theure Evangelium durch ihn und von ihm gepriesen, das seit seiner Erscheinung in Millionen Menschen Jrrthum und bange Zweifel geheilt, die Macht der Sünde und des Verderbens überwunden, des Gewissens geheimes Beben vor vergangener Schuld im Streben nach Besserung beruhigt, den schweren Traum der Trübsale und Leiden dieser Erde in stille Ergebung an deine immer väterliche Liebe und Leitung aufgelöst, und die schauerliche Nacht am Grabe in Himmelsahnung, in freudiges Aufschauen auf den Anfänger und Vollender unsers Glaubens verklärt hat. — Doch heute bereiten wir uns, es aufmerksamer und froher als je zu sehen, welche Liebe du uns erzeigt hast, daß du dieses beseligende Evangelium nicht mehr untergehen ließest auf Erden; daß du, so oft Welt und Zeit eine unbedachte oder unheilige Hand an dasselbe gelegt hatten, es aus jeder Entstellung wieder in seiner Reinigkeit, aus jeder Entehrung wieder in seiner himmlischen Würde hervorgehen ließest, und uns zur herrlichen Freyheit der Kinder Gottes, in seinem Lichte zu wandeln, berufen hast. Seye mit unsern heutigen Betrachtungen dieser hohen Wohlthat und Liebe, und mit unsern innigen Danksagungen dafür; seye mit unserm frommen Gelübde, treu zu seyn dem erkannten Worte der Wahrheit, und uns nicht hin und her wiegen zu lassen von allerley Wind der Lehre, sondern rechtschaffen zu seyn in der Liebe, und zu wachsen in allen Stücken an dem, der unser einziges Haupt ist, an Jesus Christus.
Heiliger Vater! Heilige uns in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit.    Amen.

 

 

 
zurück

nach oben             

     

 

 

Original für 'Reformationsfest IX a - IX f':

 

 

Badische Landesbibliothek Karlsruhe

Digitale Sammlung der badischen Landesbibliothek Karlsruhe

Reformations-Fest

Hebel, Johann Peter
[S. l.], 1817
urn:nbn:de:bs2:31-8210