Merkwürdige Gespenstergeschichte
(1809)
Verwichenen Herbst fuhr ein fremder Herr durch Schliengen, so ein schöner,
braver Ort ist. Den Berg hinauf aber ging er zu Fuß wegen den Rossen, und
erzählte einem Krenzacher folgende Geschichte, die ihm selber begegnet
ist.
Als der Herr ein halbes Jahr vorher nach Dänemark reiste, kommt er auf den
späten Abend in einen Flecken, wo nicht weit davon auf einer Anhöhe ein
sauberes Schlößlein stand, und will über Nacht bleiben. Der Wirt sagt, er
habe keinen Platz mehr für ihn, es werde morgen einer gerichtet, und seien
schon drei Scharfrichter bei ihm über Nacht. So erwidert der Herr: "Ich
will denn dort in das Schlößlein gehen. Der Zwingherr, oder wem es
angehört, wird mich schon hineinlassen und ein leeres Bett für mich
haben." Der Wirt sagt: "Manch schönes Bett mit seidenen Umhängen, steht
aufgeschlagen in den hohen Gemächern und die Schlüssel hab' ich in
Verwahrung. Aber ich will es Euch nicht raten. Der gnädige Herr ist schon
vor einem Vierteljahr mit seiner Frau und mit dem Junker auf eine weite
Reise gezogen, und seit der Zeit wüten im Schlößlein die Gespenster. Der
Schloßvogt und das Gesinde konnten nimmer bleiben; und wer seitdem in das
Schlößlein gekommen ist, der geht zum zweitenmal nimmer hinein." Darüber
lächelte der fremde Herr; denn er war ein herzhafter Mann, der nichts auf
die Gespenster hielt, und sagt: "Ich will's versuchen." Trotz aller
Widerrede, mußte ihm der Wirt den Schlüssel geben: und nachdem er sich mit
dem Nötigen zu einem Gespensterbesuch versehen hatte, ging er mit dem
Bedienten, so er bei sich hatte, in das Schloß. Im Schloß kleidete er sich
nicht aus, wollte auch nicht schlafen, sondern abwarten was geschieht.
Zu dem Ende stellte er zwei brennende Lichter auf den Tisch, legte ein
Paar geladene Pistolen daneben, nahm zum Zeitvertreib den Rheinländischen
Hausfreund, so in Goldpapier eingebunden an einem roten, seidenen Bändelein unter der Spiegelrahme hing, und beschaute die schönen Bilder.
Lange wollte sich nichts spüren lassen. Aber als die Mitternacht im
Kirchturm sich rührte und die Glocke zwölf schlug, eine Gewitterwolke zog
über das Schloß weg, und die großen Regentropfen schlugen an die Fenster,
da klopfte es dreimal stark an die Türe, und eine fürchterliche Gestalt
mit schwarzen, schielenden Augen, mit einer halbellenlangen Nase,
fletschenden Zähnen und einem Bocksbart, zottig am ganzen Leib, trat in
das Gemach und brummte mit fürchterlicher Stimme: "Ich bin der Großherr Mephistopholes. Willkommen in meinem Palast! und habt Ihr auch Abschied
genommen von Frau und Kind!" Dem fremden Herrn fuhr ein kalter Schauer vom
großen Zehen an über den Rücken hinauf, bis unter die Schlafkappe, und an
den armen Bedienten darf man gar nicht denken. Als aber der Mephistopholes
mit fürchterlichen Grimassen und hochgeschobenen Knieen gegen ihn herkam,
als wenn er über lauter Flammen schreiten müßte, dachte der arme Herr: In
Gottes Namen, jetzt ist's einmal so, und stand herzhaft auf, hielt dem
Ungetüm die Pistole entgegen und sprach: "Halt, oder ich schieß!" Mit so
etwas läßt sonst nicht jedes Gespenst sich schrecken, denn wenn man auch
schießen will, so geht's nicht los, oder die Kugel fährt zurück und trifft
nicht den Geist, sondern den Schütz. Aber Mephistopholes hob drohend den
Zeigfinger in die Höhe, kehrte langsam um und ging mit ebensolchen
Schritten, als er gekommen war, wieder fort. Als aber der Fremde sah, daß
dieser Satan Respekt vor dem Pulver hatte, dachte er: Jetzt ist keine
Gefahr mehr, nahm in die andere Hand ein Licht und ging dem Gespenst, das
langsam einen Gang hinabschritt, ebenso langsam nach, und der Bediente
sprang, so schnell er konnte, hinter ihm zum Tempel hinaus und ins Ort,
dachte, er wolle lieber bei den Scharfrichtern über Nacht sein, als bei
den Geistern. ‑ Aber auf dem Gang auf einmal verschwindet der Geist vor
den Augen seines kühnen Verfolgers und war nicht anderst, als wär er in
den Boden gesunken. Als aber der Herr noch ein paar Schritte weiter gehen
wollte, um zu sehen, wo er hingekommen, hörte auf einmal unter seinen
Füßen der Boden auf und er fiel durch ein Loch hinab, aus welchem ihm
