Grossherzogliches, Hochpreisliches Ministerium!
Mit ehrerbietiger Bereitwilligkeit jeder Aufgabe des
hohen Ministeriums nach Vermögen Folge zu leisten und der Zufriedenheit
desselben würdig zu erscheinen, wage ich es jedoch, in Ansehung des
Kalendermanuscriptes zum Besten der Sache geziemend vorzustellen, dass
die Fertigstellung desselben für jedes künftige Jahr schon im Anfang
jedes laufenden an sich nicht zweckmässig und zuträglich, aber auch
durch Umstände, soweit ich zu sehen vermag, nicht nöthig seyn dürfte.
Der Kalender als Lesebuch für das Volk muss dem
Herkommen und den Forderungen seines Publikums gemäss für den gemeinen
Mann, der in seiner Art ebenso neugierig als der Gebildete ist, ein
Stellvertreter der Zeitungen und Zeitschriften für das vorhergegangene
Jahr seyn, das heisst, er muss die Haupt-Staatsbegebenheiten, wenn
solche vorfielen, und etwas von respektabeln Waldbränden, Mordthaten,
Hinrichtungen, Naturerscheinungen etc. wenigstens als Lockspeise aus den
Zeitungen, und schöne Handlungen, zweckmässige kleine Erzählungen, neue
Entdeckungen, Anekdoten etc. aus andern Zeitschriften vor sein Publikum
bringen, wie solches in den hiesigen Kalendern geschehen ist. Aus diesem
Grund muss von der Erscheinung des letzten Jahrganges an bis an die
Erscheinung des nächsten neuen hin, selbst noch während an den ersten
Bogen gedruckt wird, Zweckmässiges als Stoff gesammelt und aufgenommen
werden, so zwar, dass zur Beschäftigung der Offizin immer etwas
vorräthig sey. Andern Falls, und wenn das Manuscript des Kalenders schon
im Anfang des vorangehenden Jahres gefertigt wird, entgeht ihm alles,
was noch im Laufe desselben die Zeit bringt, für das nächste Jahr
gewiss, und dann für immer, weil alsdann diese Notizen in allen andern
Kalendern, die nicht im Anfang des Jahres schon ihr Manuscript
schliessen, und doch zu guter Zeit herauskommen, schon gegeben sind,
und es bliebe dem diesseitigen Kalender, wenn er nicht alles zu seinem
Nachtheil ein Jahr später bringen wollte, nichts mehr übrig, als
belehrende Aufsätze und alte Anekdoten, die mehrere Jahrzehnte hindurch
das Unglück des Baden=Durlachischen Landkalenders gemacht haben.
Die gerechte Zeit für die neue Erscheinung der neuen
Kalender ist der Monat August. Dass es nicht nöthig sey, für vier Bogen
Text das Manuscript sieben Monate vorher vollendet zu liefern, erhellet
von selbst. Alle Herausgeber von Kalendern drucken ohne Zweifel zuerst
die Monatsblätter, die wegen mancherlei Zeichen und zweierlei Farben bei
weitem den grössten Theil der Druckzeit wegnehmen, und setzen sich
dadurch in den Stand, das Neueste der Zeit in Geschichte und Genealogie
bis nahe an die Herausgabe hin einzubringen, und nichts scheint den
Drucker des diesseitigen Kalenders zu hindern, dass er das nämliche thue.
Auch ist durch meine Schuld noch nie der Kalender aufgehalten worden.
Immer war ein beträchtlicher Vorrath von Materialien vorhanden, wann der
Druck beginnen wollte, immer Nachschuss, wenn jener nicht zureichte, und
fast alle Jahre, namentlich in diesem, noch Ueberschuss am Ende.
Aus diesen Gründen scheint es mir, dass die
allzuvoreilende Fertigung des Kalenders unräthlich sey, weil derselbe
nichts durch sie gewinnen, aber viel verlieren könnte.
