XXXXX   Allgemeine Betrachtungen
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TEXT 58

       

 

1808 - 1809

1.

Warum wird der Bergbewohner im Ausland stärker von Heimweh ergriffen
als der Bewohner des flachen Landes.

       


1,   das Faktum   ist es richtig.
        Alle Menschen fühlen im Ausland, wenn auch nicht freylich im Anfang,
        eine Sehnsucht nach der Heimath, und der Fluren, wo sie iung waren,
        preisen es als schönste Gegend   pp
       
Der eine mehr, der andre weniger die Bergbewohner am meisten.
        Beysp. Schweitzer, Tyroler,   pp
        Schilderung.

2.   Ursache
        a.   physisch - reinere Luft und Wasser
        b    geographisch ·    Jede Berggegend ist einzig, das Thal eine kleine
            verschloßene Welt. Man kennt darin ieden Gegenstand, trennt sich
            davon mit Schmerz. Die ebene ist sich überal gleich.

3.   Einfache unverdorbene Sitten fixirte Gebräuche, Trachten  pp

       

Betr.[achtungen] über den Baum

         
1,   was klein ward wird groß

2.   was unbemerkbar in den Minuten geschieht sollte das Jahrhundert
      im Großen thun.

3.   Gepflegt für einen dunklen Friedhof von einer Hand die vielleicht
      keine seiner Früchte pflückte.          od.

      Gepflegt von einem Pflanzer, der nicht wußte für, wenn.

       

Aussichten vom Thurmberg.*

Freund, wo ein Thurm fällt blüht auch eine Rose.

         
1.   Das Faktum.    Schilderung

2.   Die Ursache

            a    allgemeine Gefahr des Schicksals.
b,   eigenes Verhalten
c.   fremder Einfluß
      Ungleichheit der Grundsätze   Handlungsweise der Menschen.
         
3.   Maximen
           Erweckung der Theilnehmer
           Furcht und Hofnung.
     

 

Über Romane   Lektüren

         
1,    Die gute Seite
             
wenn der Roman, gut, mit Geschack geschrieben, sittlich ist
und die Lektüre zur angenehmen Nebensache gemacht wird.

a,   angenehm, unschuldige Unterhaltung, auch in der Einsamkeit
b.   Bildung des Geschmackes
c    des menschlichen Seins
d    Wegführung des Gemüthes aus der engen, drückenden,
      Wirklichkeit
      Erhebung ins Ideale.

         
sß**    schlimme Seite
             
1 ste Voraussetzung - Lesewuth
             
a    man roubt sich die Zeit zu nützlichen Beschäftigungen ieder Art
b    mann verliehrt sogar Lust und Fähigkeit zu ernsthafter Lektion,
      und mühsamerm Studium.
c,   Man rückt ganz aus der Wirklichkeit in die Romanwelt, wird
      unzufrieden mit seiner Lage und mit den Menschen, wird
      schwärmen, Empfindler, selber Romanheld macht sich lächerlich
      und unglücklich.
             
2 te Vorrauss.  Wer viel list dem reicht die kleine Zahl der guten
   nicht zu, er list schlechtes und mittelmäßiges und
a    verdirbt seinen Geschmack, wird fade, geschwätzig, bombastisch
      wie seine Lektüren -
b,   vergiftet sein Herz und verliert Achtung für Tugend und Abscheu
      des Lasters durch Lektüre unsittlicher Bücher.
     

 

Ist es schwerer den Charakter einer ganzen Nation als eines einzelnen Menschen
 zu beurtheilen.

         
A    Es könnte scheinen, da die Nation aus unzählig vielen Individien besteht,
      dann iedes einzelne schon ein schwerer Gegenstand für die
      Menschenforschung ist. Wie vielseitig ist der Mensch, wie weiß er sich
      zu verbergen, wie veränderlich ist er, wie wechseln unaufhörlich die
      Individia im ewigen Kommen und Gehen.

