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Belehrung über das Wetterglas   (1819)
 
Mancher geneigte Leser hat auch sein Wetterglas im kleinen Stüblein hängen, nicht erst seit gestern, denn die Fliegen haben auch schon daran geschaut, was der Himmel für Wetter im Sinn hat, also daß der Mensch nicht mehr viel daran erkennen kann. Mit einem nassen Tüchlein von Zeit zu Zeit wäre zu helfen. Aber das scharfe Aug des Lesers hat's noch nicht vonnöten. Jetzt schaut er's bedenklich an, und sagt: „Morgen können wir noch nicht mähen auf den untern Matten." Jetzt klopft er ein wenig an dem Brettlein, ob sich denn das Quecksilber gar nicht lupfen will, als wenn er es wecken müßte, wie aus einem Schlaf oder aus tiefen Gedanken, und wenn es ein wenig ob sich geht, so heitert sich in seinem Herzen die Hoffnung auf. Aber doch weiß er nicht recht, wie es zugeht, und fragt den Hausfreund. Der Hausfreund hat kein Wetterglas. Wozu braucht ein Kalendermacher ein Wetterglas, der den Sonnenschein und Regen des ganzen Jahres im Kopf trägt, und selber eins ist. Die Leute, die mit ihm umgehen, haben es gut. Einmal sagen sie: „Das Wetter hält nimmer lang an. Der Kalendermacher wird unleidlich." Ein andermal, wenn er ruhig ein Schöpplein trinkt, oder er raucht Tabak, und es werden Ringlein im Rauch, wenn's noch so arg regnet, so sagen sie: „Das Wetter bessert sich, der Kalendermacher sieht heiter aus, und raucht Ringlein."
Gleichwohl weil der wißbegierige Leser den Hausfreund fragt, wie es mit den Wettergläsern zugeht, will er's sagen.
Merke:
Erstlich: Ein braves Wetterglas hat an der Spitze des Kölbleins oder Köpfleins, worin sich das Quecksilber sammelt, eine kleine Öffnung.
Zweitens: Sonst meint man, wo nichts anderes ist, dort sei doch wenigstens Luft. Aber oben in der langen Röhre, wo das Quecksilber aufhört, bis ganz oben, wo die Röhre auch aufhört, ist keine Luft, sondern Nichts, reines klares, offenbares, nie gewesenes Nichts.
Dies wird erkannt, wenn man das Wetterglas langsam in eine schiefe Richtung bringt, als wollte man es umlegen, so fährt das Quecksilber, durch den leeren Raum hinauf bis an das Ende der Röhre, und man hört einen kleinen Knall. Dies könnte nicht geschehen, wenn noch Luft darin wäre. Sie würde sagen: „Ich bin auch da. Ich muß auch Platz haben."
Drittens: Die Luft, die die Erde und alles umgibt, drückt unaufhörlich von oben gegen die Erde hinab, ja sie will vermöge einer inwendigen Kraft unaufhörlich nach allen Seiten ausgedehnt, und sozusagen ausgespannt sein, bis auf ein Gewisses.
Denn sie ist Gottes lebendiger Atem der die Erde einhüllt, und alles durchdringt und segnet, und hat gar viel verborgene Wunder. Also geht die Luft durch jede offene Türe, ja durch jedwedes Spältlein in die Häuser, und aus einem Gehalt in das andere, und durch die kleine Öffnung an der Spitze des Kölbleins hinein, und drückt auf das Quecksilber, und die Luft, welche noch außen ist, drückt immer nach, und will auch noch hinein. Ei, sie drückt und treibt, das Quecksilber in der langen Röhre gewöhnlich zwischen 27 und 28 Zoll weit in die Höhe, bis sie nimmer weiterkann. Denn wenn das Quecksilber in der Röhre einmal eine gewisse Höhe erreicht hat, so drückt es vermöge seiner eigentümlichen Schwere der Luft wiederum dergestalt entgegen, daß beide in das Gleichgewicht treten. Da strebt gleiche Kraft, gegen gleiche Kraft, und keines kann dem andern mehr etwas anhaben. Die Luft spricht: „Gelt du mußt droben bleiben!" Das Quecksilber spricht: „Gelt du bringst mich nimmer höher!"
