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Herr Christian Kuhmann, des geneigten Lesers Landsmann (1812)
 
In Rohrbach, einem badischen Dorf bei Gochsheim, wurde vor 68 Jahren einem armen Taglöhner ein Sohn geboren. Das ist derjenige, von welchem wir reden, und als er getauft wurde, dachten die Gevatterleute auch nicht daran, daß sie einen kaiserlich französischen Reichsbaron in die Kirche tragen. Schon in seiner Kindheit starb ihm der Vater, und man hielt es wohl für ein großes Unglück; aber der liebe Gott sagte: „Laßt mich nur machen", und gab ihn vorderhand einem rechtschaffenen Mann, einem Bildweber in Pflegschaft und nachher auch in die Lehre. Wie er aber als ausgelernter Handwerksbursche nach Straßburg in die Fremde und zu einem Meister kam, da lachte ihm vor Freuden das Herz, wenn er die schönen Regimenter sah aufmarschieren, und hörte den lustigen Marsch, und wenn er wieder an seinen Webstuhl saß und das Schifflein und die Fäden durch den Zettel schoß, wenn ein Faden entzweibrach, rief er: „Bataillon halt!" Aber wenn der Faden angeknüpft war, kommandierte er wieder: „Vorwärts marsch!" Eines Tages aber dachte er auf einmal: Was hab ich das nötig? Ich geh zu Prinz Max' Regiment Elsaß und nimm Handgeld. So gedacht, so geschehn.
Merke: der Herr Baron Kuhmann war ein braver und geschickter Webersknecht, und ist nicht aus Leichtsinn, oder aus Faulheit, oder wegen eines liederlichen Streiches, Soldat worden, oder im Rausch, sondern es ist inwendig in ihm gesessen, und die Montur hat sich nur herausgekehrt. Solches wird sich alsobald offenbaren. Denn der Prinz Max, der damals ebenfalls nicht daran dachte, daß ein König in ihm stecke, nämlich der jetzige König von Bayern, ein gütiger Soldaten- und Menschenfreund, fand an ihm einen braven und ordnungsliebenden Soldaten und schenkte ihm bald seine Gunst. Eines Tags sagte er zu ihm: „Kuhmann", sagte der Prinz, „wenn du besser schreiben und rechnen könntest, lesen ohnehin, so sollte dir eine Unteroffiziersstelle nicht fehlen." Da lernte Kuhmann bei einem Landsmann, der damals in Straßburg studierte, Schreiben und Rechnen, und bracht's in kurzer Zeit bis zum Korporal, nein zum Sergeanten. Aber jetzt stand er an einem bösen Schlagbaum, über den er nicht springen konnte, weil er damals noch auf bürgerlichen Beinen stand. Denn wer damals bei dem Regiment Elsaß weiterkommen und Offizier werden wollte, mußte von adelicher Geburt und Herkunft sein, kein Webersknecht von Rohrbach. Als aber in derselbigen Zeit ein neues leichtes Dragonerregiment errichtet wurde, wo man's vermutlich im Anfang nicht so genau nahm, empfahl ihn der Prinz Max dem Inhaber desselben zu einer Offiziersstelle; so gütig war der Prinz. Also wurde jetzt der Sergeant Kuhmann Offizier bei dem Dragonerregiment von Cevennes. Drüber brach die Revolution aus, wo eine Kundschaft so gute Dienste leisten konnte, als ein Adelsbrief, und noch bessere. Kuhmann nahm keinen Anteil an den Unruhen und Untaten, sondern sagte: „Wenn alles revoluzioniert, so will ich meinem Kommandanten getreu bleiben." Also gehorchte er seinem Kommandanten, was er sagte und befahl, und half die Aristokraten fortjagen. In dieser Zeit also, und während des Kriegs, stieg er durch seine Tapferkeit von einer Ehrenstufe zur ändern, und war unter Napoleons Anführung nicht der letzte bei der siegreichen Schlacht von Marengo, und Napoleon muß ihn wohl gesehen haben, wie er mit seinen Schwadronen in die östreichischen Kugeln hineinritt. Denn als er das Veteranenfest in Paris gab, der Herr Kuhmann war bereits schon ein bejahrter Mann, und hatte nimmer viel Haare im Zöpflein, da ernannte ihn der Kaiser zum Obristen, ja zum Kommandanten der neuen Militärschule in Fontainebleau, ja zum französischen Reichsbaron, und schenkte ihm den Orden der Ehrenlegion. So weit hat's der Landsmann des geneigten Lesers, der Herr Christian Kuhmann von Rohrbach, Bezirksamt Gochsheim gebracht, und starb als ein hochgeehrter Mann den 18. Jänner 1811. Wenn er nicht ein edler Biedermann gewesen wäre, und nicht seine Untergebenen wie Kinder geliebt hätte, so hätten sie nicht gleich verlassenen Waisen an seinem Sarge geweint, und gesagt: „Wir haben unsern Vater verloren." So ein Wort auf den Weg in die Ewigkeit ist noch mehr wert, als der Titel Reichsbaron, meint der Hausfreund.

 
 
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