Allgemeine Betrachtungen
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Die "Allgemeinen Betrachtungen" stellen sich dar als ein Konvolut - eine Lose-Blatt-Sammlung -
von 139 Blättern mit 233 beschriebenen Seiten (dazu diverse leere Blätter/Seiten). Sie enthalten 77 Texte,
die sich über 1 - 9 Seiten erstrecken und in den meisten Fällen mehrere Themen ansprechen.
Die Blätter sind vermutlich 1949 bei der Restauration zu einem Buch - augenscheinlich in nicht-chronologischer Folge - gebunden worden und stehen seit einigen Jahren als Digitalisat bei der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe online zur Verfügung.

Überaus erstaunlich erscheint mir die Tatsache, dass diese Textsammlung von der kompletten (professionellen) Hebelforschung, aber auch von allen Hebelkennern der letzten fast 200 Jahre nahezu komplett ignoriert und ausgeblendet (und deshalb auch nie transkribiert veröffentlicht) wurde - und sie niemand (vermutlich) auch nur gelesen hatte.
Dabei ist sie eine Fundgrube hoch interessanter, ein weites Themenfeld abdeckender Texte, Stichpunkte und Stichworte. Sie enthält Beispiele (und Schätze) Hebelschen Denkens und zeigt das große Spektrum seiner Interessen, das weit über die bekannten Inhalte hinausgeht. Dass er theologisch, literarisch und pädagogisch kompetent war, ist eine Binsenweisheit - ebenso bekannt sind seine naturwissenschaftlich-biologischen Kenntnisse - dass er aber auch im technischen Bereich interessiert, beschlagen und absolut auf der Höhe der Zeit war, ist neu: siehe den 9. Abschnitt seiner Sammlung Nr. II "Aeronautik".

Die Blätter fanden sich in Hebels Nachlass, der nach seinem Tod in seiner Karlsruher Wohnung aufgenommen wurde, bildeten jedoch keine geschlossene bzw. einheitliche Sammlung. Der unterschiedliche Duktus der Handschrift zeigt -ckten neben der Verwendung höchst unterschiedlichen Papiers, bei einigen Texten die Angabe der Jahreszahl und/oder (bei einigen wenigen Blättern insbesondere zu Beginn der Sammlung) Nummern in römischen Ziffern# - dass die Blätter - abgesehen von den inhaltlich zusammengehörenden - unabhängig voneinander in einem Zeitraum von ca. 1808 bis ca. 1820 entstanden sind.

Hebel hat sie ev. wie eine Fortführung der Exzerpthefte betrachtet, als eine Art Lose-Blatt-Tagebuch oder Zettelkasten - heute würde man ev. von einer "To-Do-Liste" sprechen - in das/den er viele ihm bemerkenswert erscheinende Themen eingetragen hat. Es lässt sich denken, obwohl eine direkte Zuordnung nur in Einzelfällen möglich ist, dass die Texte diversen Zwecken diente: private Notizen, Unterrichtsvorbereitungen, Quellen und Entwürfe für Kalendergeschichten, Memos für noch zu bearbeitende Themen für Predigten oder seine Tätigkeiten als Abgeordneter und kirchlicher Würdenträger.
Es fällt auf, dass er oft mit ausformulierten Sätzen begonnen, im Laufe der Notizen zu kurzen Anmerkungen überging und manchmal am Ende nur noch Stichpunkte/Stichworte gesetzt hat - vermutlich genügten ihm ein thematischer und sprachlicher Einstieg bzw. Ansatz, den er bei einer späteren möglichen Verwendung vollständig auszuarbeiten gedachte. Ebenso bemerkenswert ist sein Faible für den römischen Dichter Horaz (* 8. Dezember 65 v. Chr. in Venusia; † 27. November 8 v. Chr.), eigentlich Quintus Horatius Flaccus, die meisten lat. Zitate in den Betrachtungen stammen von ihm.

Man darf davon ausgehen, dass der Titel nicht von Hebel selbst stammt - jedenfalls gibt es in seinen Schriften oder Briefen (insbesondere an F. W. Hitzig) keine Hinweise auf die Verwendung einer solchen - wie man heute wohl vergleichbar sagen könnte - Datenbank. Es lässt sich trefflich darüber spekulieren, dass die von Hebel angelegte Sammlung sicher bei weitem nicht vollständig überliefert ist - es fällt auf, dass diverse Blätter nicht mit 1., sondern einer höheren Zahl beginnen und manche Themen unvermittelt enden. Es ist m. E. davon auszugehen, dass Hebel "erledigte" Themen oder Blätter, die er nicht mehr benötigte, selbst anschließend weggeworfen hat.
Es erscheint in diesem Zusammenhang naheliegend, dass die 139 Blätter nur "die Spitze des Eisbergs" darstellen -
die ganze Sammlung vielleicht, wenn alle Seiten "überlebt" hätten, in die Hunderte gegangen wäre.

