zurück Zur Anordnung der Geschichte des letzten Paschamahls Jesu.
     

(Joh. 13, 1 - 30. verb. mit Luc. 22, 24 - 30.)

In welchen Theil des Abends gehört das Fußwaschen, im Verhältniß gegen das Osterlamm?

Vor dasselbe? - Aber man las ja schon V. 4. 12.
Also in dasselbe. -
Noch nahe am Anfang? Oder näher dem Ende?

Das letzte nicht; denn nachdem Jesus wieder sitzt, wird noch der Bissen eingetaucht und vieles geredet. Also nahe an den Anfang. - Jesus war eben gesessen, die übrigen noch im Sitzen begriffen. Jesus steht wieder auf und wascht die Füße.

Aber wozu niedersitzen, und sogleich wieder aufstehn? Zu einem Geschäft, das ohnehin vor die Mahlzeit gehörte.

Hier gibt Lucas Aufschluß V. 24.: "Es erhob sich ein Zank etc." Es ist fast nicht zu übersehen:

a) Daß der Zank vor dem Fußwaschen geschah. - Denn wie konnte er sich später, und doch am nämlichen Abend, und im nämlichen Zimmer erheben, nachdem die eindrückliche Scene des Fußwaschens geschehen war, wenn die Jünger nur halbwegs einer Belehrung und Korrektion fähig waren.

b) Dieser Zank sey die Veranlassung zum Fußwaschen worden. Denn auf diese Art erklärt sich letzteres, nachdem Jesus bereits gesessen war, nebst der damit verknüpften Belehrung sehr natürlich. Er zeigt ihnen daran, daß in seinem Reich von keiner irdischen Hoheit und keinem Rang die Rede sey, und der größte unter ihnen nur durch Bescheidenheit und Demuth groß sey.

c) Daß beides Zank und Korrektion vorgefallen sey über dem Sitzen zum Opferlamm.

Daß diese Rangsucht auch damals schon zu den Kindereien des Zeitalters gehörte, zeigt im Allgemeinen
 Luc. 14, 7. und in Bezug auf die jünger insbesondere Marc. 10, 37.
Dieser Zank hat hier seine natürliche Veranlassung. Während des Osterlamms hatten schon ganz andere Reden und Gegenstände den Gemüthern eine Richtung gegeben, daß von solchem keine Rede mehr hätte werden sollen.
Es hat vielleicht der Ausdruck bei Luc. 22, 30. "Ihr sollt sitzen etc." wenn nicht Beziehung doch dunklen Zusammenhang in der Seele Jesu mit dem Streit ums Sitzen.

Der Text des Johannes entspricht in der Zeitangabe , nach Piscators Leseart gar : als die Mahlzeit eben ward oder geschah.

Zusammenstellung.

Das Osterlamm sollte eben anfangen.
Jesus hatte sich gesetzt. Joh. 14, 4.
Die Jünger folgen nach; darüber entstand ein Streit,
jeder will der vornehmere seyn. Luc. 22, 24.
Jesus steht wieder auf, wascht die Füße, um die
Jünger durch eine sinnliche und eindrückliche
Handlung zu belehren und zu beschämen. Joh. 13, 4.
Jesus setzt sich wieder, erklärt seine symbolische
Handlung, das Opferlamm beginnt.

Eine andere Schwierigkeit: Jesus sagt bei allen Evangelisten, einer unter ihnen werde ihn verrathen. Bei Johannes werden alle Jünger verlegen, - Nur Petrus winkt leise. Wie es scheint fragt Johannes. Leise antwortete dann auch Jesus. Judas empfängt den Bissen, und geht alsbald hinaus. Bei Matthäus und Marcus fragen die Jünger einer nach dem andern laut. Jesus spricht: "der mit mir in die Schüssel taucht, der ists;" und Judas wars.

Sind beide Erzählungen auf zwei verschiedenen Handlungen zu deuten? Schwerlich.
Sollen beide Erzählungen das nämliche sagen? Die Abweichungen wären doch zu groß und zu bestimmt.
Fielen beide Aeusserungen der Jünger auf das nämliche: "Wahrlich, wahrlich" vor? So scheints:
Jesus ruft: "Wahrlich, wahrlich einer unter euch wird mich verrathen." Johannes 13, 21.; Matth. 26, 21.
Die Jünger sind in Verlegenheit.
Petrus winkt. - Johannes fragt. - Jesus antwortet: "der ists dem ich den Bissen eintauche und
gebe." Joh. 13, 26.
Es scheint, Jesus habe überhaupt reihenweise die eingetauchten Bissen herum gegeben. Als er sich dem Judas näherte, habe ihn eine innere Empfindung übernommen. Laut habe er ausgerufen: "Wahrlich etc." Während Petrus winkte fuhr Jesus im Herumgeben fort. Als Johannes eben fragte, reichte er dem Judas den Bissen. So erklärt sich Jesu Antwort.
Unterdessen erhoben sich auch die übrigen Jünger. Etwa einer fragt - dann ein anderer - und zuletzt alle. Jesus sagt: "der mit mir in die Schüssel taucht." Es war Judas. - So lange ihm auch sein Gewissen Stummheit aufgelegt hatte, so kann er doch nicht anders, er muß jetzt fragen: "Bin ichs?" Jesus: "Ja du bists."
Als er den Bissen genommen hatte, gieng er hinaus. Joh. 13, 30.

