zurück | Tod und Leben Jesu | |
"Wie viel gutes hätte Jesus bei einem längeren Leben noch stiften können!" - so spricht oft, wer sein Schicksal von der menschlichen Seite ansieht, um menschliche Gefühle an der Geschichte desselben zu erwärmen, sich menschlich für sie zu interessieren. "Habe sein Tod die wohlthätigsten Folgen gehabt, und die nothwendigen Bedingungen unsrer Beglückung erfüllt, es wäre 40 Jahre später für das alles noch Zeit gewesen." "Da fiel er nach wenigen Jahren seines wohlthätigen Lebens, ein Opfer des Neides und des Stolzes und der Priester Rachsucht. Wie vieles ist mit ihm verloren!" Nichts verloren, antworte ich - und viel gewonnen. Auch einen Augenblick menschlich von der Sache zu sprechen, - man kann nur dann von einem Menschen sagen, mit Gewißheit, es sey viel durch seinen Tod verloren, wenn er während eines kurzen Lebens schon viel gethan hat. Jesus hat nicht viel gethan - nicht viel thun können, versteht sich. Er hat Blinden das Gesicht, Tauben das Gehör gegeben, Tode erweckt etc. lauter unbedeutende, ausserwesentliche individuelle Wohlthaten, wodurch keine bleibenden Folgen in Wirksamkeit gesetzt, und kein Zweck seiner Sendung erfüllt ward. Das Volk sah's - und es fruchtete nichts. Er predigte und lehrte - tauben Ohren. Er nahm Jünger an, und flößte ihnen durch seine reine Herzensgüte und Gottesthaten unzertrennliche Anhänglichkeit an seine Person ein. Daraus konnte etwas werden. Aber auch sie waren am Scheidungsmahl nach 3 Jahren so schwach, noch so kindisch, noch so irrlich, noch so gemeine Juden, kann ich sagen, als am ersten Tage. Es fehlte irgendwo. - Jesus musste sterben, wenn sein längeres Leben etwas nützen sollte. Jesus musste wieder leben, wenn sein Tod nicht sollte umsonst seyn. Die Zeitgenossen Jesu alle, und wer mehr als seine eigenen Anhänger, hatten bei allem, was er that und sagte - ganz andere Dinge im Kopf. Für alle seine Thaten andere Beziehungen und Aussichten, für alle seine Reden, einen andern Sinn als er, und wo der ihrige nicht hineinzubringen war, da hatten sie keinen - da half kein Reden, da half kein Erklären, kein Beweisen - sie blieben Juden. Das heißt sie erwarteten einen Messias, der ein irdisches Reich aufrichten würde. Diese Idee hieng mit der Idee das Messias so nahe zusammen, daß selbst Jesus den Irrthum schonen musste; die gewisseste Folge, wenn er ihnen voreilig sagte, ich bin euer Traummessias nicht, war der Gedanke: Er ist kein Messias. Das fühlte Jesus so gewiß, daß er kaum jemals es wagte, von ferne das Vorurtheil zu sprechen, daß ers hie und da fast begünstigte, und wenn direkte Fragen über die Aufrichtung des Reichs an ihn geschahen, fast in eine Art von Verlegenheit zu gerathen, und sehr behutsam der Antwort auswich und ein anderes Gespräch einleitete. Unterdessen säete er unermüdet und auf Hoffnung seinen bessern Samen unter die Dornen, damit etwas da wäre, das aussprossen konnte, wenn die Dornen weggeschafft würden. Diese Aussaat schien der Zweck seines Lebens zu sein. Jesus musste etwas entscheidendes thun, um das Vorurtheil über seine Person auszurotten, aber das Entscheidende musste zugleich von der Art seyn, daß der Glaube an seine person, der sich vorher auf das schwankende Vorurtheil gründete, zu rechter Zeit gefaßt, aufrecht erhalten und auf einen bessern Grund befestiget würde. Jesus musste sterben, und die Vorurtheile derer, welche von ihm etwas anders hoffte, als er gewähren wollte, mit sich ins Grab nehmen. War dies nicht das einzige, dann so war es das sicherste und kürzeste Mittel. Aber die Jünger mussten durch Liebe und Vertrauen so an ihn geschlossen werden, der Gedanke: er ist der Messias! musste so ausser allem Zweifel bei ihnen seyn, daß die Stärke der Liebe und des Vertrauens noch einige Tage anwirken konnte, bis er wieder käme, um ihren Glauben auf einen bessern Grund zu stellen. Jener Zweck bei den Jüngern schien erreicht durch einen dreijährigen Umgang. - Jesus stirbt. Trostlos weinen die Seinen an seinem grabe. Ihre messianischen Träume waren verschwunden; aber nicht ihre Liebe zu ihm. Daß er ein unglücklicher Prophet war, daß er Israel hätte erlösen können, trauten sie ihm zu. Luc. 24, 19 - 21. Jesus aber kehrte ins leben zurück - was wollen wir denn mit dem frommen Wunsch: wenn er länger gelebt hätte! Ein erhabenes, mächtiges, thätiges, göttliches Leben, lebte er auf der Erde und im Himmel. Jesus hatte durch seinen Tod die falschen Hoffnungen seiner Anhänger zernichtet, durch seine Auferstehung hat er den Glauben an seine Person befestiget. Einem Auferstandenen konnten und mussten sie alles glauben. Jetzt war es zeit ihnen die Schrift zu eröffnen. Luc. 24, 44 - 47. Es ist leichter einem Befangenen nach der Geschichte und Vollendung der Begebenheiten den rechten Gesichtspunkt zu zeigen, aus dem er sie ansehn muß, um sie zu verstehen und harmonisch zu finden, als ihn vorher zu überzeugen, daß das was geschehen soll, geschehen müsse. Jesus ließ sich nicht mehr vor der großen Menge sehen. Wie die Jünger an ihn sich anschmiegten, so hatten die Obersten einmal ihren Haß und das Volk seine Vorurtheile gegen ihn. Sie hätten ihm nicht geglaubt. Luc. 16. 31. Sie hätten ihn noch einmal gekreuziget. Joh. 12, 10. Aber seine Jünger lehrte und befestigte er, und setzte sie in den Stand, das zu werden für die Welt, was er ihr nicht seyn konnte. Jesus verließ die Erde, nicht wie ein menschlicher Wohlthäter, der mit seinem Tode sein Geschäft vollendet oder unvollendet verläßt, er setzt mit göttlicher macht und Wirksamkeit fort, was er auf der Erde in Knechtsgestalt anfieng, und auf der Erde nie so vollenden konnte. Ausgießung des heil. Geistes.
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