B    Allein es ist nicht so. Die man hat in der Beurtheilung eines National
      Charakters

           
a     viel weniger Daten zu erheben als in der Beurtheilung einzelner
       Menschen, weil man nur auf dieienigen Eigenthümlichen Seiten
       der Denk und Handlungsweisen zu sehen hat worin die meisten
       Individia über ein kommen. Das sind gewöhnlich nur wenig, sey
       es auch nur eine. z. B. diese Nation ist Gastfrey, wollüstig,
       abergläubig.

b,    Diese Daten sind auch leichter zu erheben, denn:

             
1.   eine Nation handelt nie versteckt, es ist keine Übereinkunft ihrer
      Individien zum Gemeinschaftlichen Verhalten oder Täuschen
      gedenkbar. Viel mehr bestimmen gerade dieienigen Züge den
      Charakter der Nation, die an den Individien die
      hervorstechendsten und auffallendsten sind, die sie selber am
      wenigsten verbergen können noch wollen.

2.   Der Nationalcharakter ist nichts momentanes, er bestimmt sich
      nur durch das bleibende in der Übereinstimmung, ändert sich
      Jahrhunderte lang, oft während der Existenz der Nation im
      wesentlichen nie. Die Deutschen nach Tacitus bis iezt. Die
       Franzosen nach Cäsar bis iezt. Die Römer bis kurz vor der
       Kayserperiode und nachher. Die Juden von Anbeginn bis iezt.
       Die Türken solange man sie kennt, die Araber. Es ist daher
       auch der Beobachtung und Prüfung ein viel längerer Zeitraum
       gegönnt.

         
C    Es ist auch viel leichter die Ursachen der Nationalbildung zu finden.
      Denn auch diese sind offen, man kann und will sie nicht verbergen.
      z. B.
         
Abstammung   Der Chartager vermuth den Phöniziern. Der Schweitzer den Deutschen. Clima und Lebensart, Nahrungsmittel den Italienern und deutschen. Eine Kaufmannische und ackerbauende Nation.

Verfassung.   und Einfluß der Regierung   Gesetze und Regierung.
Die alten und neuen Griechen. Die Juden - Religion Nationalbildungsanstalten.

Innerer Wohlstand

Äußere Schicksale.   Erobernde Völker und Unterjochte.

       

Facilis desencus averni   etc. ***

         
1,   Durch Natur
      a.   Auflösung des Alters
      b    Krankheiten
2,   Durch Zufall und Unachtsamkeit      Ertrinken, Ersticken, Todfällen
3.   Durch Gewalt      Mord, Krieg
4.   Durch freiwilligen Entschluß
     
Nactes atque Dies deri patet ianica Ditis   ***
         
Unaufhörlicher Zug, stille Wallfahrt durch die  Pforten der unterwelt, aus allen gegenden, und allen ständen und Altern. Ganze Nationen dahin. Wir alle folgen nach.
     
Sed revocare gradim   etc. ***
         
Keine Rückkehr. Traurig, und doch höchst weise und wohlthätig.
           
Mögliche Fälle:
1    Es kämen wie aus einem bewußtseinslosen Zustand zuweilen
      eher Erfahrung und Ausbeute von ienseits.

Wozu?   Ist Sterben ein so leichtes Geschäft, daß mans 2. mal
            wünschen möchte.
     

 

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pp = perge, perge = usw.

* es ist nicht bekannt, welchen Berg Hebel gemeint haben könnte

** unklar (hier müsste eig. Nr. '2' stehen.

*** = Das gesamte (korrekte) lateinische Zitat stammt aus der "Aeneis" des  römischen Dichters Vergil (eig. Publius Vergilius Maro), 70 - 19 v. Chr. und lautet:

Facilis descensus Averni:
Noctes atque dies patet atri ianna Ditis.
Sed gradium revocare superasque evadere ad auras;
Hoc opus, hic labor, est.

Leicht der Abstieg in die Unterwelt
Nächte und Tage offensteht das schwarze Tor des Reichen
aber den Schritt zurückzurufen zu den himmlischen und entkommen zur Oberwelt,
das ist Kunst, das ist schwere Arbeit.

'Averni (lacus)‘ war ein vulkanischer Kratersee, man glaubte, dort sei ein Zugang zur Unterwelt; 'des Reichen' = Euphemismus für den Gott der Unterwelt = Pluto.

 

 

 
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      Transkription nach dem Autograph (Digitalisat der BLB Karlsruhe, S. 180 - 187).