Das letzte Wort
(1810)
Zwei Eheleute in einem Dorf an der
Donau, herwärts Ulm, lebten miteinander, die waren nicht füreinander
gemacht, und ihre Ehe ward nicht im Himmel geschlossen. Sie war
verschwenderisch, und hatte eine Zunge wie ein Schwert; er war karg, was
nicht etwa in den eigenen Mund und Magen ging. Nannte er sie eine
Vergeuderin, so schimpfte sie ihn einen Knicker, und es kam nur auf ihn
an, wie oft er seinen Ehrentitel des Tags hören wollte. Denn wenn er
hundertmal in einer Stunde Vergeuderin sagte, sagte sie hundertundeinmal:
„Du Knicker“, und das letzte Wort gehörte allemal ihr.
Einmal fingen sie
wieder miteinander an, als sie ins Bett gingen, und sollen's getrieben
haben bis früh um fünf Uhr, und als ihnen zuletzt vor Müdigkeit die
Augen zufielen, und ihr das Wort auf der Zunge einschlafen wollte, kneipte sie sich mit den Nägeln in den Arm, und sagte noch einmal: „Du
Knicker!“ Darüber verlor er alle Liebe zur Arbeit und zur Häuslichkeit,
und lief fort, sobald er konnte, und wohin? Ins Wirtshaus. Und was im
Wirtshaus? Zuerst trinken, darnach spielen, endlich saufen, anfänglich um
bares Geld, zuletzt auf die Kreide. Denn wenn die Frau nichts zu Rat
hält, und der Mann nichts erwirbt, in einer solchen Tasche darf schon ein
Loch sein, es fällt nichts heraus. Als er aber im roten Rößlein den
letzten Rausch gekauft hatte, und konnt ihn nicht bezahlen, und der Wirt
schrieb seinen Namen und seine Schuld, sieben Gulden einundfünfzig
Kreuzer, an die Stubentür, und als er nach Haus kam, und die Frau
erblickte: „Nichts als Schimpf und Schande hat man von dir, du Vergeuderin“, sagte er zu ihr. „Und nichts als Unehre und Verdruß hat
man von dir, du Säufer, du der und jener, du Knicker“, sagte sie.
Da
stieg es schwarz und grimmig in seinem Herzen auf, und die zwei bösen
Geister, die in ihm wohnten, nämlich der Zorn und der Rausch, sagten zu
ihm: „Wirf die Bestie in die Donau.“ Das ließ er sich nicht zweimal
sagen. „Wart, ich will dir zeigen, du Vergeuderin, („du Knicker“, sagte
sie ihm drauf) ich will dir schon zeigen, wo du hingehörst“, und trug
sie in die Donau. Und und als sie schon mit dem Mund im Wasser war, aber
die Ohren waren noch oben, rief der Unmensch noch einmal: „Du Vergeuderin“. Da hob die Frau noch einmal die Arme aus dem Wasser empor,
und drückte den Nagel des rechten Daumes auf den Nagel des linken, wie
man zu tun pflegt, wenn man einem gewissen Tierlein den Tod antut, und
das war ihr Letztes. -
Dem geneigten Leser, der auf Recht und
Gerechtigkeit hält, wird man nicht sagen dürfen, daß der unbarmherzige
Mörder auch nimmer lebt, sondern er ging heim, und henkte sich noch in
der nämlichen Nacht an den Pfosten. |