zurück Die Etappen & Kosten des Dichters J. P. Hebels bei seiner Schweizerreise im Jahre 1805.
     

Hebels Aufstellung der Kosten der Reise:

 
   
Von Ihro Gnaden der Frau von Mentzingen habe ich zur Bestreitung
einer Schweizerreise mit beiden Herren Söhnen Baron Ernst und Carl
 
    unmittelbar erhalten 200 fl   Die Währungseinheit "fl" leitet sich
ab vom ital. "Florentiner", wird aber
sprachlich nach dem mittelhochdt.
guldin (golden) "Gulden" genannt.
 
Zunächst eine Goldmünze, war
 es später eine Recheneinheit
(ähnl. der engl. Guinea) und zur
Zeit Hebels eine Silbermünze.
    in Zürich erhoben bei D. Lavater 54 fl
    In Lucern bey Falcini 66 fl
    in Bern bei Stapfea 220 fl
    in Weil bey Pfarrer Günttert 100 fl
    in Rastadt bey Herrn Klee 22 fl
       
    insgesamt 682 fl
   
    Hiervon gehen wieder ab:
    Ausgaben auf eigene Rechnung 33,24 fl
    Heimgebrachter Rest 1,01 fl
   
   


Bemerkenswert ist die enorme Summe, die dem reisefreudigen Trio zur Verfügung stand:
Obgleich es sehr schwierig ist, die seinerzeitigen Summen mit heutigen zu vergleichen - reine Umrechnungen führen in die Irre -
  Kaufkraftvergleiche liegen zwischen dem 200-fachen bei Gebäuden und z. B. dem 2-fachen bei Weizenmehl,
so kann man laut Wikipedia durchaus mit dem 40- bis 50-fachen Kaufkraft-Wert in Euro rechnen.

Das bedeutet - nehmen wir den mittleren Multiplikator von oben: 682 + 33 x 45 = 32.175 - dass dem Trio für die gesamte Reise nach heutigem Wert
 
ein Budget von ca. 32.000 Euro zur Verfügung stand.

   

 

Hebels eigene Zusammenfassung am Ende des Tagebuches:

 
     


Übersichten:

Die ganze Reise beträgt in gerader Linie gerechnet eine Länge von 186 Stunden, von welchen 56 theils zu Fuß, theils zu Wasser zurückgelegt worden. Folgende Länder haben wir durchreist und berührt:
Teutschland: Markgr. Baden u.  Ortenau; Fürstenthum Fürstenberg u. Kurfürstenth. Würtemberg
Schweiz: Canton: Schafhausen, Thurgau
Deutschland: Österreich in Constanz, Deutsch-Ordens-Gebiet Meinau, Baden in Petershausen
Schweitz: Cantone Thurgau, Zürich, Zug, Schwitz in Küßnacht, Lucern, Unterwalden Nidwald, Unterwaiden Obwald, Bern
Frankreich: Depart. Oberrhein von Biel bis Reinach
Schweitz: Canton Basel
Deutschland; Markgrav. Baden, Landgravschaft Breisgau u. Ortenau
Frankreich: Depart. N. Rhein in Strasburg
Deutschland: Marggr. Baden.

Ohngeachtet dieses vielfachen Wechsels mancherlei Herrschaften hatten wir, von der Geschichte von Mallerai abgesehen, nicht die geringste Anfechtung auszustehen. Nur zweymal mußten wir die Pässe abgeben, in Zürich und Strasburg. Fünfmal wurden wir an den Thoren angehalten und nach Namen, Charakter und Reise examinirt, den 22ten August in Karlsruhe und Rastadt, den 22ten Sept. in Kehl, Rastadt und Karlsruhe.
Folgende Berge von Bedeutung haben wir passirt:
Schwarzwald, Randen, Albis, Kaiserstuhl, Brünig, Scheideck, 6000 Fuß hoch, Frienisberg, Jura.
Folgende interessante
Flüsse: Kinzig, Donau, Rhein bey Schafhausen und Konstanz, Thur und Töss, Limmath und Sihl, Reuß. Aar, Süß. Birs, Rhein bey Basel, Wiese, Treisam und Els im Breisgau, Kinzig Rhein bey Strasburg.
Folgende Seen befahren oder gesehen:
Bodensee, Zürcher, Thüreler, Zuger, Vierwaldstätter See (2.mal), Sarnen See, Lungern See, Thuner See, Bieler See.

Von folgenden Gegenst
änden will Baron Ernst Zeichnungen zu dieser Reisebescbreibung liefern:
1. Die Ruinen von Ortenburg.
2. Die Vestung Munoth, gezeichnet aus dem Zimmer in Schafhausen.
3. Konstanz von der Seeseite.
4. Petershausen.
5. Eine Aussicht auf den Z
ürcher See.
6. Den mittleren Reichenbach.
7. Pierre Pertuis.
8. Die Kirche von Brilincourt, gezeichnet in Mallerai.
9. Die Ruinen von Pfeffingen.
10. Das R
öttler Schloß.