Merke viertens die Hauptsache: Der Druck und die Spannung in der Luft bleibt nicht immer gleich, einmal stärker, ein andermal schwächer. Die Gelehrten wissen selbst noch nicht recht, wo dieses herrühren will, nicht einmal der Hausfreund. Wird nun die Ausspannung der Luft auf einmal stärker, so daß man sagen kann, sie gewinne neue Kraft, so drückt sie auch um das stärker auf das Quecksilber im Kölblein also, daß es in der Röhre höher hinaufmuß, manchmal bis über 28 Zoll hinaus. Sobald aber die Ausdehnung der Luft im geringsten nachläßt, drückt im Augenblicke die Schwere des Quecksilbers in der Röhre nach gegen das Kölblein, bis sie mit dem Druck der Luft wieder im gleichen ist, welchergestalt also das Quecksilber in der Röhre sinkt, manchmal bis unter 27 Zoll hinab. Also steigt und fallt das Quecksilber, oder wie man sagt das Wetterglas, und sein Steigen und Fallen ist übereinstimmend mit dem unaufhörlichen Wechsel in der Luft. Solche Gnade hat Gott dem Menschen verliehen, daß ihm in gläsernen Röhren sichtbar werden kann, was in der unsichtbaren Luft für eine Veränderung vorgeht. Allein der geneigte Leser ist vorsichtig, und glaubt nicht alles auf das Wort. Merke also:
Fünftens, der Beweis: Wenn die Mutter gebacken hat, und das Büblein ißt ein Stücklein lindes Brot, es beißt nicht schlecht hinein, und schmeckt ihm wohl; - klaubt es nun ein Grümmlein von dem Brot herab, und zerdrückt es mit den Fingern, daß gleichsam wieder ein Teig daraus wird, und stopft damit die Öffnung an dem Kölblein zu, von dem Augenblicke an geht das Quecksilber nimmer ob sich und nimmer unter sich, sondern bleibt unaufhörlich stehen, wie es stand. Warum. Weil die Luft nimmer auf das Quecksilber wirken kann, bis es endlich der Vater entdeckt, und hätte den besten Lust, er gäbe dem Büblein eine Ohrfeige, - wer weiß, was er tut, wenn's zum 2tenmal geschieht.
Wenn es ihm aber mit feiner Vorsicht gelungen ist, die Öffnung wieder freizumachen, die Luft kann wieder auf das Quecksilber drücken wie vorher, stärker oder schwächer, alsdann fangt es auch wieder an lustig zu steigen und zu fallen. Also rührt die Veränderung in dem Stand des Quecksilbers von der Luft her, welche durch die Öffnung des Kölbleins hineingeht, und auf das Quecksilber drückt.
Daß aber die Luft allein es sei, welche imstand ist mit wunderbarer Kraft, das Quecksilber
28 Zoll hoch in die Röhre hinaufzutreiben, und in dieser Höhe schwebend zu erhalten, ist der Beweis, wenn die Röhre oben an der Spitze abbricht, und die Luft jetzt dort auch hineinkommt, wo vorher keine war, fällt das Quecksilber in der Röhre auf einmal so tief herab, bis es demjenigen als in dem Kölblein steht, gleich ist, und hat alsdann alles ein Ende, denn die Luft in der Röhre und die Luft in dem Kölblein drückt jetzt mit gleicher Gewalt, gegeneinander, und vernichtet ihre Kraft an sich selber, also daß das Quecksilber freies Spiel bekommt, und seiner eigenen Natur folgen kann, die da ist, daß es vermöge seiner Schwere hinuntersitzt, bis auf den Boden, oder auf das Unterste des Raumes, worin es eingeschlossen ist.
Merke sechstens und endlich: Es hat eine lange Erfahrung gelehrt, wenn die Luft anfangt sich stärker auszudehnen und zu drücken, daß alsdann gemeiniglich auch das Wetter heiter und schön wird. Wenn sie aber nachläßt, und gleichsam matt wird, man weiß nicht warum, so macht sich gewöhnlich ein Regen zurecht, oder ein Sturmwind, oder ein Gewitter. Welchermaßen nun das Steigen und Fallen des Quecksilbers einen stärkern oder schwächern Druck der Luft anzeigt, solchermaßen kündiget es auch zum voraus Sonnenschein und Regen an, wenn nichts anders dazwischenkommt. Bisweilen aber fallieren alle Zeichen und Hoffnungen, wie dem Leser wohlbekannt ist.
Denn der liebe Gott hat auch noch allerlei andere kleine Hausmittel um den Wechsel der Witterung zu hindern oder zu fördern, welche er bis jetzt noch niemand verraten hat. Die Wettergelehrten ärgern sich schon lange darüber.
Solche Bewandtnis hat es mit der Einrichtung und den Eigenschaften des Wetterglases. Ein andermal will der Hausfreund vortragen, was bei der Beobachtung desselben zu beobachten ist. Merke einstweilen noch: Wenn man dem Ding einen gelehrten Namen geben will, was zwar nicht nötig ist, so muß man nicht sagen oder schreiben: Perometer, sondern Barometer.

 
 
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