Die zwei Postillione
(1811)
Zwei Handelsleute reisten oft auf Extrapost von Fürth nach Hechingen,
oder von Hechingen nach Fürth, wie jeden
sein Geschäft ermahnte, und gab der eine dem Postillion ein
schlechtes Trinkgeld, so gab ihm
der andere kein gutes. Denn jeder sagte: „Für was soll ich dem
Postknecht einen Zwölfer schenken?
ich trag ja nicht schwer daran." Die Postillione aber, der von
Dünkelsbühl und der von Ellwangen sagten: „Wenn wir nur einmal den
Herren einen Dienst erweisen könnten, daß sie spendaschlicher würden!"
Eines Tages kommt der Fürther in Dünkelsbühl an, und will weiters. Der
Postillion sagte zu seinem Kameraden: „Fahr du den Passagier." Der
Kamerad sagte: „Es ist an dir." Unterdessen saß der Reisende ganz
geduldig in seinem offenen Eliaswagen, bis der Postillion aufsaß. Als er
sah, daß der Postillion im Sattel
recht saß und die Peitsche erhob, sagte er: „Fahr zu Schwager!
Werf Er mich nicht um!" Am nämlichen Nachmittag fuhr auch der Hechinger
von Ellwangen ab, und der Postillion dachte bei sich selbst: „Wenn jetzt
nur mein Kamerad von Dinkelsbühl mit dem Fürther auch auf dem Weg wäre!"
Indem er fährt, bergauf, bergab, nicht weit vom Segringer Zollhaus, wo
dem Hausfreund und seinem Herrn Bruder auch einmal die Haare geschnitten
worden sind, begegnen sie einander;
keiner will dem andern ausweichen. Jeder sagt: „Ich führe einen
honetten Herrn, keinen Pfennigschaber, wie
du, dem seine Sechsbatzenstücke
aussehen wie Hildburghäuser Groschen." Endlich legte sich der
Fürther auch in den Streit: „Gotts Wunder!" sagte er; „sollen wir noch
einmal vierzig Jahr in der Wüste
bleiben?" und schimpfte zuletzt den Ellwanger, daß ihm dieser mit
der Peitsche einen Hieb im Gesicht gab.
Der Dünkelsbühler sagt: „Du
sollst meinen Passagier nicht hauen, er ist mir anvertraut, und zahlt
honett, oder ich hau den deinigen auch." - „Untersteh dich und hau mir
meinen Herrn!" sagte der Ellwanger. Also hieb der Dinkelsbühler des
Ellwangers Passagier und der Ellwanger
hieb des Dinkelsbühlers Passagier,
und riefen einander in unaufhörlichem Zorn zu: „Willst du meinen
Herrn in Frieden lassen oder soll ich dir den deinigen ganz zu einem
Lungenmus zusammenhauen?" und je
schmerzlicher der eine Ach und der andere Weih schrie, desto
kräftiger hieben die Postillione
auf sie ein, bis sie des unbarmherzigen Spaßes selber müde
wurden. Als sie aber auseinander waren und jeder wieder
seines Weges fuhr, sagten die Postillione zu ihren Reisenden
so und so: „Nicht wahr ich habe mich Euer rechtschaffen
angenommen? Mein Kamerad wird's niemand rühmen, wie ich ihm seinen
Herren zerhauen habe. Aber diesmal kommt's Euch auch auf ein besseres
Trinkgeld nicht an. Wenn's der Fürst wüßte", sagte der Dinkelsbühler,
„es wäre ihm um einen Maxd'or nicht leid. Er sieht darauf, daß man
die Reisenden gut hält."
Merke: Es ist kein
Geld schlechter erhaust, als was man armen
Leuten am Lohn und Trinkgeld vorenthält, und wofür man gehauen oder
sonst verunehrt wird. Für ein paar Groschen
kann man viel Freundlichkeit und guten Willen kaufen.
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