Meine weitern Gedanken über eine vorteilhaftere Einrichtung
 des Calenders
  (17. 6. 1806)
 

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Zufolge einem Verehrlichen Auftrag lege ich zu meinem Gutachten vom 18. Februar d. J. über eine vorteilhaftere Einrichtung des Calenders meine durch des Herrn Kammerrath Jägerschmids Bemerkungen veranlassten weitern Gedanken einer hohem Prüfung in Bescheidenheit vor.

Meine Wünsche und Vorschläge in dem Gutachten giengen zwar einzig dahin, dass unser Calender zuerst und vorzüglich, dem Publikum, für welches er bestimmt ist, angenehmer und interessanter gemacht, und dadurch eine willigere, folglich reichere und für den Fond erspriesslichere Abnahme erzielt werden möchte, zweitens und nebenbey, dass derselbe auch ausser seinem Zwang-Bezirk, in und ausser dem Curstaat Beyfall finden, und mit den dort eingeführten Calendern ebenso in Concurrenz kommen möchte, wie iene ausländischen innerhalb seines Zwangbezirkes mit ihm, da der Verlagsfond durch die blos passive Concurrenz im Land den sichtbaren Nachtheil hat, wenn derselbe nicht auch durch einen aktiven im Ausland wieder ersetzt werden kann.

Meine Voraussetzung, dass diese beiden Zwecke bis iezt noch in das lange Register frommer Wünsche gehören möchten, gründete sich theils auf die bey Eröffnung der Jetzigen Calendercommission von dem damaligen preiswürdigen Direktorio mündlich gegebene (vielleicht auch in die Akten aufgenommene) Aeusserung, dass der Calender in der Concurrenz mit so vielen fremden von Jahr zu Jahr weniger Beyfall und zu merklichem Nachtheil des Fonds geringern Absatz finde, theils auf die Besorgniss, dass die neuern Jahrgänge des Calenders seit iener Zeit dem Uebel noch nicht abgeholfen, vielmehr in einigen Hinsichten dasselbe vermehrt haben möchten, wenn nicht Erfahrungen für das Gegentheil bewiesen.

Aus den Bemerkungen des Herrn Kammerrath Jägerschmid hingegen scheint zu erhellen, dass entweder iene eine Zeit lang verspürte Abneigung für den Landescalender und Vorliebe für ausländische nur zufällig veranlasst, folglich auch vorübergehend war, oder dass die neuern Veränderungen in dem Calender oder der Inhalt und Ton unserer Aufsätze dem mehriährigen Missvergnügen des Volks wirklich abgeholfen haben, - indem bemeldte auf Erfahrung gestützte Bemerkungen deutlich aussprechen, 1) dass in den Oberlanden der Landeskalender überall willig angenommen werde, und nur neben diesem die in Basel herauskommenden gehalten werden. 2) dass nach zweckmässigen Vorkehrungen seit 1798 auch im Unterland ein stärkerer Absatz erzielt werde, und 3) blos durch Missverstand einer Verordnung vom 21. Merz 1805 fremde Calender daselbst wieder einen stärkeren Absatz gefunden haben.

Unter diesen befriedigenden Umständen, und da man ohne Noth auf keinen Gewinn durch Calenderhandel im Ausland wird spekuliren wollen, scheinen die Vorschläge meines Gutachtens vom 18. Februar grossentheils ganz überflüssig, und kein dringender Grund vorhanden zu seyn, von der Zeit und Kosten ersparenden Einrichtung des Calenders, wie er dermalen aussieht, abzuweichen.