 

   

Die Etappen vor und nach der Schweiz:

 
     
Der alemannische Dichter führte über die Schweizerreise, die er mit den Baronen Carl und Ernst von Mentzingen (sic) als deren Mentor und Hofmeister unternahm,
ein Tagebuch, das nur einmal - und nur der Teil über die Schweiz - überregional 1905 von der "Neuen Zürcher Zeitung" veröffentlicht wurde.
 
 Die Reise dauerte vom 22. August bis 22. September 1805, die Daten bis zum Erreichen und nach dem Verlassen der Schweiz sehen wie folgt aus:
 
      Datum Start- und Zielort Zeit Unterwegs gelegene Orte
             
      Donnerstag, 22. August Karlsruhe bis Offenburg 16 Stund über Rastatt, Steinbach und Appenweier
      Freitag, 23. Aug. Offenburg bis Krummenschiltach 12 Stund über Ortenberg, Gengenbach, Haslach und Hornberg
      Samstag, 24. Aug. Schiltach bis Schaffhausen 14 Stund über Villingen, Donaueschingen, Hüfingen und den Randen
             
       

- Der Ort Krummenschiltach ist das heutige Langenschiltach bei St. Georgen/Schwarzwald

             
    und die Daten nach dem Verlassen der Schweiz  wie folgt :
 
             
      Montag, 16. September Basel bis Rötteln 2 Stund Weil, Tüllingen und das Käferholz
      Dienstag, 17. Sept. Rötteln bis Kaltenherberge 3 Stund Röttler Schloss, Rümmingen und Mappach
      Mittwoch, 18. Sept. Kaltenherberg bis Freiburg 9 Stund der Schlienger Berg und Müllheim
      Donnerstag, 19. Sept. Freiburg bis Friesenheim 10 Stund Emmendingen und Mahlberg
      Freitag, 20. Sept. Friesenheim bis Strasburg 8 Stund Offenburg, Willstedt und Kehl
      Samstag, 21. Sept. Strasburg k. A.  
      Sonntag, 22. Sept. Strasburg bis Karlsruhe 16 Stund Kehl, Ulm bei Lichtenau und Rastatt
             
   

 

 

 

         
      Zusätzliche Informationen:  
       
Es ist ein reizvolles Unterfangen, sich mit den "Daten" der Reise etwas näher zu beschäftigen.
Allein die in den 3 Wochen in der Schweiz zurückgelegten Strecken summieren sich auf über 500 Km (durchschnittlich also mehr als 25 Km), die Tagesausflüge in Zürich, Bern und Basel nicht gerechnet. Dabei waren die 3 offensichtlich äußerst fitten Wanderer täglich im Schnitt rund 5 Stunden (sicher ohne die Spitzen von 9 und 12 Stunden) unterwegs - und das auf Strassen, Wegen und Pfaden, die sicher keinen besseren Zustand als die heutigen aufzuweisen hatten.
Dazu kommen sowohl die Anreise von Karlsruhe mit rund 170 Km und die Rückreise über Straßburg mit rund 200 Km - wobei diese Strecken
 ganz oder zum größten Teil mit der Postkutsche zurückgelegt wurden - so oder so insgesamt rund 900 Km.
 
      Datum Start- und Zielort Zeit Km (ca) Die Reise auf Google-Maps *
               
   

1.

Sonntag den 25ten Schaffhausen / Rheinfall (4 Stdn)   https://www.google.de/maps/hl=de
   

2.

Montag den 26ten.  Schafhausen bis Constanz. 9 Stund. 45

https://goo.gl/maps/rfku4wGp6zj

   

3.

Dienstag den 27ten Konstanz.  + Mainau (2 Stdn) 11

https://goo.gl/maps/B2eCsWYGQTw

   

4.

Mittwoch den 28ten.  Von Konstanz nach Zürich. 12 Stund. 66

https://goo.gl/maps/ZmiShCvf7SB2

    5. Donnerstag den 29ten. Zürch. k. A.    
    6. Freitag den 30ten.  Zürch bis Albis. 8 St. 16

https://goo.gl/maps/rqD3rGezPKQ2

    7. Den 31. August  Albis bis Luzern. 9 Stund. 45

https://goo.gl/maps/G2BT4AvvHiM2

    8. Sontag, 1. September.  Lucern bis Sachseln. 6 Stunden. 26

https://goo.gl/maps/L97AsASYZir

    9. Montag den 2ten September  Sachseln bis Meiringen 6 Stund. 26

https://goo.gl/maps/Ypa6pSEneR72

    10. Den 3ten September. Maieringen.  + Reichenbachfall (2 Stdn) 4

https://goo.gl/maps/KDVZqRpY8Lw

    11. Den 4. September.  Maieringen bis Grindelwald. 9 Stund. 25

https://goo.gl/maps/fTv6Xw8Hip52

    12. Den 5ten September  von Grindelwald über Lauterbrunn nach Interlacken. 7 Stund. 29

https://goo.gl/maps/y26c1gkyDoo

    13. Den 6ten September  Interlacken=Thun. 6 Stund 30 https://goo.gl/maps/Ksh2Ju4RHY22
    14. Den 7ten  Thun bis Bern. 6 Stund. 30 https://goo.gl/maps/PgEgxeFGyrM2
    15. Den 8ten September Bern. k. A.    
    16. und 9ten Bern. k. A.    
    17. Dienstag den 10ten Bern bis Biel 6 St. 34

