Erinnerung an die Kriegszeit
(1819)
Es ist nicht zu
leugnen, wenn hie und da ein siegreiches Truppenkorps in eine feindliche
Landschaft einrückte, und Quartiere nahm, daß sich alsdann der arme Einwohner
viel mußte gefallen lassen, nicht nur von der Notwendigkeit, sondern auch von
dem Unverstand und höhnendem Übermut. Zu einem solchen Unteroffizier, als er
eben am Mittagessen war, kam sein Kamerad und verwunderte sich über ihn mit
folgenden Worten.
„Herr Kamerad", sagte er zu ihm, „seit wann seid Ihr ein Jude geworden, daß Ihr
Euch zwicken laßt. Euch ist seit gestern ein kurioser Bart gewachsen." Nämlich
der Unteroffizier, der am Mittagessen war, aß gerne Nudeln. Deswegen mußte ihm
der Wirt jeden Mittag Nudeln aufstellen, und natürlich ein fettes Huhn darin.
Der Unteroffizier wußte, daß die Nudeln von feinem Mehl und Teig längere Fäden
haben als die groben. Deswegen mußte ihm der Wirt lange und feine Nudeln
aufstellen, welche sich fast mit keiner Geschicklichkeit um die Gabel
herumspinnen lassen, sondern wann man meint, jetzt sei eine umgesponnen, haspelt
sich eine andere wieder ab, und eine Gabel oder einen Löffel voll mit allen
Enden auf einmal in den Mund zu bringen ist eine Kunst. Zwar darf man sie nur
zuerst ein wenig auf dem Teller zerschneiden. Allein das wollte der
Unteroffizier nicht. Nein der Wirt, u. wenn er auch des Guguks hätte werden
mögen, mußte, solang der Unteroffizier an den Nudeln aß, mit einer Schere neben
ihm stehen, und was zu lange war, und nicht in den Mund hineinzubringen war,
mußte er ihm von den Lippen vorsichtig abschneiden. Deswegen als dieses der
andere Unteroffizier sah, verwunderte er sich und sagte zu ihm scherzweise und
lachend: „Euch ist ein kurioser Bart gewachsen. Seit wann laßt Ihr Euch zwicken,
wie ein Jud?" Dem Wirt kam der Spaß nicht lächerlich vor. Allein der andere
Unteroffizier tröstete ihn. „Landsmann", sagte er zu ihm, „es ist Krieg."
So etwas kann man schon erzählen, und zur Erinnerung an die überstandenen Zeiten
lesen, wann durch Gottes Gnade und durch die Weisheit der friedliebenden
Potentaten alle Plackereien und Hudeleien ein Ende haben. |