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Des Hausfreunds Vorrede und Neujahrswunsch      (1811)

Der Hausfreund steht vor dem geneigten Leser mit aufrechtem Angesicht, und läßt sich beschauen um alles, was er in den vorjährigen Kalender geschrieben hat, und fürchtet nichts. Denn schon mancher Biedermann hat ihm freundlich die Hand dafür gedrückt und gefragt: „Wollt Ihr kein Schöpplein trinken?" Und in manchem Dorf, wenn er durchgeht, rufen ihm die Kinder nach: „Guten Morgen Hausfreund", oder „Guten Abend Bildermann", und wenn ihn hie und da jemand nicht grüßt, oder dankt ihm nicht, so denkt er nur, wie ein großer Herr oder ein berühmter Gelehrter: Du kennst mich nicht. Heringegen wird der geneigte Leser wohl auch entdeckt haben, daß sonst der Kalender des vorigen Jahrs ausgesehen hat fast wie ein Laiblein Brot, das etwas zu früh aus dem Ofen kommt. Der Hausfreund kann's jetzt nimmer länger verhehlen, und will's also lieber aufrichtig gestehen, daß er den Kalender nicht selber druckt, sondern durch fremde Leute fertigen läßt, und muß ein hübsches Stück Geld ausgeben alle Jahre für Papier, für Schwärze, für Ziegelmehl zu den roten Feiertagen und Sabbatern, denn es müssen besondere Ziegel dazu gebrannt werden, ferner für die Druckerkosten, für die schönen Abbildungen, und hat blutwenig Profit daran, wenn er die Sohlen dazurechnet, die er am Rhein auf und ab wegläuft und die Wirtshäuser. Also ist auch nicht der Hausfreund schuld daran, daß der Kalender ein wenig Not gelitten hat, sondern der Buchdrucker, der auch wieder sich zu verantworten weiß.
 
Fürs erste sind die roten Buchstaben ziemlich blaß, und manchmal fast nicht zu lesen. Der Drucker sagt, der Ziegler sei schuld, er habe die Ziegel nicht genug gebrannt.
Fürs zweite stehen hie und da die roten und die schwarzen Buchstaben so aufeinander, daß man die Namen nicht recht lesen kann, und ist manchmal recht betrübt anzusehen, wie so ein vornehmer Feiertag sich mit einem schlechten Werktage gemein machen mag, nicht änderst, als zur Zeit der Sündflut die Söhne Gottes mit den Töchtern der Menschen. Allein der Buchdrucker sagt, das sei mit Fleiß geschehen, und er nehme die Sache anderst. Denn die rote Farbe bedeute bei ihm Freude, und die schwarze bedeute Leid, und er habe damit nur so viel sagen wollen, daß das Jahr 1810 dem geneigten Leser Gutes und Schlimmes untereinander, und manchmal auf den nämlichen Tag bringen werde, wie denn auch geschehen ist, und im Jahr 1811 wieder geschehen wird, denn
 
„Mit der Freude zieht der Schmerz traulich durch die Zeiten."
 