Aber nun eine neue Frage:
In welchen Zeitpunkt der ganzen Scene fiel diese Begebenheit?
In das Osterlamm? - So hätte Judas, was doch allgemein angenommen wird, dem Nachtmahl nicht beigewohnt, nicht beiwohnen können, der Verrathene, Entdeckte, Beschämte.
Hinter das Osterlamm, in oder hinter das nachtmahl? - Wohin tauchte alsdann noch Jesus den Bissen ein?

Ich habe hier eine eigene Vermuthung.

Wie wenn das Herumgeben der eingetauchten Bissen selber des Nachtmahls Anfang gewesen wäre? Brod tauchte Jesus ein, gabs herum und sprach: "das ist mein Leib," - und unterbrach die Handlung, als er an den Judas kam, mit den Worten: "einer unter euch wird mich verrathen."

Prüfung dieser Hypothese nach den biblischen Stellen.

Von den 4 Evangelisten sind 2 Augenzeugen Matthäus und Johannes. Dieser schweigt vom Nachtmahl ganz. Was sagt Matthäus?

Kap. 26, 21.   "als sie aßen sprach er zu ihnen: einer unter euch wird mich verrathen."
- - 26. : "als sie nämlich aßen nahm Jesus das Brod."

Ich gestehe daß das 2malige zu keinem Beweis hinreiche, und nicht gerade nämlich heissen müsse. Ich führe das zweimalige nur als merkwürdig an, und begnüge mich, das es der Hypothese mehr vortheilhaft als nachtheilig ist. Die Glaubwürdigkeit der Hypothese liegt in dem natürlichen Zusammenhang und der Wahrscheinlichkeit der Sache.

Ausser dem Matthäus erzählen noch drei die Nachtmahlscene, die keine Augenzeugen waren.

1) Marcus erzählt dem Matthäus nach; durch Einschiebung des V. 20.
wird das : nämlich, prägnant.

2) Paulus, habe er die Kunde woher er will, trennt offenbar das Herumgeben des Brods im Nachtmahl von dem Herumgeben des Kelchs, rechnet das erste noch zur Mahlzeit, dem eigentlichen Osterlamm, und scheint sich eine mit der Hypothese übereinstimmende Idee von der Sache zu machen.
1. Kor. 11, 23. nimmt Jesus das Brod in der Nacht da er verrathen war (während des Osterlamms).
- - 25. desselbigen gleichen auch den Kelch, nach dem Osterlamm
3) Lucas ist seinem Paulus konform.

Einwürfe.

Den

1sten Einwurf hiegegen könnte das feine Gefühl im ersten Augenblick machen. Hat die Idee nicht etwas undelikates, wenn Christus von eingetauchten triefenden Brodbissen sagt: "das ist mein Leib etc."? Es könnte so scheinen. Allein bedenken wir, daß es nicht die Lammfettbrühe war, worein Jesus tauchte, sondern ein Gefäße mit Essig, worin Kräuter lagen; die bittern Salsen des Moses (2. Moses 12, 8.), so verliert das Symbol nach meinem Gefühl das unanständige, wird edel, und wenn man will, sogar bezeichnend. Brod tauchte er in die bittern Salsen, und spricht: "Nehmet hin und esset etc." Er hätte nach der mystischen Sprache des vorigen Zeitalters, oder nach der blos bilderreichen des jetzigen sagen können: wie wir das Brod in die bittern Salsen tauchen, so wird mein Leib in bittere Leiden und in die blutige Todestaufe getaucht werden.

2tens könnte man einwenden, daß alle die Evangelien, welche so genau, das : "Nahms, dankte, brachs, gabs und sprach," erzählen, gerade das Eintauchen übergehen.
Einer, Matthäus konnte es übergehen. Er dachte sich wohl das Brod noch nicht als Symbol und noch weniger das Eintauchen desselben als symbolische Handlung. Er übergiengs, weil er es als einen gewöhnlichen bei jedem Osterlamm vorkommenden Umstand ansah. Daß Jesus das Brod nahm und den Jüngern gab, mußte er freilich sagen, wenn er etwas erzählen wollte. Daß ers brach und dankte, erzählen die Jünger immer, wenn sie auch von einer andern Mahlzeit reden. Die Jünger in Emmaus erkannten ihn daran, daß er (an der eigenen Art, wie er) das Brod brach.

