Eine sonderbare Wirtszeche (1808)
Manchmal gelingt ein mutwilliger Einfall, manchmal kostet's den Rock,
oft sogar die Haut dazu. Diesmal aber nur den Rock. Denn obgleich einmal
drei lustige Studenten auf einer Reise keinen roten Heller mehr in der
Tasche hatten, alles war verjubelt, so gingen sie doch noch einmal in
ein Wirtshaus, und dachten, sie wollten sich schon wieder hinaushelfen,
und doch nicht wie Schelmen davonschleichen, und es war ihnen gar recht,
daß die junge und artige Wirtin ganz allein in der Stube war. Sie aßen
und tranken gutes Mutes, und führten miteinander ein gar gelehrtes
Gespräch, als wenn die Welt schon viele tausend Jahr alt wäre, und noch
ebenso lang stehen würde, und daß in jedem Jahr, an jedem Tag und in
jeder Stunde des Jahr alles wieder so komme und sei, wie es am nämlichen
Tag und in der nämlichen Stunde vor sechstausend Jahren auch gewesen
sei. „Ja", sagte endlich einer zur Wirtin - die mit einer Strickerei
seitwärts am Fenster saß und aufmerksam zuhörte, - „ja, Frau Wirtin, das
müssen wir aus unsern gelehrten Büchern wissen." Und einer war so keck,
und behauptete, er könne sich wieder dunkel erinnern, daß sie vor
sechstausend Jahren schon einmal dagewesen seien, und das hübsche
freundliche Gesicht der Frau Wirtin sei ihm noch wohl bekannt. Das
Gespräch wurde noch lange fortgesetzt, und je mehr die Wirtin alles zu
glauben schien, desto besser ließen sich die jungen Schwenkfelder den
Wein und Braten und manche Bretzel schmecken, bis eine Rechnung von 5fl.
16 kr. auf der Kreide stand. Als sie genug gegessen und getrunken
hatten, rückten sie mit der List heraus, worauf es abgesehen war.
„Frau Wirtin", sagte einer, „es steht diesmal um unsere Batzen nicht
gut, denn es sind der Wirtshäuser zu viele an der Straße. Da wir aber an
Euch eine verständige Frau gefunden haben, so hoffen wir als alte
Freunde hier Kredit zu haben, und wenn's Euch recht ist, so wollen wir
in 6000 Jahren, wenn wir wiederkommen, die alte Zeche samt der neuen
bezahlen." Die verständige Wirtin nahm das nicht übel auf, war's
vollkommen zufrieden, und freute sich, daß die Herren so vorliebgenommen,
stellte sich aber unvermerkt vor die Stubentüre, und bat, die Herren
möchten nur so gut sein, und jetzt einstweilen die 5 fl. 16 kr.
bezahlen, die sie vor 6000 Jahren schuldig geblieben seien, weil doch
alles schon einmal so gewesen sei, wie es wiederkomme. Zum Unglück trat
eben der Vorgesetzte des Ortes mit ein paar braven Männern in die Stube,
um miteinander ein Glas Wein in Ehren zu trinken. Das war den gefangenen
Vögeln gar nicht lieb. Denn jetzt wurde von Amts wegen das Urteil
gefällt und vollzogen: „Es sei aller Ehren wert, wenn man 6000 Jahre
lang geborgt habe. Die Herren sollten also augenblicklich ihre alte
Schuld bezahlen, oder ihre noch ziemlich neue Oberröcke in Versatz
geben." Dies letzte mußte geschehen, und die Wirtin versprach, in 6000
Jahren, wenn sie wiederkommen, und besser als jetzt bei Batzen seien,
ihnen alles, Stück für Stück, wieder zuzustellen.
Dies ist geschehen im
Jahre 1805 am 17. April im Wirtshause zu Segringen.
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