https://goo.gl/maps/szxNA3noEz42

    18. Mittwoch den 11ten  Biel=Mallerai. 6 Stund 34

https://goo.gl/maps/e5D6XWnz17C2

    19. Den 12ten September  Mallerai=Delemont. 5 Stund. 31

https://goo.gl/maps/3nqQUH6PCzR2

    20. Den 13. September.  Delemont bis Basel 9 Stund. 40

https://goo.gl/maps/SajtcEqPJRG2

    21. Den 14.  Basel. k. A.  

 

    22. 15. Basel.  + Bourgliore, Weil/Rhein (3 Stdn) 16

https://goo.gl/maps/u1VKFBWNQiL2

               
    22 Tage     115 Stunden 508 Km https://goo.gl/maps/EWXFP7hU8GD2    
https://goo.gl/maps/TUxTuH3Q9Ck  **
   


*Dazu einige Anmerkungen:

- Wie Hebel selbst schreibt, wurden etwa 56 Stunden zu Fuß und auf dem Wasser, der Rest wohl per Kutsche zurückgelegt. Nur haben wir über die
   definitive Verteilung der Zeiten keine Angaben, ich gehe jedoch davon aus, dass die "Zu-Fuß & Wasser-Strecken" in der Schweiz liegen.
   Trotzdem sollte/könnte das o. a. Experiment eine gewisse Wahrscheinlichkeit beinhalten, da z. Bsp. die Kutschen mit ihren notwendigen Pausen
   und Pferdewechseln auch kaum höhere Durchschnitte als Wanderer erreichen dürften.
- ich habe die Tagesetappen über den Fußgänger-Routenplaner aus Google-Maps bildlich darstellen lassen und als feste Links beigefügt.
- es erstaunt, dass die blau gepunkteten Vorschläge der Strecken nach über 200 Jahren (!) immer noch weitgehend mit den Beschreibungen
  aus dem Tagebuch korrespondieren - noch mehr: die Zeitangaben sind schon fast unheimlich deckungsgleich.
- dabei ist mir durchaus bewusst, dass viele Abschnitte ziemliche Spekulation sind, in der Summe dürfte jedoch insgesamt relativ exakt der
  "Hebel-Mentzingen-Weg" herausgekommen sein.
- es gibt eig. nur 4 große Differenzen:
  a) die Zeit auf dem Abschnitt Zürich-Albis ist bei Google um einiges kürzer als im Tagebuch - ev. gab es bei den Aussichtspunkten längere Pausen.
  b) die Uferstrasse am Thunersee enthält 2 Tunnels, die für Fußgänger nicht passierbar sind, die sich daraus ergebende Fährstrecke war zu Hebels
  Zeiten sicher nicht notwendig - ausser die Strecken "entlang" der Seen wurden grundsätzlich auf dem Wasser zurückgelegt.
  c) Die Strecke von Biel nach Mallerai (heute ein Ortsteil von Valbirse) ist auf Google-Maps erheblich länger und lässt sich mit Hebels Darstellung
  nicht schlüssig vereinbaren - dies könnte aber auch an der Veränderungen der Landschaft, insbesondere dem Bau der Autobahn A16 Biel-Delemont
  liegen, in diesem Bereich gibt es über viele Km keine für Fußgänger bzw. Wanderer passierbare Über- oder Unterführungen (jedenfalls keine,
  bei denen Google-Maps "mitspielen" würde).
  d) ähnliches gilt für die Strecke Mallerai-Delemont - der 2. Jura-Übergang zwischen Roches und Courrendlin ist dank Autobahn- und Nationalstraßen-
  Scheiteltunnel für Wanderer nicht mehr benützbar (obwohl die alte Strasse noch sichtbar ist) - Google-Maps lässt nur einen großen Umweg zu.

-
**Dies 2 Links zeigen Gesamtansichten der Strecke - leider nur in 2 Teilen, da in Google-Maps nur max. 10 Teilziele eingegeben werden können,
  außerdem müssen wegen der Berechnungen längere Ladezeiten einkalkuliert werden. Zum Vergrößern der Bildschirmdarstellung bzw. zum
  Ausblenden der Routenangaben (blaues Feld links) bitte den kleinen Linkspfeil oben - rechts neben dem blauen Feld anklicken - wenn sie auf das
  weiße X im blauen Feld klicken, verschwindet nicht nur das Steuerfeld, sondern auch die ganze Route und sie müssen sie von hier aus neu laden.

- Der Ort "Bourgliore" ist korrekt Bourglibre und heisst heute Hüningen (der französische Grenzort zu Basel).
 

     
   

 

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