Die Schlafkameraden
(1814)
Eines Abends kam
ein fremder Herr mit seinem Bedienten im Wirtshaus zu der goldenen Linden in
Brassenheim an, und ließ sich bei dem Nachtessen beiderlei wohl schmecken;
nämlich das Essen selbst, und das köstliche Getränk. Denn der Lindenwirt hat
Guten. Der Bediente aber an einem andern Tisch dachte: „Ich will meinem Herrn
keine Schande machen", und trank, wie im Zorn ein Glas und eine Bouteille nach
der andern aus, sagend zu sich selbst: „Der Wirt soll nicht meinen, daß wir
Knicker sind." Nach dem Essen sagte der Herr zu dem Lindenwirt: „Herr Wirt ich
hab an Eurem Roten sozusagen eine gefährliche Entdeckung gemacht. Bringt mir
noch eine Flasche voll in das Schlafstüblein." Der Bediente hinter dem Rücken
des Herrn winkte dem Wirt: „Mir auch eine!" denn sein Herr ließ sich vieles von
ihm gefallen, weil er auf Reisen auch sein Leibgardist war, und immer mit ihm in
der nämlichen Stube schlafen mußte, und je einmal, wenn er sich zuviel Freiheit
herausnahm, war der Herr billig, und dachte: „Ich will nicht wunderlich sein. Es
ist ja nicht das erstemal, daß er's tut." Also trank an seinem Tisch der Herr
und las die Zeitung, und am andern Tisch dachte der Bediente: „Es ist ein harter
Dienst, wenn man trinken muß, anstatt zu schlafen, zumal so starken." Gleichwohl
als er dem Herrn die zweite Flasche holen mußte, nahm er für sich auch noch eine
mit vom nämlichen. Der Herr fing endlich an, laut mit der Zeitung zu reden, und
der Bediente nahm wie ein Echo zwischen der Türe und dem Fenster auch Anteil
daran, aber wie? Der Herr las von dem großen Mammutsknochen, der gefunden wurde.
Der Bediente, der eben das Glas zum Munde führte, lallte für sich: „Soll leben
der Mahometsknochen." Oder als der Herr von dem Seminaristen las aus dem
Seminarium in Pavia, der mit Lebensgefahr eines Schriftgießers Kind aus den
Flammen rettete, ergriff er das Glas, und „Bravo", sagte er, „wackerer
Seminarist!" Der Bediente aber stammelte für sich: „Soll leben der wackere
Seeminister", und goß richtig das halbe Glas über die Liberei hinab. „Hast du's
gehört Anton? So eine Tat wiegt viele Meriten auf", fuhr der Herr fort. -
„Sollen auch leben die Minoriten", erwiderte der Diener; und sooft jener z. B.
sich räusperte oder gähnte räusperte sich und gähnte der Anton auch. Endlich
sagte der Herr: „Anton jetzt wollen wir ins Bett." Der Anton sah seine Flasche
an, und erwiderte: „Es wird ohnehin niemand mehr auf sein in der Wirtschaft."
Denn seine Flasche war leer. Aber in der Flasche des Herrn war noch ein Restlein.
Früh gegen zwei Uhr weckte es den Anton, daß noch ein Restlein in der Flasche
des Herrn sei. Also stand er auf, und trank es aus. „Sonst verriecht es", dachte
er. Als er aber sich wieder legen wollte, kam er ein wenig zu weit rechts an das
Bett seines Herrn. Denn beide Betten standen an der nämlichen Wand mit den
Fußstätten gegeneinander. Also legte sich der Anton neben seinen Herrn, mit dem
Kopf unten, und mit den Füßen oben, neben des Herrn Gesicht, weil er meinte, er
liege wieder in seinem eigenen. Eine Stunde vor Tag aber, als der Herr erwachte,
kam es ihm vor, er wußte selbst nicht recht wie? „Soll ich denn gestern abend
haben Backensteinkäs heraufkommen lassen", dachte er. Als er aber sich umdrehen
wollte, ob ein Schränklein in der Wand sei, fühlte er auf einmal neben sich
etwas Lebendiges und Warmes, und das Warme und Lebendige bewegte sich auch.
Jetzt rief er: „Anton, Anton", mit ängstlicher und leiser Stimme, daß der
unsichere Schlafkamerad nicht aufwachen sollte, und derjenige, den er wecken
wollte, war doch der Schlafkamerad. „Anton", schrie er endlich in der
Herzensangst so laut er konnte. „Was befehlen Ihro Hochwürden", erwiderte
endlich der Anton. - „Komm mir zu Hülfe! Es liegt einer neben mir." - „Ich kann
nicht, neben mir liegt auch einer", erwiderte der Bediente, und wollte sich
strecken, so zwar, daß er mit dem linken Fuß unter des Herrn Kinn kam. „Anton,
Anton", rief der Herr, „meiner reißt mir den Kopf ab", und suchte ebenfals mit
den Füßen eine Habung. „Meiner will mir die Nase aufschlitzen", schrie noch viel
ärger der Anton. „Wirf deinen heraus", schrie der Herr „und komm mir zu Hülfe."
- Also faßte der Bediente seinen Mann an den Beinen, und dieser als er Ernst
sah, faßte er seinen Mann ebenfalls an den Beinen, und rangen also die beiden
miteinander, daß keiner dem andern konnte zu Hülfe kommen; und der Bediente
fluchte wie ein Türk, der Herr aber fluchte zwar nicht, aber doch rief er die
unsichtbaren Mächte an, sie sollten seinem Gegner den Hals brechen, was auch
fast hätte geschehen können, denn auf einmal hörte unten der Wirt, der schon auf
war, einen Fall, daß alle Fenster zitterten, und der Perpendikel an der Wanduhr
sich in die Ruhe stellte. Als er aber geschwind, mit dem Licht und dem
Hauptschlüssel hinaufgeeilt war, ob ein Unglück sich zugetragen habe, denn er
kannte seinen Roten, lagen beide miteinander ringend auf dem Boden, und schrieen
Zeter Mordio um Hülfe. Da lächelte der Wirt in seiner Art, als ob er sagen
wollte, der Rote hat gut gewirkt, die gefährliche Entdeckung.
Die beiden aber schauten einander mit Verwunderung und Staunen an. „Ich glaube
gar, du bist es selbst Anton", sagte der Herr. - „So, seid nur Ihr es gewesen",
erwiderte der Diener, und legten sich wieder, ein jeder in sein Bett, worein er
gehörte. |