Die Probe
(1814)
In einer ziemlich
großen Stadt, wo nicht alle Leute einander kennen, auch nicht alle Hatschiere,
ging ein neu angenommener Hatschier in ein verdächtiges Wirtshäuslein hinein und
hatte einen braunen Überrock an. Denn er dachte: „Weil ich noch nicht lange
angenommen bin, so kennt mich niemand, und niemand nimmt sich vor mir in acht,
vielleicht gibt's etwas zu fischen." Ein bejahrter Mann in bürgerlicher Kleidung
folgt ihm nach, und geht auch in das Wirtshäuslein. Der neue Hatschier fordert
einen Schoppen, der betagte Mann setzt sich an den nämlichen Tisch und fordert
auch einen Schoppen. Unter ihnen und ober ihnen und an ändern Tischen saßen
mehrere Leute, und sprachen in Friede und Eintracht von allerlei von dem
Elefant, von dem großen Diebstahl, von den Kriegsoperationen. Einer zog mit dein
Finger einen Strich von Wein über den Tisch, und sagte: „Zum Exempel, dies wäre
die Donau." Drauf legte er ein Stücklein Käsrinde daneben und sagte: „Jetzt das
war Ulm." Ein anderer als er Ulm nennen hörte, sagte zu dem betagten Mann: „Ich
bin von Ulm, und hätte Haus und Gewerb da selbst. Aber die alten Zeiten sind
nicht mehr." Der betagte Mann sagte: „Landsmann Ulm ist überall, die guten
Zeiten sind nirgends mehr", und fing an zu hadern und sich zu vermessen über die
Zeit und über die Abgaben und über die Obrigkeit, wie es sich nicht geziemt. Da
wurde der Hatschier im braunen Überrock aufmerksam und stille, und sagte
endlich: „Guter Freund, ich warne Euch." Der betagte Mann aber sagte: „Was habt
Ihr mich zu warnen", und trank ein Glas voll Wein nach dem andern aus, und
schimpfte über die Obrigkeit nur noch ärger. Der verkleidete Hatschier sagte:
„Guter Freund ich kenn Euch nicht. Aber ich will Euch noch einmal gewarnt
haben." Der Betagte erwiderte: „Warnen hin und warnen her! Was wahr ist muß man
reden dürfen. Was bleibt einem noch übrig, als die freie Rede", und so und so.
Da schlug der verkleidete Hatschier den braunen Überrock zurück, und zeigte sich
wie er war, in einem hechtgrauen Rocke mit roten Aufschlägen und einem Bandelier.
„Jetzt guter Freund", sagte er, „jetzt kommt mit mir!" Da stellte sich der Mann,
als er an dem Rock den Hatschier erkannte, auf einmal wie umgewendet. „Guter
Freund", sagte er, „Ihr werdet doch meinen Spaß nicht für Ernst angesehen haben
und nicht erst heute auf die Welt gekommen sein. Ich sehe schon", sagte er, „wir
müssen eine Bouteille miteinander trinken, daß Ihr mich besser kennenlernt", und
forderte noch eine Bouteille, und winkt der Wirtin: „Vom Guten." Allein der
Hatschier sagte: „Ich habe keinen Wein mit Euch zu trinken", und faßte ihn wohl
oben am Arm, und fort zur Türe hinaus. Unterwegs fuhr der Arrestant fort zu
reden: „Ihr meint zum Beispiel ich sei ein Feind von Abgaben, weil ich über die
Abgaben geschimpft habe. Aber nein, ich will Euch das Gegenteil beweisen, denn
Ihr seid auch eine obrigkeitliche Person und ich habe vor Euersgleichen
Respekt." Also zog er einen Kronentaler aus der Tasche, und wollte sich damit
loskaufen. Aber der Hatschier sagte: „Ihr habt mir keine Abgaben zu bezahlen."
Eine Gasse weiter, fuhr der Arrestant fort: „Was gilt's Ihr seid noch nicht
verheiratet, und habt für keine Frau noch Kinder zu sorgen, weil Ihr keine
Abgabe von mir braucht. Ich will Euch zu einem schönen Weibsbild führen." Der
Hatschier erwiderte: „Ihr habt mich zu keinem Weibsbild zu führen, aber ich Euch
zu einem Mannsbild." Als sie aber miteinander in den Polizeihof, und vor den
Herrn Stadtvogt gekommen waren, fing der Stadtvogt an laut zu lachen, dann er
gar ein lustiger Mann ist, und sagte: „Welcher von euch zweien bringt den
andern." Denn es ist jetzt Zeit dem geneigten Leser zu sagen, daß der Arrestant
selber ein alter Hatschier war, und hatte sich verkleidet und war dem neuen
nachgegangen, nur um ihn zu prüfen, ob er seine Pflicht tut. Deswegen sagte der
Stadtvogt: „Welcher von euch zweien bringt den andern." Der junge wollte
anfangen, der alte aber, der vermeintliche Arrestant schaute ihn gebieterisch
an, und sagte: „Es ist an mir zu reden, ich bin älter im Dienst. Ihro Gnaden
Herr Stadtvogt", sagte er, „dieser junge Mann ist probat und wir können uns
verlassen auf ihn, denn er hat mich arretiert mit Manier und in der Art, und hat
sich nicht von mir bestechen oder breitschlagen lassen, noch mit Wein, noch mit
Geld, noch mit Weibsleuten." Da lächelte der Stadtvogt gar freundlich, daß ihm
solches wohlgefalle, und schenkte jedem einen kleinen Taler.
Item an einem solchen Ort mag es nicht gut sein, ein Spitzbube zu sein, wo ein
Hatschier selber dem andern nicht trauen darf.
Dies Stücklein ist noch ein Vermächtnis von dem Adjunkt,
der jetzt in Dresden ist. Hat er nicht dem Hausfreund einen
schönen Pfeifenkopf von Dresden zum Andenken geschickt,
und ist ein geflügelter Knabe darauf und ein Mägdlein, und
machen etwas miteinander. Aber er kommt wieder der Adjunkt. |