List gegen List
(1815)
Einem namhaften Goldschmied hatten zwei vornehm gekleidete
Personen für 3000 Taler kostbare Kleinode abgekauft für auf die Krönung in
Ungarn. Hernach bezahlten sie ihm tausend Taler bar, legten alles was sie
ausgesucht hatten, in ein Schächtelein zusammen, siegelten das
Schächtelein zu und gaben es dem Goldschmied gleichsam als Unterpfand für
die noch fehlende Summe wieder in Verwahrung, wenigstens kam es dem
Goldschmied so vor, als wenn es das nämliche wäre. „In 14 Tagen", sagten
sie, „bringen wir Euch die fehlende Summe, und nehmen alsdann das
Schächtelein in Empfang." Alles wurde schriftlich gemacht. Allein es
vergehen drei Wochen, niemand meldet sich. Der Krönungstag geht vorüber,
es gehen noch vier Wochen vorüber. Niemand will mehr nach dem Schächtelein
fragen. Endlich dachte der Goldschmied: „Was soll ich euch euer Eigentum
hüten auf meine Gefahr, und mein Kapital tot drinnen liegen haben?" Also
wollte er das Schächtelein in Beisein einer obrigkeitlichen Person
eröffnen, und die bereits empfangenen 1000 Taler hinterlegen. Als es aber
geöffnet ward, „lieber guter Goldschmied", sagte der Aktuarius, „wie seid
Ihr von den zwei Spitzbuben angeschmiert." Nämlich in dem Schächtelein
lagen statt Edelgestein Kieselstein, und Fensterblei statt Goldes. Die
zwei Kaufleute waren spitzbübische Taschenspieler, böhmische Juden,
brachten das wahre Schächtelein unvermerkt auf die Seite und gaben dem
Goldschmied ein anderes zurück, welches ebenso aussah. „Goldschmied",
sagte der Aktuarius, „hier ist guter Rat teuer. Ihr seid ein unglücklicher
Mann." Indem trat wohlgekleidet und ehrbar ein Fremder zur Türe herein und
wollte dem Goldschmied allerlei krummgebogenes Silbergeschirr und
einsechtige Schnallen verkaufen, und sah den Spektakel. „Goldschmied",
sagte er, als der Aktuarius fort war, „Euer Lebelang müßt Ihr Euch nicht
mit den Schreibern einlassen. Haltet Euch an praktische Männer. Habt Ihr
das Herz eine Wurst an eine Speckseite zu setzen, Euch ist zu helfen. Wenn
Euer Schächtelein oder der Wert dafür noch in der Welt ist; ich schaff
Euch die Spitzbuben wieder ins Haus." - „Wer seid Ihr, um Vergebung",
fragte der Goldschmied. - „Ich bin der Zundelfrieder", erwiderte der
Fremde mit Vertrauen und mit einem recht liebenswürdig freundlichen
Spitzbubengesicht. Wer den Frieder nicht persönlich kennt, wie der
Hausfreund, der kann sich keine Vorstellung davon machen, wie ehrlich und
gutmütig er sich anstellen, und dem vorsichtigsten Menschen so
unwiderstehlich das Herz und das Vertrauen abstehlen kann, wie das Geld.
