Der falsche Edelstein
(1810)
In einem schönen Garten vor Straßburg vor dem Metzgertor, wo jedermann
für sein Geld hineingehen und lustig und honett sein darf, da saß ein wohlgekleideter Mann, der auch sein Schöpplein trank, und hatte einen
Ring am Finger mit einem kostbaren Edelstein, und spiegelte den Ring. So
kommt ein Jude, und sagt: „Herr, Ihr habt einen schönen Edelstein in
Eurem Fingerring, dem wäre ich auch nicht feind. Glitzert er nicht wie
das Urim und Thummim in dem Brustschildlein des Priesters Aaron?" Der
wohlgekleidete Fremde sagte ganz kurz und trocken: „Der Stein ist
falsch; wenn er gut wäre, steckte er wohl an einem andern Finger, als an
dem meinigen." Der Jud bat den Fremden, ihm den Ring in die Hand zu
geben. Er wendet ihn hin, er wendet ihn her, dreht den Kopf rechts,
dreht den Kopf links. „Soll dieser Stein nicht echt sein?" dachte er,
und bot dem Fremden für den Ring zwei neue Dublonen. Der Fremde sagte
ganz unwillig: „Was soll ich Euch betrügen? Ihr habt es schon gehört,
der Stein ist falsch." Der Jude bittet um Erlaubnis, ihn einem Kenner zu
zeigen, und einer der dabeisaß, sagte: „Ich stehe gut für den
Israeliten, der Stein mag wert sein, was er will." Der Fremde sagte:
„Ich brauche keinen Bürgen, der Stein ist nicht echt."
In dem nämlichen
Garten saß damals an einem andern Tisch auch der Hausfreund mit seinen
Gevatterleuten, und waren auch lustig und honett für ihr Geld, und einer
davon ist ein Goldschmidt, der's versteht. Einem Soldaten, der in der
Schlacht bei Austerlitz die Nase verloren hatte, hat er eine silberne
angesetzt und mit Fleischfarbe angestrichen, und die Nase war gut. Nur
einblasen einen lebendigen Odem in die Nase, das konnte er nicht. Zu dem
Gevattermann kommt der Jude. „Herr", sagte er, „soll dieses kein echter
Edelstein sein? Kann der König Salomon einen schönern in der Krone
getragen haben?" Der Gevattermann, der auch ein halber Sternseher ist,
sagte: „Er glänzt, wie am Himmel der Aldebaran. Ich verschaffe Euch 90
Dublonen für den Ring. Was Ihr ihn wohlfeiler bekommt, ist Euer Schmus."
Der Jud kehrt zu dem Fremden zurück. „Echt oder unecht, ich gebe Euch
sechs Dublonen", und zählte sie auf den Tisch, funkelnagelneu. Der
Fremde steckte den Ring wieder an den Finger, und sagte jetzt: „Er ist
mir gar nicht feil. Ist der falsche Edelstein so gut nachgemacht, daß
Ihr ihn für einen rechten haltet, so ist er mir auch so gut", und
steckte die Hand in die Tasche, daß der lüsterne Israelit den Stein gar
nicht mehr sehen sollte. - „Acht Dublonen." „Nein." - „Zehn Dublonen."
„Nein." - „Zwölf - vierzehn - fünfzehn Dublonen." „Nun denn", sagte
endlich der Fremde, „wenn Ihr mir keine Ruhe lassen, und mit Gewalt
wollt betrogen sein. Aber ich sage es Euch vor allen diesen Herren da,
der Stein ist falsch, und ich gebe Euch kein gut Wort mehr dafür. Denn
ich will keinen Verdruß haben. Der Ring ist Euer." Jetzt brachte der
Jud voll Freude dem Gevattermann den Ring. „Morgen komm ich zu Euch und
hole das Geld." Aber der Gevattermann, den noch niemand angeführt hat, machte ein paar
große Augen. „Guter Freund, das ist nicht mehr der nämliche Ring, den Ihr mir vor zwei Minuten gezeigt habt. Dieser
Stein ist zwanzig Kreuzer wert zwischen Brüdern. So macht
man sie bei Sankt Blasien in der Glashütte." Denn der
Fremde hatte wirklich einen falschen Ring in der Tasche, der völlig wie
der gute aussah, den er zuerst am Finger spiegelte, und während der Jude mit ihm handelte, und er die
Hand in der Tasche hatte, streifte er mit dem Daumen den
echten Ring vom Finger ab, und steckte den Finger in den
falschen, und den bekam der Jud. Da fuhr der Betrogene, als
wenn er auf einer brennenden Rakette geritten wäre, zu dem
Fremden zurück: „Au weih, au weih! ich bin ein betrogener
Mann, ein unglücklicher Mann, der Stein ist falsch." Aber
der Fremde sagte ganz kaltblütig und gelassen: „Ich hab ihn
Euch für falsch verkauft. Diese Herren hier sind Zeugen.
|