Aber es ist eine erfreuliche Arbeit, etwas beizutragen, dass auch das Gute noch besser, und das Gefällige noch gefälliger, und wo möglich das Einträgliche noch einträglicher werde, und der in den Bemerkungen etc. enthaltene und mit den Vorschlägen und Wünschen des Gutachtens vom 18. Februar dem ersten Anschein nach ganz übereinstimmende Rath neben einem ganz wohlfeilen Calender für 3 Kreuzer allenfalls die Ausgabe eines historischen mit Aushängschild und Holzschnitten gezierten a 8 Kreuzer zu versuchen, wäre für diese Absicht eine willkommene Erscheinung, wenn nicht derselbe durch manche umsichtige und von Erfahrungen abgeleitete Besorgniss wieder eingeschränkt würde, nach welchen ein Theil der zur Sprache gebrachten Vorschläge nicht nöthig, ein anderer und das Ganze in verschiedener Rücksicht nicht rathsam und die Gleichstellung unseres Calenders mit dem hinkenden Botten an Fülle und Ausstattung zu gleichem Preis nicht einmal ausführbar zu seyn scheint.

1.) Nicht nöthig wird allerdings die Widereinführung des Rothen, des übrigen alten Calenderscherwenzels, und die Rücksicht auf manche andere empfehlende Eigenschaft des Calenders, wenn bey der allmähligen Veränderung desselben bis zu seiner ietzigen Gestalt das Schweigen des Volks (falls alles schweigt, was man hier nicht hört) und die willige Annahme als tröstlicher Beweis kann angesehen werden, die Ansichten des Volks seyen über diese Gegenstände in neuern Zeiten wirklich vernünftiger geworden. Allein dies scheint doch nicht so entschieden, dass nicht noch an die Möglichkeit gedacht werden könnte, iene scheinbare Zufriedenheit sey nur ungünstige Gleichgültigkeit gegen den Calender und lange Gewohnheit, ihn alle Jahre verändert, wenn auch nicht immer vervollkommnet zu erhalten. Mir wenigstens scheint aus allen Erfahrungen nur soviel zu erhellen, dass das Volk den Calender, den es haben muss, — schwarz etc. auch annimmt, wenn es ihn roth etc. nicht haben kann. Aber wenn einmal der nemliche Calender in zweierley Ausgabe mit und ohne Roth ausgelegt würde, so ist nicht wohl zu zweifeln, dass fast jeder Käufer auf dem Lande zuerst nach dem rothen greifen würde, nicht blos aus der kindischen Freude an der Farbe, sondern aus einem bessern Grund. Seinem Auge, mit dem er nicht so leicht, wie geübte Leser, eine ganze Seite mit einem Blick überschauen, und was er suchte, aufhaschen kann, erleichtert das Rothe, wenn es zweckmässig angebracht und vertheilt wird, die schnelle Uebersicht seiner Monatstafel, und das augenblickliche Finden der Gegenstände, nach denen er am öftesten sucht.

Ebenso, wenn der nemliche Calender, oder die heilige Genoveva mit bemerkbar besserm Papir und Druck, und mit geringerm zum nemlichen Preis ausgeboten würde, ist wieder nicht zu zweifeln, dass alle Käufer ohne Ausnahme das Bessere wählen wurden. Endlich wenn wieder der nemliche in zwey Ausgaben mit und ohne Aspekten, Nativitäten etc. vorgelegt würde, ist abermal nicht zu zweifeln, dass bey weitem der gröste, nemlich der minder und gar nicht aufgeklärte Theil des Volks eine entschiedene Vorliebe für den ersten verrathen würde. Sind aber diese Voraussetzungen richtig, so ist zu fürchten, dass gegen so manchen Calender, der alle diese und mehrere Wünsche und kleinen Freuden des Volks nach Verhältniss seines Preises möglichst erfüllt, der Landkalender, der sie ihm bis iezt nach Grundsatz und Plan fast alle versagt, in einigem Unwerth stehen müsse, und die in den Bemerkungen etc. mitgetheilte auffallende Erfahrung, dass mit Ausschluss des Amtes Stein im ganzen Lande der Calender nirgends eher verlangt und angenommen wird, als bis man ihn haben muss, während die ausländischen hie und da begierig gekauft werden, sobald man sie haben kann, ist sie nicht ein lauter und unwidersprechlicher Beweis von einer allgemeinen Gleichgültigkeit gegen den Kalender und eine dringende Aufforderung, wenn es irgend eine gibt, auf eine baldige zweckmässige Reform desselben bedacht zu seyn?