Es lässt sich trefflich darüber spekulieren, ob die Sammlung nicht eigentlich zu den "Ungedruckten Papieren" gehöre - oder umgekehrt.

Übereinstimmungen mit veröffentlichten Texten sind selten am auffälligsten sind die Blätter 250 - 261 und
 266 - 278. Sie wurden als "Ackerbau - eine vorzügliche Schule der Religiosität" bereits 1834 in "J. P. Hebels sämtliche Werke, Achter Band" 1834 veröffentlicht und von allen späteren Herausgebern in dieser gedruckten Form übernommen - jedoch unterscheidet er sich in der Rechtschreibung erheblich vom Autographen (die von späteren Herausgebern noch stärker an den jeweiligen "Zeitgeist" angepasst wurden) - so z. B. bei der Verwendung von 'i' statt 'j', 'aker-' statt 'acker', 'seyn' statt 'sein' und vielfach 'th' statt 't'. Wie üblich hat der Satzbau durch den "hebeltypischen" sparsamen Einsatz von Kommas eine andere Rhythmik (die alle späteren Herausgebern wohl ihren Lesern nicht zuzumuten glauben konnten.
In der hier üblichen Form der Zusammenfassung korrespondierender Blätter zu "Texten" entsprechen
die Teile '1.' + '2 b' + '3.' = Text 71; Teil '2a' = Text 75; die Teile '4.' + '5.' = Text 74; Teil '7' = Text 72.
 Ein Teil '6' (sowie mögliche weitere) sind nicht vorhanden.
Die gesamte Ausarbeitung/Betrachtung enthält mehrere leere und/oder begonnene Seiten, dazu lange gestrichene Passagen, was darauf schließen lässt, dass der Text in mehreren Etappen verfasst, daher unsortiert war und ev. deshalb im Karlsruher Konvolut bei der Restauration 1949 nicht in der 'richtigen' Reihenfolge gebunden wurde.

Annähernde Übereinstimmungen finden sich bei den Stücken "Das Glück des Weisen" - Text 2; Geiz und Verschwendung (Kal.-Gesch. 1804) - Text 11; "Das Glück, die Braut der Jugend" - Text 38;
 "Haben wir schon einmal gelebt? - Text 41.

Diverse der besprochenen Themen tauchen in mehreren Texten - wenn auch in unterschiedlicher Form und Länge - auf. Vielfach gibt es Lateinische Zitate, Sprichwörter oder von ihm selbst geschaffene Sätze/Einschübe, die nicht notwendig zu den vor- oder nachgehenden Punkte Bezug nehmen.

Die Texte hat Hebel sicher nur zu seinem persönlichen Gebrauch geschrieben, weder an eine Veröffentlichung, noch an ein Versenden in Briefen in dieser Form war gedacht. Deshalb wird er vermutlich weder um das Schriftbild noch um die Rechtschreibung besonders besorgt gewesen sein, was fast zwangsläufig dazu führt (und was bei der deutschen Kurrentschrift quasi "systemimmanent" ist), dass einzelne Worte nicht bzw. nur schwer lesbar sind.
Auch pflegte er die Blätter zum rechten Blattrand hin maximal auszunutzen, die Buchbindung ist für die Lesbarkeit der betroffenen Zeilenenden insofern problematisch, dass auf einzelnen Seiten einzelne Wörter nicht lesbar sind und nicht in allen Fällen erraten werden können.

Besonderheiten der Rechtschreibung in den Autographen - in der Transkription nach heutiger Praxis wiedergegeben um eine bessere durchgängige Lesbarkeit zu erzielen:
- die Verdoppelung 'nn' und 'mm' mittels Reduplikationsstrich (von Hebel allerdings nicht durchwegs praktiziert)
- die Endungen 'lich', 'len' und 'en' werden bei Hebel sehr oft durch Ligaturen ersetzt, ebenso in vielen Fällen
   das 'nicht' - für diese gibt es in den Computerschriften keine adäquaten Lösungen
- ergänzt wurden die nicht gesetzten Tremata (Umlaut-Punkte) bei Ä, Ö, Ü; ebenso bei den kleinen Umlauten
   die einzelnen Punkte darüber ˙ -
ȧ, ȯ, u̇ - durch die üblichen Tremata ersetzt *
- Hebel schreibt das 'y' (Minuskel) fast immer mit Trema: ÿ ; (Y (Majuskel) kommen in diesen Texten gar nicht vor)
- ū. = und  - Hebel schreibt 'und' konsequent abgekürzt und mit Makron (Überstrich) - zum Glück, sonst wäre die
   Handschrift wegen der Ähnlichkeit von e, n, r & u fast nicht zu transkribieren

