Schreiben an das Innenministerium   (17. 9. 1811)
 

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Grossherzogliches, Hochpreisliches Ministerium!

Mit ehrerbietiger Bereitwilligkeit jeder Aufgabe des hohen Ministeriums nach Vermögen Folge zu leisten und der Zufriedenheit desselben würdig zu erscheinen, wage ich es jedoch, in Ansehung des Kalendermanuscriptes zum Besten der Sache geziemend vorzustellen, dass die Fertigstellung desselben für jedes künftige Jahr schon im Anfang jedes laufenden an sich nicht zweckmässig und zuträglich, aber auch durch Umstände, soweit ich zu sehen vermag, nicht nöthig seyn dürfte.

Der Kalender als Lesebuch für das Volk muss dem Herkommen und den Forderungen seines Publikums gemäss für den gemeinen Mann, der in seiner Art ebenso neugierig als der Gebildete ist, ein Stellvertreter der Zeitungen und Zeitschriften für das vorhergegangene Jahr seyn, das heisst, er muss die Haupt-Staatsbegebenheiten, wenn solche vorfielen, und etwas von respektabeln Waldbränden, Mordthaten, Hinrichtungen, Naturerscheinungen etc. wenigstens als Lockspeise aus den Zeitungen, und schöne Handlungen, zweckmässige kleine Erzählungen, neue Entdeckungen, Anekdoten etc. aus andern Zeitschriften vor sein Publikum bringen, wie solches in den hiesigen Kalendern geschehen ist. Aus diesem Grund muss von der Erscheinung des letzten Jahrganges an bis an die Erscheinung des nächsten neuen hin, selbst noch während an den ersten Bogen gedruckt wird, Zweckmässiges als Stoff gesammelt und aufgenommen werden, so zwar, dass zur Beschäftigung der Offizin immer etwas vorräthig sey. Andern Falls, und wenn das Manuscript des Kalenders schon im Anfang des vorangehenden Jahres gefertigt wird, entgeht ihm alles, was noch im Laufe desselben die Zeit bringt, für das nächste Jahr gewiss, und dann für immer, weil alsdann diese Notizen in allen andern Kalendern, die nicht im Anfang des Jahres schon ihr Manuscript schliessen, und doch zu guter Zeit herauskommen, schon gegeben sind, und es bliebe dem diesseitigen Kalender, wenn er nicht alles zu seinem Nachtheil ein Jahr später bringen wollte, nichts mehr übrig, als belehrende Aufsätze und alte Anekdoten, die mehrere Jahrzehnte hindurch das Unglück des Baden=Durlachischen Landkalenders gemacht haben.

Die gerechte Zeit für die neue Erscheinung der neuen Kalender ist der Monat August. Dass es nicht nöthig sey, für vier Bogen Text das Manuscript sieben Monate vorher vollendet zu liefern, erhellet von selbst. Alle Herausgeber von Kalendern drucken ohne Zweifel zuerst die Monatsblätter, die wegen mancherlei Zeichen und zweierlei Farben bei weitem den grössten Theil der Druckzeit wegnehmen, und setzen sich dadurch in den Stand, das Neueste der Zeit in Geschichte und Genealogie bis nahe an die Herausgabe hin einzubringen, und nichts scheint den Drucker des diesseitigen Kalenders zu hindern, dass er das nämliche thue. Auch ist durch meine Schuld noch nie der Kalender aufgehalten worden. Immer war ein beträchtlicher Vorrath von Materialien vorhanden, wann der Druck beginnen wollte, immer Nachschuss, wenn jener nicht zureichte, und fast alle Jahre, namentlich in diesem, noch Ueberschuss am Ende.

Aus diesen Gründen scheint es mir, dass die allzuvoreilende Fertigung des Kalenders unräthlich sey, weil derselbe nichts durch sie gewinnen, aber viel verlieren könnte.