Wenn übrigens die ganze disiährige Auflage des Calenders nicht nur an Güte des Papirs, sondern auch an Schwärze und Reinheit des Druckes dem eingeschickten Probebogen gleicht, wie zu glauben ist, und die künftigen ihm nach Umständen ohngefähr gleichen werden, wie zu hoffen ist, so ist in dieser Hinsicht nicht mehr zu wünschen übrig. Aber

2.) nicht einmal rathsam scheint eine vorgeschlagene Bereicherung des Calenders in merkantilisch-ökonomischer Hinsicht nach den misslungenen altern Versuchen Macklots und Müllers und dem neuesten von Sprinzing. Sollten aber die fehlgeschlagenen Hofnungen dieser zwar sachkundigen Männer näher betrachtet, hinreichend seyn, Muth und Hofnung nieder zu schlagen?

Macklots Versuch den Calender durch weisseres Papir verkäuflicher zu machen, ist offenbar zu partiell und eingeschränkt, und beweist nichts gegen die Hofnung den nemlichen Zweck durch eine Totalreform zu erreichen. Müller hat wahrscheinlich zu viel gethan, als er einen Calender ausgab, der nicht unter 12 Kreuzern konnte erlassen werden. Alles Ding hat Mass. Ausserdem war die Geographie und Geschichte des Nordamerikanischen Freystaates, die ihn grösstentheils ausfüllte, für ein aller übrigen Geschichte und Geographie unkundiges Publikum übel gewählt. Das Volk will Kürze und Mannigfaltigkeit der Aufsätze, und die Erzählungen müssen ihr eigenthümliches Interesse in sich haben, bey dem dem Leser alles übrige, was er von der Person, oder dem Ort nicht weiss, ganz gleichgültig sein kann. Sprinzings zwey Erfahrungen, wenn ihm von seiner ersten ganz schwarzen Ausgabe 6000 Stück, aber auch von der nächsten rothen wieder eben so viel liegen bleiben, heben einander auf. Man muss vermuthen, dass irgend eine andere Ursache, mit welcher die Farben in keinem Zusammenhang stehen, im Spiele war, und es folgt aus dem Faktum gerade so viel, als in den Bemerkungen zunächst daraus geschlossen wird, dass man sich irren würde, wenn man glaubte, dass die rothe Farbe (allein und unter allen Umständen) den Calender verkäuflich mache.

Ueberhaupt ist bei allen Versuchen dieser Art nicht zu vergessen, dass die Erfahrungen des ersten, auch vielleicht noch des zweiten und selbst des dritten Jahres nicht entscheiden. Auch der beste Calender, wenn nicht zu seiner schnellen Verbreitung besondere Wege eingeschlagen werden, wird im ersten Jahr, und biss er durch sich selbst Bekanntschaft und Credit erworben hat, noch keinen reissenden Abgang finden, da einerseits es für solche Schriften und ihre Leser keine allgemeinen Literaturzeitungen gibt, anderseits der Calender selbst seiner Natur nach nur wenige Monate lang verkäuflich bleibt. Wer ihn noch im Februar des laufenden Jahres kennen lernt, kauft ihn schon nicht mehr, wohl aber, wenn er gefällt, und geeichnet wird, im folgenden. Daher würde es auch allerdings sehr zu rathen seyn, wenn für den freyen Verkauf eines solchen Calenders eine Ausgabe versucht werden wollte, nicht mehr Exemplare im ersten Jahr drucken zu lassen, als zur Deckung der Kosten und vortheilhaften Bekanntmachung durch zweckmässige Vertheilung nöthig ist. Der Erfolg wird alsdann, wann dieses geschieht, von einem Jahr zum andern lehren, was für die künftigen zu hoffen und zu wagen ist. Uebrigens gestehe ich gerne, dass zumal bey der grossen Menge und Concurrenz solcher Schriften ein Unternehmen dieser Art Schwierigkeiten haben kann, die nur der Mann kennt und zu berechnen vermag, der sich mit dem Geschäft selber befasst. — Aber auch nicht rathsam selbst in Ansehung der Ehre scheint dem Herrn Verfasser der Bemerkungen etc. und mir das Unternehmen zu seyn, wenn der Basler hinkende Botte ganz zum Muster für die Zukunft gewählt werden sollte. — Es ist mir leid, wenn ich mich missverständlich ausgedrückt habe in dem Gutachten. Ich glaubte den hinkenden Botten nicht als das Muster eines guten Calenders, sondern als einen sehr beliebten Calender aufzustellen, werth um von ihm zu lernen, was man dem Volk, nicht aber wie man es ihm geben müsse. Selbst die historischen Leseartikel müssten viel zweckmässiger gewählt, populärer, sinniger, reiner, und unter einer lustigen Aussena-seite lehrreicher bearbeitet werden, als dort geschieht, und die stehenden Artikel von Natitivitätsstellung, Aspekten etc. nach der angegebenen Zschokkischen Manier so bearbeitet werden, dass nicht der Aberglaube befestigt und genährt, vielmehr allmählig entkräftet, und der eigenthümliche Geschmack des Volks, theils um des lukrativem Absatzes willen, theils für die Erreichung edlerer Zwecke unschädlich befriedigt würde. Druckort und Wappen müssten vor diesem Calender so unbedenklich stehen dürfen, als bisher vor unsern ernsthaften Belehrungen und mancherley Spässlein. Endlich

