Ein Vergleich der Erstauflage von 1803
mit der von Hebel geänderten Version ab der 3. Auflage 1806

 
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1803 erschien die Erstauflage der Alemannischen Gedichte, sie wurden in der 2. Auflage 1804 unverändert gedruckt.
1806 erschien die von Hebel korrigierte und veränderte 3. Auflage, die wiederum der 4. und den folgenden Auflagen als Druckvorlage diente.
(Siehe auch die Vorworte Hebels zu den einzelnen Auflagen, insbesondere zur 4.)

Das Internet bietet nun die einmalige Gelegenheit, die Unterschiede der beiden Versionen in einer "Paralleldarstellung"
schnell und übersichtlich deutlich zu machen.
 
    1. + 2.  Auflage,  1803 + 1804

 

Der Storch

Nach dem Frieden
 
Willkumm Her Storch! bisch au scho do,
und schmecksch im Weiher d'Frösche scho?
Und meinsch, der Winter heig si Sach,
und 's besser Wetter chömm alsgmach?

He io, der Schnee gieng überal;
me meint, es werd scho grün im Thal.
Der Himmel isch so rein und blau,
und 's weiht ein a so mild und lau.

Nei loset, wiener welsche cha!
Verstoht men au ne Wörtli dra?
Drum chunnt er über Strom und Meer
us wite fremde Ländere her.

Was bringsch denn Neu's us Afrika?
Sie hen gwis au so Umständ gha,
und d'Büchse gspannt, und d'Säbel g'wetzt,
und Freiheits-Bäum vor d'Chilche gsezt?

De hesch so rothi Strümpfli a.
Isch öbbe Bluet vom Schlachtfeld dra?
Wo hesch die schwarze Fegge gno?
Bisch öbbe z'noch an d'Flamme cho?

Um das hättsch über Land und Meer
nit reise dörfe hi und her 
vom Rhi'-Strom bis in Afrika;
De hättschs io in der Nööchi g'ha.

Mer wüsse leider au dervo,
und mengi Wunde blutet no,
und 's drukt no menge Chummer schwer,
und menge schöne Trog isch leer.

Und witer an den Alpe hi
ischs, Gott erbarms, no ärger gsi,
und Weh und Ach het usem Wald
und us de Berge widerhallt.

Ans Wilhelm Telle Freiheits-Hut
hangt menge Tropfe Schwitzerblut.
Wie hets nit ummen blitzt und g'chracht,
und dunderet in der Wetter-Nacht!

Doch öbben in der Wetter-Nacht
het Gottis Engel au no gwacht.
Was peppersch? Mer verstöhn di nit!
Schwetz dütli, wenn de rede witt!


Gang, hol ein 's Becke Chasperli!
Er isch e Rung im Welschland gsi;
er het emol go Vivis gschmekt,
und wie der Storch si Schnabel g'strekt.

und welsche chaner, 's isch e Gruus;
es blibt ke Mentelen im Hus,
und 's Glas stoht an de Fenstern ab;
wer weiß, verstoht er Chlip und Chlap!

Zwor würd' er andri Gschäfte ha;
er martschet näume, wenn er cha
"Jez Chrütz im Baum, und Sakertie!
ne Mos verspielt! Potz Mundie!" -

's isch gnug, Her Storch! Mer wüsse's scho,
und was de seisch, mer glaube's io!
Es freut di au, aß 's Dorf no stoht,
und alles gsund isch - dank der Gott!

's isch au nit alles grad und recht,
und 's Nochbers Chind isch sölli schlecht;
mi Gschwey het hinecht bynem gwacht,
's het Gsichter gha die ganzi Nacht.


Sust möchts, Gottlob, so ziemli go,
und 's Feld-Piket isch nümme do;
wo Lager gsi sin Zelt an Zelt,
goht iez der Pflug im Ackerfeld.

Und der, wo d' Storche heißet cho,
und d'Rabe nährt, isch au no do,
er schafft den Arme Brot ins Hus,
und heilt die alte Presten us.

Und wo me luegt, und luege cha,
se lächlet ein der Frieden a,
wie Morgeliecht, wenn d' Nacht vergoht,
und d' Sunne hinter de Tanne stoht.

Gang, lueg e wenig d' Gegnig a!
I glaub, de wirsch e Gfalle ha.
Mi Matten isch der wohl bikannt,
am Brunnen abe linker Hand.

