Fliegende Fische (1808)
Im Meere gibt es Fische, welche auch aus dem
Wasser gehen und in der Luft fliegen können. Mann sollte meinen, es sei
erdichtet, weil bei uns so etwas nicht geschieht. Aber wenn ein Mensch
auf einer Insel wohnte, wo er keinen andern Vogel, als Meisen,
Distelfinken, Nachtigallen und andere dergleichen lustige Musikanten des
Waldes könnte kennenlernen, so würde er es ebenso unglaublich finden,
wenn er hörte, daß es irgendwo ein Land gebe, wo Vögel auf dem Wasser
schwimmen und darin untertauchen; und doch können wir dieses auf unserm
Gewässer alle Tage sehen, und wir müssen daher auch nicht glauben, daß
alle Wunder der Natur nur in andern Ländern und Weltteilen seien. Sie
sind überall. Aber diejenigen, die uns umgeben, achten wir nicht, weil
wir sie von Kindheit an und täglich sehen.
Was nun die Fische und Vögel betrifft, so schwimmt eine Ente freilich
nicht ebenso wie ein Fisch, und ein Fisch fliegt nicht wie ein Storch,
sondern damit hat es folgende Bewandtnis. Die Floßfedern an der Brust
dieser Tiere sind sehr lang und mit einer weiten Haut überzogen. Durch
deren Hülfe kann sich der Fisch eine Zeitlang in der Luft erhalten. Aber
erstlich das tut nicht länger gut, als diese Haut naß ist. Sobald sie
trocknet, fällt der Fisch ins Wasser zurück. Zweitens, er geht nicht aus
dem Wasser ohne Not, fliegt nicht spazieren für Kurzweil oder um seine
Kunst zu zeigen, sondern wenn ihn ein Raubfisch verfolgt, und kann ihm
nicht mehr anderst entrinnen, und darin ist er klüger als mancher
Mensch, der schon Hals und Bein gebrochen hat. Denn der Fisch sagt: Man
muß seiner Natur und seinem Stand getreu bleiben, solang man kann, kein
Wagstück treiben, wenn's nicht sein muß, nicht oben zum Fenster
hinausspringen, wenn die Türe offensteht.
Solche fliegende Fische geben den Schiffahrenden, die viele Wochen lang
nichts als Himmel und Wasser um sich haben, auf ihrer langweiligen Reise
manche Kurzweil, besonders wenn der Raubfisch, welcher sie verfolgt,
ebenfalls fliegen kann und ihnen nacheilt. Da sieht man eine seltsame
Fischjagd in der Luft. Oft erhascht der Raubfisch seine Beute, und zieht
sie wieder in das Wasser hinab. Oft entgeht sie durch Geschwindigkeit
oder Glück. Manchmal ist noch ein ganz anderer Spaß zu sehen. Denn
gewisse Vögel fliegen über dem Wasser her und hin, und stellen den
Fischen nach, können ihnen aber nichts anhaben, solang diese daheim im
Wasser bleiben, wohin sie gehören. Wenn aber ein solcher Luftkrieg
zwischen ihnen angeht, so wird bald der Fliehende, bald der Feind, bald
beide von dem Vogel, der das Fliegen besser versteht, erhascht, und
kommen ihr Leben lang nimmer ins Wasser. Und dazu lachen die Schiffer.
Merke: Solcher Spaß, bei dem man aber oft lieber weinen als lachen
möchte, ist manchmal auch mitten auf dem trockenen Lande zu sehen, wenn
zwei Brüder oder Verwandte oder Bundesgenossen Prozeß und Streit
miteinander führen, und kommt ein dritter dazu, und beraubt beide des
Vorteils, den jeder von ihnen allein haben wollte und keiner dem andern
gönnte.
Merke: Wann die Fische im Meer Händel haben, ist's lauter Freude für die
losen Vögel in der Luft.
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