Feuerglast entgegenkam, und er glaubte selber, jetzt geh' es an einen
andern Ort. Als er aber ungefähr zehen Fuß tief gefallen war, lag er zwar
unbeschädigt auf einem Haufen Heu, in einem unterirdischen Gewölb. Aber
sechs kuriose Gesellen standen um ein Feuer herum, und der Mephistopholes
war auch da. Allerlei wunderbares Geräte lag umher und zwei Tische lagen
gehauft voll funkelnder Rößleinstaler, einer schöner als der andere. Da
merkte der Fremde, wie er daran war. Denn das war eine heimliche
Gesellschaft von Falschmünzern, so alle Fleisch und Bein hatten. Diese
benutzten die Abwesenheit des Zwingherrn, legten in seinem Schloß ihre
verborgenen Münzstöcke an und waren vermutlich von seinen eigenen Leuten
dabei, die im Haus Bericht und Gelegenheit wußten; und damit sie ihr
heimlich Wesen ungestört und unbeschrieen treiben konnten, fingen sie den
Gespensterlärmen an, und wer in das Haus kam, wurde so in Schrecken
gesetzt, daß er zum zweitenmal nimmer kam. Aber jetzt fand der verwegene
Reisende erst Ursache, seine Unvorsichtigkeit zu bereuen und, daß er den
Vorstellungen des Wirts im Dorf kein Gehör gegeben hatte. Denn er wurde
durch ein enges Loch hinein in ein anderes finsteres Gehalt geschoben und
hörte wohl, wie sie Kriegsrecht über ihn hielten und sagten: "Es wird das
beste sein, wenn wir ihn umbringen und danach verlochen." Aber einer sagte
noch: "Wir müssen ihn zuerst verhören, wer er ist, und wie er heißt, und
wo er sich herschreibt." Als sie aber hörten, daß er ein vornehmer Herr
sei und nach Kopenhagen zum König reise, sahen sie einander mit großen
Augen an; und nachdem er wieder in dem finstern Gewölb war, sagten sie:
"Jetzt steht die Sache schlimm. Denn wenn er vermißt wird, und es kommt
durch den Wirt heraus, daß er ins Schloß gegangen ist, und
ist nimmer
herausgekommen, so kommen über Nacht die Husaren, heben uns aus, und der
Hanf ist dies Jahr wohl geraten, daß ein Strick zum Henken nicht viel
kostet." Also kündigten sie dem Gefangenen Pardon an, wenn er ihnen einen
Eid ablegte, daß er nichts verraten wolle, und drohten, daß sie in
Kopenhagen wollten auf ihn Achtung geben lassen; und er mußte ihnen auf
den Eid hin sagen, wo er wohne. Er sagte:
"Neben dem
wilden Mann linker Hand in dem großen Haus mit grünen Läden."
Darnach schenkten sie ihm Burgunderwein ein zum Morgentrunk, und er
schaute ihnen zu, wie sie Rößleintaler prägten bis an den Morgen. Als aber
der Tag durch die Kellerlöcher hinabschien, und auf der Straße die Geißeln
knallten, und der Kühhirt hürnte, nahm der Fremde Abschied von den
nächtlichen Gesellen, bedankte sich für die gute Bewirtung, und ging mit
frohem Mute wieder in das Wirtshaus, ohne daran zu denken, daß er seine
Uhr und seine Tabakspfeife, und die Pistolen habe liegen lassen. Der Wirt
sagte:
"Gottlob, daß
ich Euch wiedersehe, ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können. Wie
ist es Euch gegangen?"
Aber der Reisende dachte: Ein Eid ist ein Eid, und um sein Leben zu
retten, muß man den Namen Gottes nicht mißbrauchen, wenn man's nicht
halten will. Deswegen sagte er nichts, und weil jetzt das Glöcklein
läutete, und der arme Sünder hinausgeführt wurde, so lief alles fort. Auch
in Kopenhagen hielt er nachher reinen Mund, und dachte selber fast nicht
mehr daran. Aber nach einigen Wochen kam ab der Post ein Kistlein an ihn,
und waren darin ein Paar neue, mit Silber
eingelegte Pistolen von großem Wert, eine neue goldene Uhr mit kostbaren
Demantsteinen besetzt, eine türkische Tabakspfeife, mit einer goldenen
Kette daran, und eine seidene, mit Gold bestickte Tabaksblase, und ein
Brieflein drin. In dem Brieflein stand: "Dies schicken wir Euch für den
Schrecken, so Ihr bei uns ausgestanden, und zum Dank für Euere
Verschwiegenheit. Jetzt ist alles vorbei, und Ihr dürft es erzählen, wem
Ihr wollt." Deswegen hat's der Herr dem Krenzacher erzählt, und das war
die nämliche Uhr, die er oben auf dem Berg herauszog, als es in Hertingen
Mittag läutete, und schaute, ob die Hertinger Uhr recht geht, und sind ihm
hernach im Storken zu Basel von einem französischen General 75 neue
Dublonen darauf geboten worden. Aber er hat sie nicht drum geben.
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