Und trifsch am Bach e Fröschli a,
sen ischs der gunnt. Verstick nit dra!
Und, was i bitt, loß d'Imme goh!
Mi Große seit, sie fliege scho.

 

3.  und die folgende Auflagen,  1806 ff

 

Der Storch

Nach dem Frieden
 
Willkumm Her Storch! bisch au scho do,
und schmecksch im Weiher d'Frösche scho?
Und meinsch, der Winter heig si Sach,
und 's besser Wetter chömm alsgmach?

He io, der Schnee gieng überal;
me meint, es werd scho grün im Thal.
Der Himmel isch so rein und blau,
und 's weiht ein a so mild und lau.

Nei loset, wiener welsche cha!
Verstoht men au ne Wörtli dra?
Drum chunnt er über Strom und Meer
us wite fremde Ländere her.

Was bringsch denn Neu's us Afrika?
Sie hen g'wis au so Umständ gha,
und d'Büchse gspannt, und d'Säbel g'wetzt,
und Freiheits-Bäum vor d'Chilche gsetzt?

De hesch so rothi Strümpfli a.
Isch öbbe Bluet vom Schlachtfeld dra?
Wo hesch die schwarze Fegge g'no?
Bisch öbbe z'noch an d'Flamme cho?

Um das hättsch über Land und Meer
nit reise dörfe hi und her 
vom Rhi-Strom bis in Afrika;
De hättsch io in der Nööchi gha.

Mer wüsse leider au dervo,
und mengi Wunde blutet no,
und 's drukt no menge Chummer schwer,
und menge schöne Trog isch leer.

Und witer an den Alpe hi,
ischs, Gott erbarms, no ärger gsi,
und Weh und Ach het usem Wald
und us de Berge widerhallt.

Ans Wilhelm Telle Freiheits-Hut
hangt menge Tropfe Schwizerblut.
Wie hets nit ummen blitzt und g'chracht,
und dunderet in der Wetter-Nacht!

Doch öbben in der Wetter-Nacht
het Gottis Engel au no g'wacht.
"Jo frili", seit er, "Chlip und Chlap!"
und schwenkt der Schnabel uf und ab.


Gang Muetter, und heiß 's Büebli cho!
Lueg, Chind, di Storch isch wieder do!
Sag: Grüeß di Gott! Was bringsch mer mit?
I glaub, bym Bluest, er chennt di nit.

's macht's weil d' so groß und sufer bisch,
und 's Löckli chrüser worden isch.
Fern hesch no se ne Jüppli gha,
iez hesch scho gstreifti Hösli a.

Er pepperet noch alliwil,
und 's schint, er wiß no sölli viel.
Es goht em au, wie mengem Ma,
er het si Gfalle selber dra.

's isch gnug, Her Storch! Mer wüsse's scho,
und was de seisch, mer glaube's io!
Es freut diau, aß 's Dorf no stoht,
und alles gsund isch - Dank der Gott!

                      
                      
                      
                      

He io, 's mag wieder ziemli go,
und 's Feld-Piket isch nümme do;
wo Lager gsi sin Zelt an Zelt,
goht iez der Pflug im Ackerfeld.

Und der, wo d'Storche heißet cho,
und d'Rabe nährt, isch au no do,
er schafft den Arme Brot ins Hus,
und heilt die alte Presten us.

Und wo me luegt, und luege cha,
se lächlet ein der Frieden a,
wie Morgeliecht, wenn d'Nacht vergoht,
und d'Sunne hinter de Tanne stoht.

Gang, lueg e wenig d'Gegnig a!
I glaub, de wirsch e Gfalle ha.
Mi Matten isch der wohl bikannt,
am Brunnen abe linker Hand.

Und trifsch am Bach e Fröschli a,
sen ischs der gunnt. Verstick nit dra!
Und, was i bitt, loß d'Imme goh!
Mi Große seit, sie fliege scho.

 

       
     Der Text links folgt dem in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe vorhandenen und digitalisierten Exemplar der 1. Auflage von 1803.
Der Text rechts folgt dem für diese Website auch sonst verwendeten Referenzwerk: Johann Peter Hebel, Poetische Werke, Winkler Weltliteratur, München 1961
(Diese folgt weitestgehend der 5. Ausgabe(!), erschienen 1820 bei H. R. Sauerländer in Arau).

Alle Unterschiede der beiden Texte - Änderungen, Hinzufügungen und Weglassungen wurden links gelb hinterlegt, rechts (soweit möglich und sinnvoll) rot dargestellt.

 

 
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