XXXXX   Allgemeine Betrachtungen
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TEXT 55

       

 

 

Ciceros Verdienste um die römische Sprache.

         
a   er hat sie von fremder Terminologie gereinigt.

b,  für mehrerley Arten des Vortrags besonders der philosophischen geschmeidigt.

c   durch Genie und Fleiß zu einem vorher unerreichten Grad der Vollkommenheit
     besonders in Ansehung des Wohlklangs gebracht, und dadurch

d,  das vorzüglichsten dazu beigetragen, ihr die Unsterblichkeit zu sichern.

       


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Raro ante cedertem scelestum deseruit pede paena claudo *

Neben vielen Verbrechen, die schnell ihre Straffe finden scheinen mehrere ganz
ungeahndet dahin zu gehen.
Aber es ist nicht so. Dagegen sind

         
a   Erfahrungen

b.  Gründe

           
1,   einige rächen sich spät an der Gesundheit des Körpers, dessen bestimmtes
      Maas von Kraft früher verpraßt wird.

2,   Andere kommen durch Zufall irgend ein mal annden Tag und werden mit
      Verachtung und Hintansetzung bestraft.

3,   Gewöhnlich sezt der Verbrecher lasterhafte Handlungen und Gesinnungen
      fort, und zieht durch lezte derselben selbst die Strafe herbey.

4.   Unvermeidliche Widerwärtigkeiten, die mit dem Vergehen selbst keinen
      Zusammenhang zu haben scheinen, rechnet ihm das Gewissen und das
      Urtheil der Menschen zur Strafe an. Der Glaube an Vergeltung auf
      verborgenen Wegen läst sich nicht wegraisoniren und nicht hinwegscherzen.

             
     Wie solten, fast unmöglich entgeht ein böser Mensch allen diesen
     Gefahren.
       


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Wohl nährt der Luxus viele einzelne Individuen der ärmeren Klassen, aber die andern bezahlen ihn.

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Warum fand Cicero unter den Römern selbst keine Nachahmer.

         
1,    Römische Schriftsteller ahmen überhapt nicht nach, ieder ist original.

2.    Die Höhe der Kunst, und der Ruhm wozu Cicero es gebracht hatte, war mehr
       abschreckend als einladend.

       


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Über den Gebrauch das Andenken patriotischer Männer der Verstorbenen durch öffentliche Denkmale zu ehren

         
I,   Contra
           
a   wenn sein Verdienst nicht unsterblich macht, dem nüzt es nicht
             
1,   er hat gar kein wahres Verdienst

2,   oder nur in einem engen Kreis

3,   oder nur vorübergehend z. B. in einem Krieg

       
Applik.
 

b,   Wen seine Thaten unsterblich machen, bedarf es nicht Guttenberg,
      Columbus, Luther, Zwingli, Melachthon, Erasmus, Tell,

c    Das Geld kann daher für nützlichere Zwecke (Armenversorgung, Ackerbau,
      Strassenbau, Schulen  pp) verwendet werden.

         
II.   Pro:    Man errichtet sie nicht um zu verhüten, daß der Todte nicht vergessen
                werde, sondern
           
a,    wir leisten einem schönen inneren Trieb der Liebe der Dankbarkeit der
       Achtung ein Genüge.
             
1,   Natur dieses Triebes. Er will befriedigt seyn, ohne Berechnung gewisser
      Zwecke.
      Warum machen wir oft Reichern als wir sind, Geschenke?
      Warum feyern wir freywillig Gedächtnißtage  weinen an den Gräbern?
      Warum nennt der Greis noch dem Enkel mit Enthusiasmus werthe Namen
      der Vorzeit.

2.   Es ist dem Menschen eigen, in iedem guten Gemüthe vorhanden, wehe
      dem der ihn nicht fühlt.

3.   wird durch Stiftung öffentlichen Denkmals auf eine edle Art befriedigt.

           
b,   Sie sind ermunternd zur Nacheiferung für die Zeitgenossen und Nachwelt,
      ihr Anblick flößt frühe edle Gefühle der Jugend ein. Griechenland und Rom.
      Tells Kapelle, Bruder Claus**.

c.   Beschäftigt die Kunst, weckt, belebt, wandelt den Sinn der Nation für das
      Schöne.

             
1,    Elender Zustand einer Nation die nicht ihn hat, und nicht

2.    Böses Zeichen der Zeit, wo es überal Gemählde Pracht Thore Brunnen
       Verzierungen  p  nur kein ehrenvolles Denkmal der Wohlthäter des
       Vaterlandes findet.

       
Appl.   Aber das Geld kann nützlicher angewendet werden! Wohl könnte vieles nützlicher
          angewendet werde. So schränkt dann einem Luxus, einem Gelage, einer
          Geldverschwendung an Unwürdige ein. - Doch wir wollen keine Casse für
          öffentliche Anstalten gestiftet, ausplündern.
          Der Arme soll nicht hungern, gesättigt und verpflegt soll Er mit uns bey
          Erblickung des Denkmals die Asche ihrer Wohlthäter feyern. Den Schulen darf
          nichts abgehen, die Jugend lerne dort edle Gefühle und die Verdienste großer
          Männer kennen, und ehre an ihren Monumenten mit dankbaren Herzen ihr
          Andenken. Der Straßenbau soll nicht vernachläßigt werden. Auf wohl erhaltenen
          Straßen fährt der Fremdling zu uns und weile gerne bey einem Volk, das Tugend
          und Verdienste zu schätzen weiß und in dem Andenken seiner großen Männer ehrt.
       

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* Raro ante cedertem scelestum deseruit pede paena claudo (lat., Zitat von Horaz) =
Selten lies die Strafe lahmen Fußes von dem vorausschreitenden Verbrecher ab.

Applik. = Applikation = von lat. 'applicatio‎' für das 'Sichanschließen'.

pp; p (lat.) = perge, perge; perge = usw.

** vermutlich Niklaus von Flüe, Nikolaus von der Flühe oder Bruder Klaus (* 1417 im Flüeli, Obwalden; † 21. März 1487 im Ranft ebenda) war ein einflussreicher Schweizer Bergbauer, Soldat, Einsiedler, Asket und Mystiker. Er gilt als Schutzpatron der Schweiz und wurde 1947 heiliggesprochen.

 

 

 
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      Transkription nach dem Autograph (Digitalisat der BLB Karlsruhe S. 171 - 177).

 

Ohne Jahr, vermutlich 1809/10.