Einer oder der
andere (1814)
Es ist nichts
lieblicher als wenn bisweilen gekrönte Häupter sich unerkannt zu dem
gemeinen Mann herablassen, wie König Heinrich der Vierte in Frankreich,
sei es auch nur zu einem gutmütigen Spaß.
Zu König Heinrichs
des Vierten Zeiten ritt ein Bäuerlein vom Lande her des Weges nach
Paris. Nicht mehr weit von der Stadt gesellt sich zu ihm ein anderer gar
stattlicher Reiter, welches der König war, und sein kleines Gefolge
blieb absichtlich in einiger Entfernung zurück. „Woher des Landes,
guter Freund?" - „Da und da her." - „Ihr habt wohl Geschäfte in Paris?"
- „Das und das, auch möchte ich gerne unsern guten König einmal sehen,
der so väterlich sein Volk liebt." - Da lächelte der König, und sagte:
„Dazu kann Euch heute Gelegenheit werden." - „Aber wenn ich nur auch
wüßte, welcher es ist unter den vielen, wenn ich ihn sehe!" - Der König
sagte: „Dafür ist Rat. Ihr dürft nur achtgeben, welcher den Hut allein
auf dem Kopf behaltet, wenn die andern ehrerbietig ihr Haupt
entblößen." Also ritten sie miteinander in Paris hinein, und zwar das
Bäuerlein hübsch auf der rechten Seite des Königs. Denn das kann nie
fehlen. Was die liebe Einfalt Ungeschicktes tun kann, sei es gute
Meinung oder Zufall, das tut sie. Aber ein gerader und unverkünstelter
Bauersmann, was er tut und sagt, das tut und sagt er mit ganzer Seele,
und sieht nicht um sich, was geschieht, wenn's ihn nichts angeht. Also
gab auch der unsrige dem König auf seine Fragen nach dem Landbau, nach
seinen Kindern, und ob er auch alle Sonntage ein Huhn im Topf habe,
gesprächige Antwort, und merkte lange nichts. Endlich aber, als er doch
sah, wie sich alle Fenster öffneten, und alle Straßen mit Leuten sich
füllten, und alles rechts und links auswich und ehrerbietig das Haupt
entblößt hatte, ging ihm ein Licht auf. „Herr", sagte er, und schaute
seinen unbekannten Begleiter mit Bedenklichkeit und Zweifel an,
„entweder seid Ihr der König oder ich bin's. Denn wir zwei haben noch
allein die Hüte auf dem Kopf." Da lächelte der König, und sagte: „Ich
bin's. Wenn Ihr Euer Rößlein eingestellt und Euer Geschäft versorgt
habt", sagte er, „so kommt zu mir in mein Schloß. Ich will Euch alsdann
mit einem Mittagssüpplein aufwarten, und Euch auch meinen Ludwig
zeigen."
Von dieser
Geschichte her rührt das Sprichwort, wenn jemand in einer Gesellschaft
aus Vergessenheit oder Unverstand den Hut allein auf dem Kopf behält,
daß man ihn fragt: „Seid Ihr der König oder der Bauer?"
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