Seinesgleichen (1819)
Ein kunstreicher Instrumentenmacher, aber ein
eingebildeter und unfeiner Mann, hielt sich schon einige Zeit in einem
namhaften Städtlein auf und genoß dann und wann im Löwen abends eine
Flasche Wein, und einen halben Vierling Käs. Eines Abends als sich die
meisten Gäste schon früher denn gewöhnlich verlaufen hatten, und der
Instrumentenmacher oben noch allein saß, rückt zu ihm der bekannte
Zirkelschmied, mit seinem Schoppen Siebenzehner, hinauf. „Euer
Wohlgeboren", sagte er, „redeten da vorhin an Ihre Nachbaren über die
Quadratur des Zirkels. Ich hatte keine Freude zur Sache. Leute
unsersgleichen", sagte er, „können von so etwas wohl unter sich
sprechen, u. einander Gedanken geben. Ich z. Beispiel, wäre Euerer
Meinung nicht gewesen." Der geneigte Leser kennt den Zirkelschmied, daß
er immer auf eine Schelmerei ausgeht. Unter andern macht er sich gern an
Fremde, die etwas gleichsehen, um hernach bei andern mit ihrer
Bekanntschaft großzutun, wie am Ende dieser Erzählung auch geschehen
wird, und die Leute breitzuschlagen, wie man sagt. Der
Instrumentenmacher aber betrachtete ihn mit einem vornehmen verachtenden
Blick, und sagt: „Wenn Ihr bei Leuten Euresgleichen sein wollt, so kommt
nicht zu mir, oder wer seid Ihr?" Der Zirkelschmied des Schimpfes und
der Schande gewöhnt, erwidert: „Sollte Euer Wohlgeboren aus meiner Rede
nicht erkennen, daß zwei Künstler miteinander sprechen." Des erboste
sich der andere noch mehr. „Ihr ein Künstler", fragte er ihn, „ein
Kammacher, oder ein Besenbinder? Wollt Ihr ein Almosen von mir?" Der
Zirkelschmied erwidert: „Herr Christlieb, das beugt mich, weniger wegen
meiner, als wegen der Kunst. Leute unsersgleichen pflegen sich sonst
ebensosehr durch feine Sitten auszuzeichnen, als durch Kenntnisse und
Geschicklichkeit." Da stand der Instrumentenmacher auf: „Sprecht Ihr mir
schon wieder von Euresgleichen", sagt er. „Hör ich's zum drittenmal von
Euch so werf ich Euch den Stuhl an den Kopf", und lupfte ihn bereits ein
wenig in die Höhe. Der Wirt aber, der bisher ruhig am Ofen stand, trat
hervor und sagte: „Jetzt, Zirkelschmied, reist!"
Der Zirkelschmied aber
erbost sich darüber auch, und geht aus dem Löwen ins Rößlein gerad
gegenüber, und „stellt euch vor", sagt er dort zu seinen anwesenden
Bekannten, „was sich der hergelaufene Instrumentenmacher, der Brotdieb
einbildet. Der hochmütige Gesell nimmt's für einen Affrunt auf, daß ich
zweimal zu ihm sagte: ,Leute unsersgleichen', und ich sag's zum
drittenmal, wenn er's hören will, der Flegel der impertinente, der
gemeine Kerl."
Der geneigte Leser lacht ein wenig, daß der Zirkelschmied darauf
beharrt, ein Mann den er für einen Flegel und gemeinen Kerl ausgibt, sei
seinesgleichen.
Lerne erstens am Zirkelschmied: Man muß nie schimpfen, wenn man im Zorn
ist, sonst schimpft und verunehrt man sich selbst.
Lerne zweitens an dem Instrumentenmacher: Man muß sich, wenn man etwas
ist, mit liederlichen Leuten nie in Grobheiten gemein machen, sonst
macht man sich wirklich zu ihresgleichen. Der Zirkelschmidt hatte
insofern recht. |