Indem ich jedoch höherer Bemessung diese Ansichten
geziemend unterwerfe, sey es mir geneigtest vergönnt, noch eine andere
Seite dieses Gegenstandes in den Gesichtspunkt zu rücken, und meine
Bitte darüber ehrfurchtsvoll darzulegen. Es war zu seiner Zeit eine
schöne Idee, die mich zur Bearbeitung des Kalenders des rheinischen
Hausfreundes begeisterte; denselben zur Ehre und Vortheil seines Verlags
in seinem eigenthümlichen Marktbezirk, wo er früher nur mit Abneigung
aufgenommen, auch wohl durch den Hatschier aufgedrungen wurde, zur
willkommenen wohlthätigen Erscheinung und wo möglich zum vorzüglichsten
Kalender in ganz Deutschland und zum Siegenden in jeder möglichen
Concurrenz zu machen. Dass dieser Gedanke keine Schimaire war, bewiess
der einseitige Erfolg, dass er in kurzer Zeit in ganz Deutschland eine
seltene Aufmerksamkeit rege gemacht hat. Er wird, zwar nur in einzelnen
Exemplaren, in alle Provinzen des deutschen Sprachgebietes auf
Bestellung selbst von den ersten und berühmtesten Männern der Nationen
versendet. Er wird selbst in gelehrten Zeitungen (Halli. Zeitung 1811,
N. 43) vorteilhaft beurtheilt und angepriesen. Aufsätze aus ihm werden
in den gelesensten Zeitschriften (Morgenblatt, Freimüthige, Süddeutsche
Miszellen, Iris) dem höher gebildeten Publikum vorgelegt. Ausländische
Kalender schreiben ihn ab und aus, und eine der berühmtesten
Buchhandlungen hat noch eine Speculation darin gefunden, die Aufsätze
der vier ersten Jahrgänge in einer eigenen Sammlung auf die Messen zu
bringen. Jedermann scheint in ihm einigen Werth zu finden, und benutzt
die gute Meynung, die ihm geworden ist, zu seinem Vortheil, nur der
eigene Verlag nicht. Denn so sehr alles eben Angeführte Thatsache ist,
eben so sehr spricht der Kalender das Zeugniss aus, dass fortwährend
fast alles geschieht, und alles unterlassen wird, was planmässig
geschehen und unterlassen werden müsste, wenn man die Absicht hätte ihn
bei dem Publikum, dem er geeignet ist, in seinem alten Unwerth zu
erhalten, und seinen Markt auf allen Seiten zu beschränken.
Noch ist er in Ansehung seines Aeussern einer der
schlechtesten Kalender, die eine deutsche Presse verlassen, unwürdig
seines Inhalts, unwürdig seines Publikums, wenn das Publikum Achtung
verdient, unwürdig seines Verlages. Noch vermag er, wenn man alle
Fordernisse eines guten Kalenders zusammen nimmt, wovon das Materiale
der Leseartikel nur ein Theil ist, mit den hinkenden Botten von Rastatt
und Lahr keine Concurrenz und keine Vergleichung zu bestehen. Ganze
Distrikte des lutherischen Innlandes, die ihn früher in zahlreichen
Bestellungen angenommen hatten, sind wieder abgegangen und zu dem
Rastatter Kalender zurückgekehrt. Man versteht nicht, wie es scheint,
ihn zu verbreiten. Man bemüht sich nicht einmal, seine jedesmalige
Erscheinung und seinen Inhalt, wie es bei allen andern geschieht, in
einem innländischen Blatt anzuzeigen.
Wie Plan- und Achtungslos die wichtigsten Gegenstände
behandelt werden, zeigt sich zur allgemeinen Befremdung und Indignation,
wenn in dem Kalender für 1812, der am Ende des Oktober 1811 erst
ausgegeben ward, der höchstselige Grossherzog 120 Tage nach seinem
betrauerten Hintritt als noch lebender Regent und der jetzt regierende
Durchlauchtigste Grossherzog noch als Thronerbe aufgeführt, und von der
allgemein gefeyerten erfreulichen Begebenheit des 5. Juni keine Notiz
genommen wird, und diess in dem ersten und autorisirtesten Kalender des
Grossherzogthums, der im Verlag des Lyceums der Residenz herauskommt,
und in Stuttgart, in München, in Weimar, in Königsberg gelesen wird.
Alle diese Gebrechen werden durch eine frühere
Beendigung des Manuscriptes nicht geheilt.
Doch die erste Quelle dieses Unheils aufzusuchen, steht
nicht in meiner Hand, sie anzugeben nicht in meinem Beruff, sie zu
verschliessen weder in dem Einen noch in dem Ändern. Vielmehr gehe ich
um der Sache selbst, und als Arbeiter an dem Kalender um meiner eigenen
Ehre willen ein hohes Ministerium dringend und ehrfurchtsvoll an, falls
Hochdasselbe nicht, wie ich wünsche, mich von der fernem Theilnehmung
an diesem Geschäft geneigtest dispenciren wollte, auf die Ursachen
dieser ungünstigen und nachtheiligen Erscheinung seine hohe
Aufmerksamkeit zu wenden, und ebenso wohlthätig als nachdrücklich zu
bewirken, dass den gerechten Ansprüchen des Publikums an den Kalender
entsprochen werde und derselbe in Zukunft mit Ehre vor ihn und vor dem
Ausland, das von ihm Notiz nimmt, erscheinen könne.