Drittens, so ist der Judenkalender hinter dem Dezembermonat ganz falsch ausgefallen, und es ist zum Beispiel nicht wahr, daß im Jahr 1810 der Tempel am 22. Jul. verbrannt worden. Sondern nur in dem Jahr 1809 ist er am 22. Jul. verbrannt worden, aber im J. 1810 am 9. August. Der Buchdrucker sagt, es sei auch nicht alles ein Evangelium, was der Hausfreund selber in den Kalender stiftet, auch habe er am Ende des Kalenders vornen an den Jahrmärkten den Fehler wieder gutgemacht, und dort den Tempel richtig am 9. Aug. verbrannt, und am 20. März den Haman gehenkt. Wenn die Staatsbürger mosaischen Gesetzes dem Hausfreund gute Worte  geben, und wieder einmal schwarze baumwollene Strümpfe zum Neujahr schenken, wie Anno 93, so schreibt er ihnen auf das Jahr 5572 ihrer Rechnung einen eigenen Haus­freund, und der Julianische und der gregorianische Kalender kommt dann auch nur so nebenan, zuerst falsch, hernach recht. Zum vierten, so ist der Druck in den schönsten Artikeln zum Lesen hie und da auch etwas blaß und unleserlich ausgefallen. Aber der Buchdrucker sagt, das sei auch mit Fleiß geschehen. „Das Papier", sagt er, „ist ohnehin ein wenig schwarz, wenn ich nun noch schwärzere Buchstaben darauf gesetzt hätte, so wäre der Kalender zu dunkel ausgefallen für die trüben Winter tage."
Fünftens, so sind in den Jahrgang 1810 viele Druckfehler eingeschlichen. Von denjenigen die im Kalender stehen, sollen hier nur folgende namhaft gemacht werden.
Der große Komet, der 4mal so groß schien als der Abendstern, ist nicht im Jahr 1806 erschienen wie der Drucker meint, sondern im Jahr 1680 das ist zweierlei.
Ferner die Kometen werden nicht unbescheiden am Himmel sichtbar, wie manchmal ein ungezogener Mensch in einer wohlerzogenen Gesellschaft, sondern sie kommen unbeschieden, das ist angerufen, weil sie selber wissen, wann ihre Zeit da ist, und wie lang sie zu bleiben haben, besser als ein unbescheidener Mensch.
Ferner in des Seilers Antwort soll es nicht heißen: Wer heutzutag an den Galgen oder ins Zuchthaus will; sondern: Wer an den Galgen oder heutzutag ins Zuchthaus will. Denn heutzutag hat ein Spitzbub von Glück zu sagen, wenn er nur noch ins Zuchthaus kommt. Von hunderten bringt's kaum einer so weit. Deswegen stiehlt einer und der andere ein Rößlein und reitet. Ferner der Zundelheiner ist nicht ganz betäubt im Wirtshaus gesessen, denn er hat nur ein Schöpplein getrunken, sondern ganz betrübt, weil sein Bruder ein Schelmenstück an ihm begangen hat, und wieder ehrlich worden ist.
Zu dem allem sagt der Buchdrucker weiter nichts, als der Hausfreund hätt's deutlicher schreiben sollen, so hätt er's richtiger gedruckt.
Sechstens und endlich, so sieht das 1810er Aderlaßmännlein nicht aus wie ein anderes Menschenkind, das wohl auch einmal Herzklopfen oder Seitenstechen, oder die Milzsucht bekommt, sondern wie ein leibhaftiger Gnom oder Wechselbalg. Der Buchdrucker sagt, eben deswegen habe er ihm alle Adern öffnen lassen, damit er sich bald verblute. Der Barbier von Segringen habe ihm bereits ein neues versprochen.
Dies ist die Beicht und Rechtfertigung des Buchdruckers, die auf sein Verlangen hier eingerückt wird. In Zukunft hofft der Hausfreund und seine zwei Gehülfen wird es besser gehen, doch kann er nichts für gewiß versprechen, denn es haben andere Leute auch noch dazu zu reden.
 
Was aber die zwei Gehülfen betrifft, so hat der Hausfreund angenommen, erstlich einen braven Adjunktus, der schon weit in der Welt herumgereist ist, in Paris, in Amsterdam und in München. Der geneigte Leser wird ihn bald kennen, wenn er ihn sieht. Denn er ist hochgewachsen und breit, trägt statt der Schnallen Schnüre an den Beinkleidern, hat eine schwache leise Stimme, versteht alle Sprachen (der Hausfreund zwar auch) und in seiner Kindheit müssen die Schutzpocken noch nicht sehr im Schwang gewesen sein.
Sodann hat er angenommen des Adjunkts seine Adjunktin, oder Schwiegermutter, die ist schon gewesen in Berlin, in Wien, in Italien, und auf dem Rigiberg in der Schweiz, hat schöne Liedlein dort gelernt, kann alle Leute ausspotten, und doch ist sie allen Leuten lieb und wert. Schon manchmal hat der Adjunkt den Hausfreund gefragt, ob es mit natürlichen Dingen zugeht, was sie versteht, und wie sie's treibt, und wie sie's den Leuten antut, z. B. ihm.
 
Also wünschen der Hausfreund, der Adjunkt und die Schwiegermutter dem geneigten Leser insgesamt ein friedliches neues Jahr und einen blauen Freudenhimmel auf Erden, und nur so viel Wolken dran, als nötig sind, das heiße Blut zu dämmen, wenn’s oben hinauswill vor Freude oder vor Übermut.


Eine biografische Laudatio seines "Adjunkten" C. F. Kölle

 
 
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