Das
Mittagessen im Hof
(1805)
Man klagt häufig darüber, wie schwer und unmöglich es sei,
mit manchen Menschen auszukommen. Das mag denn freilich auch wahr sein. Indessen sind viele von solchen
Menschen nicht schlimm, sondern nur wunderlich, und wenn man sie nur
immer recht kennte, inwendig und auswendig, und recht mit ihnen
umzugehen wüsste, nie zu eigensinnig und nie zu nachgebend, so wäre mancher wohl und leicht zu Besinnung zu bringen.
Das ist doch einem Bedienten mit seinem Herrn gelungen. Dem konnte er
manchmal gar nichts recht machen, und musste vieles entgelten, woran er
unschuldig war, wie es oft geht.
So kam
einmal der Herr sehr verdrüßlich nach Hause, und setzte sich zum
Mittagessen. Da war die Suppe zu heiß oder zu kalt, oder keines von
beiden; aber genug, der Herr war verdrüßlich. Er faßte daher die Schüssel
mit dem, was darinnen war, und warf sie durch das offene Fenster in den Hof
hinab. Was tat der Diener? Kurz besonnen warf er das Fleisch, welches
er eben auf den Tisch stellen wollte, mir nichts, dir nichts, der Suppe
nach, auch in den Hof hinab, dann das Brot, dann den Wein, und endlich das Tischtuch mit
allem, was noch darauf war, auch in den Hof hinab. "Verwegener, was soll
das sein?“ fragte der Herr, und fuhr mit drohendem Zorn von dem Sessel
auf. Aber der Bediente erwiderte kalt und ruhig: "Verzeihen sie mir, wenn ich
ihre Meinung nicht erraten habe. Ich glaubte nicht anders, als Sie wollten
heute in dem Hof
speisen. Die Luft ist so heiter, der Himmel so blau, und sehen sie nur, wie
lieblich der Apfelbaum blüht, und wie fröhlich die Bienen ihren Mittag halten.“
- Diesmal die Suppe hinab geworfen, und nimmer!
Der Herr erkannte seinen Fehler, heiterte sich im
Anblick des schönen Frühlingshimmels auf, lächelte heimlich über den
schnellen Einfall seines Aufwärters, und dankte ihm im Herzen für die
gute Lehre. |