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«Ich bin von armen, aber frommen Eltern geboren . . .»

      Wohl am wenigsten haben solches seine Eltern vermutet, die zeitlebens von der poetischen Begabung ihres Sohnes nichts erfahren sollten: Die anno 1726 geborene Mutter, Ursula Oertlin, war eine aus dem markgräflich-badischen Hausen im Wiesental gebürtige und darum protestantische Bauerntochter, welche als Magd auf dem vor dem St. Johanns-Tor gelegenen Landgut des Basler Patriziers und Majors in französischen Diensten, Johann Jakob Iselin-Ryhiner [und seiner Frau Susanna], arbeitete. Hier hatte sie ihren um sechs Jahre älteren, reformierten Mann kennengelernt. Johann Jakob Hebel stammte aus dem fränkischen Städtlein Simmern im Hunsrück. Er hatte das Handwerk des Leinenwebers gelernt und war als junger Mann ausgewandert. 1747 hatte er sich als «Herrendiener» bei Johann Jakob Iselin verdingt und mit seinem Herrn zusammen als Dragoner Reisen zu entlegenen Garnisonen und Kriegsschauplätzen in Nordfrankreich und in den Niederlanden gemacht. Der jüngste Feldzug hatte fast drei Jahre, von 1756 bis 1759, gedauert und ihn durch das Burgund und die Provence bis auf die Insel Korsika geführt. Nach seiner glücklichen Rückkehr hatte er 1759 in Hauingen hinter Lörrach Ursula Oertlin geheiratet. In Basel durften damals nämlich noch keine «Mischehen» geschlossen werden. Den Winter 1759/60 hatte das junge Paar in Hausen verbracht, wo Johann Jakob als Weber das tägliche Brot verdiente. Mit der wärmeren Jahreszeit aber hatten die beiden wieder den Dienst im Haushalt Iselin aufgenommen. Und nun also ließen sie in der Peterskirche ihren Erstgeborenen taufen.
 
Ob sich der Vater in jener Stunde nicht insgeheim gewünscht hatte, sein Sohn möge später an der Dichtung ebenso Vergnügen finden wie er selber? Er führte nämlich seit 1753 ein «Notiz-» oder «Taschenbuch», in dem er u. a. eine Sammlung von rund zweihundert «Verses allemandes» und ein geordnetes Verzeichnis mit mehreren hundert deutschen Volksliedern angelegt hatte.
 
Als ein Jahr nach der Geburt eines Sohnes auch ein Mädchen zur Welt kam, schien das Glück bei der Familie Hebel eingekehrt zu sein. Aber schon wenige Wochen nach Susannes Geburt erkrankte die Familie schwer, vermutlich an Typhus, und, obwohl sie sich unverzüglich nach Hausen in die gesunde Luft flüchtete, starb der Vater, erst 41-jährig, am 25. Juli 1761. Die kleine Susanne folgte ihm einige Woche später am 22. Oktober 1761.
 
In den nächsten Jahren vertauschte die Mutter während der Wintermonate den Wohnort Basel jeweilen mit ihrem Heimatort Hausen. So wuchs Johann Peter Hebel als Stadtbub und als Bauernbub auf. Die Eindrücke jener Zeit prägten sich tief in sein Gedächtnis ein. Wir begegnen ihnen viele Jahre später in den Alemannischen Gedichten und in der bereits erwähnten «Stadthymne».
 
Vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr ging der kleine Hebel in Hausen zur Schule. Sein damaliger Lehrer, Andreas Grether, kümmerte sich wie ein Vater um den begabten Jungen.
 
In den Sommermonaten 1766 bis 1768 drückte Johann Peter Hebel in der Gemeindeschule zu St. Peter die Schulbank, etwa dort, wo heute sein Denkmal steht, und 1772 besuchte er die dritte Klasse des «Gymnasiums auf Burg», des späteren Humanistischen Gymnasiums auf dem Münsterplatz. Schon vorher hatte nämlich der Pfarrer von Hausen, der zugleich Dekan in Schopfheim war, Karl Friedrich Obermüller, die Witwe Hebel veranlasst, ihren Sohn an den Vormittagen nach Schopfheim zu schicken, wo Gottlieb August Preuschen, Hebels Förderer während der Studienjahre in Karlsruhe, Latein unterrichtete.
 
Johann Peter Hebel war dreizehnjährig, als aus der Stadt die Nachricht kam, die Mutter sei erkrankt und wolle nach Hause gebracht werden. Der Vogt (Bürgermeister) von Hausen, ein Verwandter, fuhr mit seinem Ochsengespann eilends nach Basel, um sie zu holen. Bereits auf dem Heimweg aber, zwischen Brombach und Steinen, starb sie.
Hebel konnte diese Begegnung mit dem Tod nie vergessen. Viele Jahre später setzte er seiner Mutter und dem Ort, an dem sie ihn für immer verlassen hatte, ein literarisches Denkmal im Gedicht Die Vergänglichkeit. Jacob Burckhardt hat das visionäre Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn über die Hinfälligkeit allen Menschenwerks eines der «ewigen, großen Gedichte der Weltliteratur» genannt.
 
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Originaltext: Johann Peter Hebel: Wesen, Werk, Wirkung  / hrsg. v. d. Basler Hebelstiftung;
Autor: Beat Trachsler. - Basel: GS-Verlag, 1990  /  Seiten 9 - 12