Indem ich jedoch höherer Bemessung diese Ansichten geziemend unterwerfe, sey es mir geneigtest vergönnt, noch eine andere Seite dieses Gegenstandes in den Gesichtspunkt zu rücken, und meine Bitte darüber ehrfurchtsvoll darzulegen. Es war zu seiner Zeit eine schöne Idee, die mich zur Bearbeitung des Kalenders des rheinischen Hausfreundes begeisterte; denselben zur Ehre und Vortheil seines Verlags in seinem eigenthümlichen Marktbezirk, wo er früher nur mit Abneigung aufgenommen, auch wohl durch den Hatschier aufgedrungen wurde, zur willkommenen wohlthätigen Erscheinung und wo möglich zum vorzüglichsten Kalender in ganz Deutschland und zum Siegenden in jeder möglichen Concurrenz zu machen. Dass dieser Gedanke keine Schimaire war, bewiess der einseitige Erfolg, dass er in kurzer Zeit in ganz Deutschland eine seltene Aufmerksamkeit rege gemacht hat. Er wird, zwar nur in einzelnen Exemplaren, in alle Provinzen des deutschen Sprachgebietes auf Bestellung selbst von den ersten und berühmtesten Männern der Nationen versendet. Er wird selbst in gelehrten Zeitungen (Halli. Zeitung 1811, N. 43) vorteilhaft beurtheilt und angepriesen. Aufsätze aus ihm werden in den gelesensten Zeitschriften (Morgenblatt, Freimüthige, Süddeutsche Miszellen, Iris) dem höher gebildeten Publikum vorgelegt. Ausländische Kalender schreiben ihn ab und aus, und eine der berühmtesten Buchhandlungen hat noch eine Speculation darin gefunden, die Aufsätze der vier ersten Jahrgänge in einer eigenen Sammlung auf die Messen zu bringen. Jedermann scheint in ihm einigen Werth zu finden, und benutzt die gute Meynung, die ihm geworden ist, zu seinem Vortheil, nur der eigene Verlag nicht. Denn so sehr alles eben Angeführte Thatsache ist, eben so sehr spricht der Kalender das Zeugniss aus, dass fortwährend fast alles geschieht, und alles unterlassen wird, was planmässig geschehen und unterlassen werden müsste, wenn man die Absicht hätte ihn bei dem Publikum, dem er geeignet ist, in seinem alten Unwerth zu erhalten, und seinen Markt auf allen Seiten zu beschränken.

Noch ist er in Ansehung seines Aeussern einer der schlechtesten Kalender, die eine deutsche Presse verlassen, unwürdig seines Inhalts, unwürdig seines Publikums, wenn das Publikum Achtung verdient, unwürdig seines Verlages. Noch vermag er, wenn man alle Fordernisse eines guten Kalenders zusammen nimmt, wovon das Materiale der Leseartikel nur ein Theil ist, mit den hinkenden Botten von Rastatt und Lahr keine Concurrenz und keine Vergleichung zu bestehen. Ganze Distrikte des lutherischen Innlandes, die ihn früher in zahlreichen Bestellungen angenommen hatten, sind wieder abgegangen und zu dem Rastatter Kalender zurückgekehrt. Man versteht nicht, wie es scheint, ihn zu verbreiten. Man bemüht sich nicht einmal, seine jedesmalige Erscheinung und seinen Inhalt, wie es bei allen andern geschieht, in einem innländischen Blatt anzuzeigen.

Wie Plan- und Achtungslos die wichtigsten Gegenstände behandelt werden, zeigt sich zur allgemeinen Befremdung und Indignation, wenn in dem Kalender für 1812, der am Ende des Oktober 1811 erst ausgegeben ward, der höchstselige Grossherzog 120 Tage nach seinem betrauerten Hintritt als noch lebender Regent und der jetzt regierende Durchlauchtigste Grossherzog noch als Thronerbe aufgeführt, und von der allgemein gefeyerten erfreulichen Begebenheit des 5. Juni keine Notiz genommen wird, und diess in dem ersten und autorisirtesten Kalender des Grossherzogthums, der im Verlag des Lyceums der Residenz herauskommt, und in Stuttgart, in München, in Weimar, in Königsberg gelesen wird.

Alle diese Gebrechen werden durch eine frühere Beendigung des Manuscriptes nicht geheilt.

Doch die erste Quelle dieses Unheils aufzusuchen, steht nicht in meiner Hand, sie anzugeben nicht in meinem Beruff, sie zu verschliessen weder in dem Einen noch in dem Ändern. Vielmehr gehe ich um der Sache selbst, und als Arbeiter an dem Kalender um meiner eigenen Ehre willen ein hohes Ministerium dringend und ehrfurchtsvoll an, falls Hochdasselbe nicht, wie ich wünsche, mich von der fernem Theilnehmung an diesem Geschäft geneigtest dispenciren wollte, auf die Ursachen dieser ungünstigen und nachtheiligen Erscheinung seine hohe Aufmerksamkeit zu wenden, und ebenso wohlthätig als nachdrücklich zu bewirken, dass den gerechten Ansprüchen des Publikums an den Kalender entsprochen werde und derselbe in Zukunft mit Ehre vor ihn und vor dem Ausland, das von ihm Notiz nimmt, erscheinen könne.

 

 

 
 
 

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