So konnten alsdann die übrigen das Eintauchen auch übergehen, um so mehr, wenn sie die Erzählung des Matthäus vor Augen oder im Sinne hatten.

3tens möchte man sagen, daß die erste Kirche es beim Nachtmahl nicht so fort hielt.
Es ist die Frage: ob nicht? Doch sehr bald mußte das Eintauchen ausser Gewohnheit gekommen seyn, und sehr natürlich. Das erste Zeitalter hielt wohl nicht so ängstlich wie ein folgendes die Beobachtung jedes kleinen zufälligen Umstands als wesentlich zu dem Nachtmahl, wenn es Nachtmahl heissen sollte. Sie mußten wohl wissen und merken, was zum Nachtmahl gehörte, und was nicht, und wissen, daß Christus das Gefäß nicht hatte aufstellen lassen, um das Brod des Nachtmahls, mit dessen Einsetzung er ein Gedächtnißfest seines Todes stiftete, einzutauchen, sondern daß er letzteres eintauchte, weil das Gefäß dastand. Späterhin als das Osterlamm ausser Gang kam, blieb auch wie natürlich das Essiggefäß weg, und das Brod wurde uneingetaucht herumgegeben. Es that zum Zweck die nämlichen Dienst, trocken oder naß.

Zusammenstellung.

Man saß noch an der Tafel des Osterlamms. Jesus ergriff das Brod, brachs, tauchte es in die Schüssel und gabs den Jüngern reihenweis herum mit den (wohl nur beim Ersten ausgesprochenen) Worten: "Nehmet hin und esst etc." Als er bald an Judas kam, brach ihm eine lebhafte Empfindung das Stillschweigen, über einem Gedanken, der schon von Anfang in seiner Seele lag: "Einer unter euch wird mich verrathen." Aber er fuhr fort mit Herumgebung des Brods. Petrus winkt unterdessen. Leise forscht Johannes. Leise antwortet Jesus: "dem ich eben jetzt den Bissen eintauche und gebe." Drüber fragt etwa einer und dann ein anderer und zulezt die übrigen Jünger laut: "bin ichs?" Keiner verlangte zu wissen wer es wäre, jeder wollte nur hören, daß ers nicht sey. Unterdessen scheints, wenn die Worte , Matth. 26, 23. etwas bestimmt bezeichnendes sagen sollen, Judas sey, nachdem er den ersten Bissen empfangen hatte, noch einmal, entweder mit wirklicher Verstockung, oder um das böse Bewußtseyn zu verbergen, in die Schüssel gefahren. Jesus, vielleicht halb entrüstet über diese schamlose Unbefangenheit, beantwortete die Frage eines jeden mit den Worten: "der ists der mit mir in die Schüssel tauchet." Nun blieb Judas keine Wahl übrig, als auch zu fragen: "bin ichs?" Jesus mit dürren Worten: Du bists." Satan fährt also mit dem Bissen in ihn, d. h. in diesem Augenblick stieg der Groll des beschämten Judas auf einen noch höhern Grad, sein Vorsatz Jesum zu verrathen, befestigte sich ganz, er gieng hinaus, um ihn augenblicklich zu erfüllen. - Als er weg war, nahm Jesus den Kelch, nach dem Abendmahl etc.

Niemand wird sich daran stoßen, daß auf diese Art das Nachtmahl einer gemeinen Mahlzeit so ähnlich sähe. Wenn man hoffentlich sich nicht vorstellt, daß Jesus einen Priesterrock angezogen, Brod und Wein auf einen Altar gelegt, die Einsetzungsworte darüber gesprochen habe, so sah allerdings das erste Nachtmahl einer gemeinen Mahlzeit ähnlich. Obgleich es sehr zweckmäßig und angemessen ist, daß wir nach 1800 Jahren das nämliche Nachtmahl, als Gedächtnißfest seines Todes, als symbolisches Bekenntniß unsers Glaubens an ihn, als Erneuerung unserer Gelübde, und als Mittel zur Stärkung unseres Glaubens und unserer Treue mit aller Feyer und Würde einer gottesdienstliche Handlung begehen.

 

Anmerkung zu den Worten: er gieng hinaus. Joh. 13, 30.

Als Judas Miene zum Aufbruch machte, sprach Jesus: "Was du thun willst, das thue bald." Gewöhnlich nimmt man dies in Bezug auf den Vorsatz Juda, Jesum zu verrathen. Die Jünger wußten nicht, wozu er ihm das sagte. Desto leichter möglich daß wirs auch nicht wissen. Vielleicht sollte es nur heissen: "es ist mir lieb, wenn du gehst." Denn Jesus scheint es zu sagen, indem Judas gerade aufbricht.

 

 

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