XXXXX   Allgemeine Betrachtungen
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TEXT 63

       

 

Da die Rede davon ist, der Anlage vor dem Brückenthor* den Namen eines englischen Gartens zu geben, so haben wie um sichern Weges zu gehen vor der samt zu untersuchen

1,   was man unter Anlagen

2.     -     -      -    einer englischen Anlage

3.   was man unter einem Garten verstehe,

woraus sich als dann zeigen wird ob obengenannter Anlage der Begrif eines englischen Gartens zukomme oder nicht.

Was nun die erste Frage betrift, so versteht man unter Anlage eine künstliche Anpflanzung für irgend einen Zweck. - Der Zweck kann Nutzen oder Vergnügen seyn. Der Zweck einer englischen Anlage ist Vergnügen, und man versteht darunter die Vorstellung einer idealischen Landschaft in der Wirklichkeit, vermenge deren einzelne schöne Gegenstände, welche die Natur in weiten Räumen aus einander gelegt hat in einem engen Raum zusamengestellt und sinnreich geordnet worden, dergestalt, daß man die Kunst in ihr zwar nicht vermißt, aber auch durch sie in dem Genuß der Naturschönheit nicht gestört wird. Solche Anlagen heißen englische, welches Wort iedoch nicht von Engel, sdern daher komt daß   pp

Um nun auf den Hptbegrif eines Gartens zu kommen so darf man nur auf die Bedeutung des Wortes sehen welches so viel als Verwahrung bedeutet, wie es denn auch in dem von Oberlin herausgegebenen Gl. M. O. mit locus Septus übersetzt wird. Damit stimmen auch sogar die ausländischen Wörter Geardare, Geardin, Garde überein und es ist ein Garten daher auch nichts anders als eine durch eine Einfaßung verwahrte Anlage, woraus nun vonselbst ergibt, daß ein englischer Garten eine durch Einfaßung verwahrte englische Anlage sey.

Ihr wollt den Anlagen vor dem Brückenthor den Namen eines englischen Gartens geben. Ich bin nicht dagegen. Er ist englisch-himmlischthor, wie die zweckempfindenden das zu nenen pflegen, was ihnen besonders gefällt, und daß ich nicht mit dem Ausdruck spiele ein Engländer könnte sich darin vergeßen und sich der süßen Täuschung überlassen, er sey auf seiner Insel denn die schöne Natur ist in ihm aufs sinigste aufs geschmakvollste nachgeahmt. Was die Natur in großen Räumen vertheilt hat, ist hier in ein lebendiges Landschaftsgemälde zusammengestellt, der wenigste Wechsel in charaktervoller Einheit gebunden. Mit 1. W.** die Natur ist hier nicht verbaut um der Kunst zu weichen, beide sind sich zur freundlichen Umarmung zusammengeführt. Aber die Anlage ist noch kein Garten und die Kunstreichste Anlage kann durch kein Dekret, sie kann nur durch eine Einfassung zu einem Garten erhoben werden. Der Sprachgebrauch verwilligt den Namen eines Gartens keiner Pflanzung die nicht mit irgendeiner Begränzung eingefaßt und von ihrer Umgebung gesondert ist. Ohne sie wird der Gras und Obstgarten zu einer Wiese, der Gemüsegarten zu einem Acker Stück Feld, der weingarten zu einem Rebland, der Thiergarten zu einem Wald, und iede noch so schöne und noch so englische Anlage bleibt was sie ist, bis ehe sie - ich muß es widerholen, nicht durch eine Einfassung zu einem Garten steigert und ich wäre fast in der Versuchung auch aus Glossarien und Sprachvergleich zu beweisen, daß selbst das Wort Garten nichts andres als einen verwahrten Ort bezeichnet.

       

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* Das einzige eruierbare Brückentor ist das der 'Alten Brücke' ( Karl-Theodor-Brücke)
 in Heidelberg, erbaut 1788. Die gemeinte Anlage können daher nur die Neckarufer entweder auf der Heidelberger oder der direkt gegenüberliegenden Seite sein.

pp = perge, perge (lat.) = usw., fahre fort

** Mit 1. W. = Mit einem Wort

 

 

 
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      Transkription nach dem Autograph (Digitalisat der BLB Karlsruhe S. 204 - 207).

 

Das Jahr ist unbekannt, der Schrift des Originals nach
dürfte der Text nach 1820 entstanden sein.