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Der listige Kaufherr   (1811)
 
Der Adjunkt, der dieses schreibt, hat allemal eine große Freude, wenn er auch ein Geschichtlein einmauren kann in den Kalender. Denn was er in gelehrte Bücher hineinstiftet, lesen nicht viel Leute, am wenigsten die Gelehrten selber. Der Hausfreund aber hat nach den neuesten Zählungen 700000 Leser, ohne die, welche umsonst zuhören. Diesmal aber freut er sich insbesondere zu erzählen, wie einmal ein großer Spitzbube auch hinter das Licht geführt worden ist; denn die Wölfe beißen bisweilen auch ein gescheites Hündlein, sagt Doktor Luther.
 
Ein französischer Kaufherr segelte mit einem Schiff voll großen Reichtums aus der Levante heim, aus dem Morgenland, wo unser Glaube, unsere Fruchtbäume und unser Blut daheim ist, und dachte schon mit Freuden daran, wie er jetzt bald ein eigenes Schlößlein am Meer bauen, und ruhig leben und alle Abend dreierlei Fische zu Nacht speisen wolle. Paff, geschah ein Schuß. Ein algierisches Raubschiff war in der Nähe, wollte uns gefangennehmen, und geradenwegs nach Algier führen in die Sklaverei. Denn hat man zwischen Wasser und Himmel gute Gelegenheit, Luftschlösser zu bauen, so hat man auch gute Gelegenheit, zu stehlen. So denken die algierschen Seeräuber auch. Hat das Wasser keine Balken, so hat's auch keine Galgen. Zum Glück hatte der Kaufherr einen Ragusaner auf dem Schiff, der schon einmal in der algierschen Gefangenschaft gewesen war, und ihre Sprache und ihre Prügel aus dem Fundament verstand. Zu dem sagte der Kaufherr: „Nicolo, hast du Lust noch einmal algierisch zu werden? Folge mir, was ich dir sage, so kannst du dich erretten und uns." Also verbargen wir uns alle im Schiff, daß kein Mensch zu sehen war, nur der Ragusaner stellte sich oben auf das Verdeck. Als nun die Seeräuber mit ihren blinkenden Säbeln schon nahe waren, und riefen, die Christenhunde sollten sich ergeben, fing der Ragusaner mit kläglicher Stimme auf algierisch an: „Tschamiana", fing er an, „tschamiana halakna bilabai monaschid ana billah onzorun min almaut. Wir sind alle an der Pest gestorben bis auf die Kranken die noch auf ihr Ende warten, und ein deutscher Adjunkt und ich. Um Gottes willen rettet mich." Dem Algierer Seekapitän, als er hörte, daß er so nah an einem Schiff voll Pest sei, kam's grün und gelb vor die Augen. In der größten Geschwindigkeit hielt er das Schnupftuch vor die Nase, hatte aber keins, sondern den Ärmel; und lenkte sein Schiff hinter den Wind. „Lajonzork" sagte er, „Allahorraman arrahim atabarra laka it schanat chall. Gott helfe dir der Gnädige und Barmherzige! Aber geh zum Henker mit deiner Pest! Ich will dir eine Flasche voll Kräuteressig reichen." Drauf
lies er ihm eine Flasche voll Kräuteressig reichen an einer langen Stange, und segelte so schnell als möglich linksum. Also kamen wir glücklich aus der Gefahr, und der Kaufherr baute hernach in der Gegend von Marseille das Schlößlein, und stellte den Ragusaner als Haushofmeister an
auf lebenslang.

 
 
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