Die Besatzung von Oggersheim
(1812)
Zu Oggersheim
gegenüber von Mannheim, um die Wahl etwas weiter oben oder unten, je nachdem man
sich stellt, als im Dreißigjährigen Krieg unversehens die Spaniolen vor
Oggersheim anrückten, flohen fast alle Einwohner nach Mannheim. Nur zwanzig
Hausväter blieben zurück und hatten das Herz die Zugbrücke aufzuziehen und die
Tore zu schließen. Es gehört nicht viel Herz zum Schließen, aber zum öffnen.
Denn als der spanische Feldhauptmann Don Gonsalva hineintrompeten ließ: „Wenn
ihr bis morgen um diese Zeit den Platz nicht übergebt", ließ er hineintrompeten,
„alsdenn gebt acht, wer am Leben bleibt, wenn ich den spanischen Sturmmarsch
schlagen lasse, und doch hineinkomme", da sahen die Helden einander an und
sagten: „Der Weg nach Mannheim ist doch der sicherste." Nur einer dachte: Was
soll ich tun? Meine Frau steht an ihrem Ziel. Soll sie unterwegs oder gar auf
dem Rhein ins Kindbett kommen? In Gottes Namen ich bleibe da.
Als nun die andern
alle sich geflüchtet hatten, und er noch allein in dem Städtlein war, trat er
mit einem weißen Fähnlein auf die Stadtmauer, und rief in das spanische Lager:
„Kund und zu wissen sei euch im Namen des Herrn Kommandanten von Oggersheim, der
Garnison und der einsamen Bürgerschaft! Ihr sollt uns versprechen das Eigentum
zu schonen: und die protestantische Religion unangefochten zu lassen. Wenn ihr
dieses tut und halten wollt, so sollen euch in einer Stunde die Stadttore
geöffnet werden. Ich, der Trompeter." - Da sahen der Feldhauptmann und seine
Leute einander an. Ja, Nein - Nein, Ja. „Was sollen wir katholisches Blut
vergießen lassen", sagte endlich der Feldhauptmann, „um einen ketzerischen Altar
umzuwerfen, oder was werden wir in diesem Bauernstädtlein für Schätze finden";
und rief mit lauter Stimme: „Akkordiert!" Nach einer Stunde als der Feind mit
geschlossenen Reihen und Gliedern, mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel
einzog, am äußern Tor war niemand. - „Sie werden am Innern sein." Am innern Tor
war auch niemand. - „Sie werden auf dem Platz sein." – Auf dem Platz stand
mutterseelallein mit dem weißen Fähnlein der herzhafte Bürgersmann. „Was soll
das heißen? Wo ist der Kommandant und die Besatzung, wo ist der Burgermeister
und der Rat." Da fiel der Bürgersmann vor dem Feldhauptmann auf die Knie nieder:
„Gnädiger Herr, ich bin der einzige, der sich Euerer Großmut anvertraut hat. Die
andern sind nach Euerer Aufforderung alle nach Mannheim geflohen. Nur meine Frau
ist noch bei mir im Städtlein, aber ein ehlenlanger Rekrut wird nächster Tagen
eintreffen. Unterdessen bin ich mein eigener Kommandant und mein Trompeter, mein
Gemeiner und mein Profos. Wenn ich seit gestern hätte desertieren wollen, ich
hätte mich selber wieder einfangen und Spießruten jagen müssen." Da lächelte der
Feldhauptmann und hieß ihn aufstehn, und obgleich die Spanier zur Zeit des
Dreißigjährigen Kriegs keinen Spaß verstanden, so leistete er doch was er
versprochen hatte, und noch mehr. Denn als den ändern Morgen der brave
Bürgersmann wieder zu dem Feldhauptmann kam, „Ihro Gnaden", sagte er, „wolltet
Ihr mir nicht auf eine Viertelstunde Euern Feldpater leihen, wenn er evangelisch
taufen kann? Der ehlenlange Rekrut ist angekommen und schon einquartiert", da
sagte der Feldhauptmann: „Ja braver Kamerad und ich will Gevattermann sein und
dein Kind zur Taufe halten." Also hielt der General das Kind zur Taufe und
schenkte ihm ein spanisches Goldstück zum Andenken. Den folgenden Tag zogen die
Spaniolen wieder weiters.
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