Auch ist er in der Tat so schlimm nicht, als man ihn zwischen Bühl und
Achern dafür hält. Ob nun der Goldschmied noch überdies an das Sprichwort
dachte, daß man Spitzbuben am besten mit Spitzbuben fangen könne, oder ob
er an ein anderes Sprichwort dachte, daß wer das Roß geholt hat, der hole
auch den Zaum, (wegen einer guten Freundin will ihn der Hausfreund nicht
mit Namen nennen) kurz der Goldschmied vertraut sich dem Frieder an. „Aber
ich bitte Euch", sagte er, „betrügt mich nicht." „Verlaßt Euch auf mich",
sagte der Frieder, „und erschreckt nicht allzusehr, wenn Ihr morgen früh
wieder um etwas klüger geworden seid!" Vielleicht ist der Frieder auf
einer Spur? Nein, er ist noch auf keiner. Aber wer in selbiger Nacht dem
Goldschmied auch noch 4 Dutzend silberne Löffel, 6 silberne Salzbüchslein,
6 goldene Ringe mit kostbaren Steinen holte, das war der Frieder. Manch
geneigter Leser, der auf ihn nicht viel halten will, wird denken:
„Das geschah dir recht." Desto besser. Denn dem Goldschmied war es auch
recht. Nämlich auf dem Tisch fand er von dem Zundelfrieder einen
eigenhändigen Empfangschein, daß er obige Artikel richtig erhalten habe,
und ein Schreiben, wie sich der Goldschmied nun weiter zu verhalten habe.
Nämlich er zeigt jetzt nach des Frieders Anleitung den Diebstahl bei Amt
an, und bat um einen Augenschein. Hernach bat er den Amtmann die
verlorenen Artikel in allen Zeitungen bekanntzumachen. Hernach bat er,
auch das versiegelte Schächtelein mit seiner ganzen Beschreibung mit in
das Verzeichnis zu setzen, um etwas. Der Amtmann sah ins Klare und
verwilligte ihm den Wunsch. „Einem honetten Goldschmied", dachte er, „kann
ein Mann, der eine Haushaltung führt, etwas zum Gefallen tun." Also
verlauft es sich in alle Zeitungen, dem Goldschmied sei gestohlen worden
das und das, unter andern ein Schächtelein so und so, mit vielen kostbaren
Edelgesteinen, die alle benannt wurden. Die Nachricht kam bis nach
Augsburg. „Löb", schmunzelte dort ein böhmischer Jud dem andern zu, „der
Goldschmied wird nie erfahren, was in dem Schächtelein war. Weißt du, daß
es ihm gestohlen ist?" - „Desto besser", sagte der Löb, „so muß er uns
auch unser Geld zurückgeben, und hat gar nichts." Kurz die Betrüger gehn
dem Frieder in die Falle, und kommen wieder zu dem Goldschmied. „Seid so
gut und gebt uns itzt das Schächtelein! Nicht wahr, wir haben Euch ein
wenig lange warten lassen." - „Liebe Herrn", erwiderte der Goldschmied,
„euch ist unterdessen ein großes Unglück geschehen, das Schächtelein ist
euch gestohlen. Habt ihr's noch in keiner Zeitung gelesen?" Der Löb
erwiderte mit ruhiger Stimme: „Das wäre uns leid, aber das Unglück wird
wohl auf Eurer Seite sein. Ihr liefert uns das Schächtelein ab, wie wir's
Euch in die Hände gegeben haben, oder Ihr gebt uns unser vorausbezahltes
Geld zurück. Die Krönung ist ohnehin vorüber." - Man sprach hin, man sprach
her, „und das Unglück wird eben doch auf Euerer Seite sein", nahm wieder
der Goldschmied das Wort. Denn im nämlichen Augenblick traten jetzt mit
seiner Frau vier Hatschiere in die Stube, handfeste Männer, wie sie sind,
und faßten die Spitzbuben. Das Schächtelein war nimmer aufzutreiben, aber
das Zuchthaus und so viel Geld und Geldeswert, als nötig war den
Goldschmied zu bezahlen. Aus Dankbarkeit zerriß der Goldschmied hernach
den Empfangschein des Frieders. Aber der Frieder brachte ihm alles wieder,
und verlangte nichts für seinen guten Rat. „Wenn ich einmal etwa von
Euerer Ware benötiget bin", sagte er, „so weiß ich ja jetzt den Weg in
Euern Laden und zu Euerm Kästlein. Wenn ich nur alle Spitzbuben zugrunde
richten könnte", sagte er, „daß ich der einzige wäre."
Denn eifersüchtig ist er. |