3.) Nicht einmal ausführbar scheint das Unternehmen, wenn der Landes-Calender dem hinkenden Botten (neben dem bessern Inhalt) an Fülle, Ausstattung und Preis gleichkommen soll, da der Verleger von diesem sich eigene Vortheile gemacht hat, die nur in seiner Lage möglich sind. Einer derselben ist augenscheinlich, seine Holzschnitte kommen in andern Calendern, wohin er sie wieder verkauft, zum zweiten Mal vor. Aber dieser Vortheil scheint ganz neu zu seyn, und nur an die Stelle eines alten zu rücken, den sich ieder andere Verlag auch verschaffen kann. Decker legte die alten Holzschnitte, wenn sie noch brauchbar waren, sonst zu eigenem zweitem Gebrauch zurück. Wenigstens kam öfters nach mehreren Jahren genau die nemliche Tafel wieder. Das nemliche arme Städtlein musste zu allen Feuersbrünsten im Süd- und Norden herhalten, und wie manche Theatergesellschaft, so hatte er zu allen Mordscenen nur einen Wald und immer die nemlichen Acteurs. Ebenso glaublich ist es, dass er noch mehrere Vortheile der Zeit und Erfahrung abgewonnen hat, wovon mir unterdessen einer bekannt geworden. Er lässt die Calender durch seine eigenen Mägde und Jungen heften, der Buchbinder, der sie nur noch zu beschneiden hat, kommt ins Haus und erhält für 12 Stücke nur 2 Rappen, folglich für 60 erst 4 Kreuzer. Aber so wie ieder unternehmende und betriebsame Mann in seinen eigenen Verhältnissen eigene Vortheile hat oder finden kann, sollte nicht ebenso das Gymnasium als öffentliches Institut im Besitz seiner Privilegien und anderen Vergünstigungen wieder seine eigenen Vortheile haben und noch finden können, die hinwieder keinem Privatunternehmer möglich sind. Ich kann keine angeben. Sie springen nicht entgegen. Nur Zeit und Erfahrung lässt sie den Suchenden finden.

Schliesslich wiederhole ich den Wunsch, die Bearbeitung des Calenders, was auch sonst beschlossen werden mag, gegen ein erkleckliches und aufmunterndes Honorarium einem geistreichen und sachlustigen Mann zu übergeben, der selber auf dem Land lebt. Wie ein solcher gewiss verständlicher, lehrreicher und unterhaltender mit dem gemeinen Landmann sprechen kann, als der gelehrteste Professor aus der Stadt, also wird er ihm gewiss auch einen ansprechendem und zweckmässigern Calender geben.

 
 
 
 

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