Beibehalten wurden:
- das fehlende Dehnungs-h: z. Bsp. 'fart' statt 'fahrt' (von ihm uneinheitlich gehandhabt)
- das in bestimmten Wörtern seinerzeit (aber heute nicht mehr) übliche Dehnungs-h: 'mahlen' statt 'malen'
   oder 'wahren' statt 'waren'
- nicht konsistent ist auch der Gebrauch von i, I statt j, J - iene, ieder, ia, Iahr; es ist aber nicht so,
   daß er j, J grundsätzlich ausschließt
- die uneinheitliche Verwendung von s, ss, ß
- die Vokalverdoppelung unterbleibt schon mal: 'par' statt 'paar', 'Hörsal' statt 'Hörsaal'
- in einigen Fällen der Verzicht auf das 'ck' - z. Bsp. 'Schiksal'
- Fremdwörter auf  '-ieren' schreibt er ohne Dehnungs-'e' = 'iren'; aber auch bei deutschen Wörtern verzichtet
  er häufig auf das Dehnungs-'e' = befridigt, Begirde, verliren; letzteres taucht aber auch schon mal (quasi
  überdehnt) mit 'e' + 'h' auf: 'verliehren'
- die 'th'-Schreibung der Kurrentschrift: 'Thätigkeit' statt 'Tätigkeit' (für viele Wörter um 1900 abgeschafft)
- sämtliche sonstigen Rechtschreibvarianten Hebels (z. B. 'Palläste' statt 'Paläste'; das (vereinzelte) Weglassen
   von 'un' in z. B. 'Gesdheit' statt 'Gesundheit' oder 'Vorbereitg' statt 'Vorbereitung', 'Erwerbg' statt 'Erwerbung' -
   sowie eventuelle Flüchtigkeitsfehler, etc. - die nicht im o. a. Sinn korrigiert wurden
- die inkonsistente Anwendung der Groß- und Kleinschreibung
- bei manchen Blättern wurden die von ihm gestrichenen Worte oder Sätze
- sofern trotzdem lesbar - in
   gestrichener Form belassen

 Eine zentrale Schwierigkeit beim Lesen der Texte ist das häufige Fehlen der Kommas oder die Verwendung von Punkten anstelle derselben, was den sowieso schon schwierig zu erfassenden Satzbau Hebels zusätzlich kompliziert - es hilft, wenn man gedanklich an diversen Stellen Kommas einfügt und dabei hin und wieder auch alternative Setzungen ausprobiert. Eine Spezialität ist die Verwendung von Komma + 'und' - hier erfüllt das Komma die dezidierte Funktion einer Sprech- bzw. Denkpause: dabei sollen 2 Gedanken in einem Satz zwar getrennt gedacht, aber dennoch inhaltlich - wenn auch lose - miteinander verbunden bzw. verknüpft bleiben.

Hebel verwendet sehr oft das Kürzel 'pp' oder 'p'. Es ist die Abkürzung von 'perge, perge'
bzw. 'perge', was soviel wie 'und so weiter' oder 'fahre fort' bedeutet und in unserem (mündlich) häufig
 verwendeten Ausdruck 'et cetera pp' überlebt hat.

 

 

     

# Bis jetzt festgestellte Nummern und - falls angegeben -
   die zeitliche Zuordnung:

II
V
VI
VIII
XI
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XXII
XXIII

[1808]
1809
1808 - 1809


1810 Jul./Aug.

Febr. 1811
Jul. 1812
1809 - 1810
6. Juli 1813

Streichungen
in den
Autographen
von
Hebel selbst

       

* In HTML lassen sich die 3 Buchstaben mit einem Überpunkt (ȧ, ȯ, u̇) auch nicht an die Schriftart
   Verdana anpassen - sie sind fix mit der Standartschrift (Times New Roman) verknüpft codiert -
   was eine gute Lesbarkeit verhindert.
   Dies gilt übrigens auch für das 'y': mit Trema - ÿ - kann es in der Transkription problemlos wiedergegeben
   werden, mit einem Überpunkt geht es nicht in Verdana 10pt, sondern nur in Times New Roman 12pt:
ẏ.

 

 
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