Das Seewunder (1814)
Vor Zeiten sprach man viel vom Vogel Greif, von
wilden Männern, Basilisken und Meerwundern. Heutzutag sieht man sie fast
nur noch auf den Wirtshausschilden. Der Hausfreund kennt auch etliche.
Aber seit vielen Jahren ist gleichwohl wieder das erste Meerwunder
erschienen an den Küsten von Schottland vor noch nicht langer Zeit. Der
Kopf war länglich rund, als ein menschliches Antlitz und hinten mit
Haaren besetzt. Die Brust war mit einem rotlechten Flaum gekleidet, auf
dem Rücken aber sah er aus, wie kleine runde Federn. Die Hände hatten
nur vier Finger, die durch eine feine Haut verwachsen waren. Die untere
Hälfte des Körpers aber, soviel man durch das Wasser sehen konnte, war
Fisch, mit glänzenden Schuppen. Die ganze Länge betrug ungefähr fünf
Fuß. So zeigte sich dieses Geschöpf auf der Oberfläche des Meeres,
tauchte mehrmal unter, und kam wieder herauf, gleichsam zur Kurzweil,
oder seine Kunst an den Tag zu legen. Man redete es in schottländischer
hernach auch in französischer Sprache an, weil dieses die bekannteste
ist. Allein es antwortete in Tönen, die ähnlich sind dem Glockenton,
wenn er in der Ferne verhallt, also, daß man nicht verstehen konnte, was
es sagte.
Es haben schon Leute daran gedacht, ob nicht in der Grundtiefe des
Meeres solche Meerwunder in zahlreicher Menge beisammensitzen, und
gleichsam ein menschliches Seeleben miteinander führen, also daß sie
auch ihre Schulmeister, Nachtwächter und Vögte haben. Das Wasser über
ihnen ist gleichsam ihre Luft, und die Fische, die über ihren Köpfen
herumschwimmen, sind sozusagen, ihre Vögel. Aber gleicherweise als wir
unsere höchsten Berge z. B. in der Schweiz nur selten besteigen, und
nicht lange ausdauern können, in der Lauterkeit und Kälte der obersten
Luft, also kommt auch selten ein solcher Waghals aus der Tiefe des
Meeres, etwa ein Naturforscher, durch das Wasser bis an die
schottländischen Küsten herauf, und der Hausfreund will nicht dafür
schwören, dass nicht von dem nämlichen, von welchem hier die Rede ist,
auch in dem See-Hausfreund auf Anno 1814 stehen wird, er sei
hinaufgekommen, bis wo kein Wasser mehr ist, aber das Land gehe noch über
das Wasser hinaus, und es leben daselbst Erdwunder, zweibeinige Fische,
ohne Schuppen und Floßfedern, die ganz zahm scheinen, wenn ihnen anders
zu trauen sei. Er habe sie vieles fragen wollen, aber ihre Sprache sei
ihm unverständlich vorgekommen, und soviel er merken könnte, hätten sie
es in der Redekunst noch nicht weit gebracht, und überhaupt noch nicht
weit.
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