Hochzeit auf der Schildwache
(1814)
Ein Regiment, das
6 Wochen lang in einem Dorfbezirk in Kantonierung gelegen war, bekam unversehens
in der Nacht um 2 Uhr Befehl zum plötzlichen Aufbruch. Also war um 3 Uhr schon
alles auf dem Marsch, bis auf eine einsame Schildwache draußen im Feld, die in
der Eile vergessen wurde und stehenblieb. Dem Soldaten auf der einsamen
Schildwache wurde jedoch zuerst die Zeit nicht lang, denn er schaute die Sterne
an, und dachte: „Glitzert ihr solange ihr wollt, ihr seid doch nicht so schön,
als zwei Augen, welche jetzt schlafen in der untern Mühle." Gegen fünf Uhr
jedoch dachte er: Es könnte jetzt bald drei sein. Allein niemand wollte kommen,
um ihn abzulösen. Die Wachtel schlug, der Dorfhahn krähte, die letzten Sterne,
die selbigen Morgen noch kommen wollten, waren aufgegangen, der Tag erwachte,
die Arbeit ging ins Feld, aber noch stand unser Musketier unabgelöst auf seinem
Posten. Endlich sagte ihm ein Bauersmann, der auf seinen Acker wandelte, das
ganze Bataillon sei ausmarschiert schon um drei Uhr, kein Kamaschenknopf sei
mehr im Dorf, noch weniger der Mann dazu. Also ging der Musketier unabgelöst
selber ins Dorf zurück. Des Hausfreunds Meinung wäre, er hätte jetzt den
Doppelschritt anschlagen, und dem Regiment nachziehen sollen. Allein der
Musketier dachte: „Brauchen sie mich nimmer, so brauch ich sie auch nimmer."
Zudem dachte er: „Es ist nicht zu trauen. Wenn ich ungerufen komme und mich
selber abgelöst habe, so kann's spanische Nudeln absetzen", er meinte Röhrlein.
Zudem dachte er: „Der untere Müller hat ein hübsches Mägdlein, und das Mägdlein
hat einen hübschen Mund, und der Mund hat holde Küsse", und ob sonst schon etwas
mochte geschehen sein, geht den Hausfreund nichts an. Also zog er das blaue
Röcklein aus und verdingte sich in dem Dorf als Baurenknecht, und wenn ihn
jemand fragte, so antwortete er, wie jener Hüninger Deserteur, es sei ihm ein
Unglück begegnet, sein Regiment sei ihm abhanden gekommen. Brav war der Bursche,
hübsch war er auch, und die Arbeit ging ihm aus den Händen flink und recht. Zwar
war er arm, aber desto besser schickte sich für ihn des Müllers Töchterlein,
denn der Müller hatte Batzen. Kurz die Heurat kam zustande. Also lebte das junge
Paar in Liebe und Frieden glücklich beisammen und bauten ihr Nestlein. Nach
Verlauf von einem Jahr aber, als er eines Tages von dem Felde heimkam, schaute
ihn seine Frau bedenklich an, „Fridolin, es ist jemand dagewesen, der dich nicht
freuen wird." - „Wer?" - „Der Quartiermacher von deinem Regiment; in einer
Stunde sind sie wieder da." Der alte Vater lamentierte, die Tochter
lamentierte, und sah mit nassen Augen ihren Säugling an. Denn überall gibt es
Verräter. Der Fridolin aber nach kurzem Schrecken sagte: „Laßt mich gewähren.
Ich kenne den Obrist." Also zog er das blaue Röcklein wieder an, das er zum
ewigen Andenken hatte aufbewahren wollen, und sagte seinem Schwiegervater, was
er tun soll. Hernach nahm er das Gewehr auf die Achsel und ging wieder auf
seinen Posten. Als aber das Bataillon eingerückt war, trat der alte Müller vor
den Obristen. „Habt doch ein Einsehen, Herr General, mit dem armen Menschen, der
vor einem Jahr auf den Posten gestellt worden ist draußen an der Waldspitze. Ist
es auch permittiert eine Schildwache ein geschlagenes Jahr lang stehenzulassen
auf dem nämlichen Fleck und nicht abzulösen." Da schaut der Obrist den Hauptmann
an, der Hauptmann schaute den Unteroffizier an, der Unteroffizier den Gefreiten,
und die halbe Kompanie, alte gute Bekannte des Vermißten liefen hinaus, die
einjährige Schildwache zu sehen, und wie der arme Mensch müsse
zusammengeschmoret sein, gleich einem Borstdorfer Äpfelein, das schon vier Jahre
am Baum hängt. Endlich kam auch der Gefreiter, der nämliche, der ihn vor zwölf
Monaten auf den Posten geführt hatte und löste ihn ab: „Präsentiert das Gewehr,
das Gewehr auf die Schulter, Marsch", nach soldatischem Herkommen und Gesetz.
Hernach mußte er vor dem Obristen erscheinen, und seine junge hübsche Frau mit
ihrem Säugling auf den Armen begleitete ihn, und mußten ihm alles erzählen. Der
Obriste aber der ein gütiger Herr war, schenkte ihm einen Federntaler, und half
ihm hernach zu seinem Abschied. |