Anmerkungen zur Schreibung der "Alemannischen Gedichte"
 

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Bei den alemannischen Gedichten war der Gedanke maßgebend, den Text in
der Form darzubieten, die für Hebel die endgültige war. Das heißt, dass nicht die Erstausgabe von 1803 zugrunde gelegt wurde, sondern die erweiterte fünfte
Auflage von 1820. Die von Hebel in diese Sammlung nicht aufgenommenen oder später entstandenen Gedichte bringen wir in der Form, in der sie innerhalb der Werke von 1832 - 34 erschienen sind, bzw. nach Längins Erstdrucken.

Hebels Versuch, die Mundart schriftlich zu fixieren, musste unweigerlich zu einer Reihe von Inkonsequenzen führen, die vor allem die Schreibung betreffen und daher Verschiedenheit der Aussprache nahelegen, auch wo dies gar nicht der Fall ist. So schreibt Hebel überwiegend u statt ue in Wörtern wie Buch, Tuch; ü statt üei in Frühlig (obwohl er in der Vorrede ausdrücklich auf den Triphthong hinweist); er läßt zuweilen auch i statt ie in Licht, um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Bemühungen der neueren Ausgaben um Vereinheitlichung der Schreibweise sind daher durchaus verständlich, gehen sie doch mehr oder weniger alle von dem Gedanken aus, altes Sprachgut vor dem Vergessenwerden zu bewahren.

Die Folge dieses Vorgehens aber ist, dass es kaum noch zwei übereinstimmende Ausgaben gibt. So schien es ratsam, auf die Quellen, d. h. in diesem Fall die alten Ausgaben, soweit wie möglich zurückzugehen und den Text auch hinsichtlich Orthographie und Interpunktion in der Originalgestalt wiederzugeben.

Dieser Rückgriff auf die alten Ausgaben hat nur eine große Schwierigkeit: zu den auf Hebel zurückgehenden Inkonsequenzen treten die durch die Setzer verursachten hinzu, die meistens in einer Verschleifung bzw. Tilgung alemannischer Formen zugunsten des Hochdeutschen bestehen, darüber hinaus in einer Reihe von üblichen Druckfehlern. Hier war es unerlässlich, an Hand der Erstausgabe bzw. der in Zeitschriften und Taschenbüchern abgedruckten Erstfassungen zu bessern. In Zweifelsfällen wurde hier die Behaghelsche Ausgabe herangezogen, die, anders als die neueren Ausgaben, Hebels Inkonsequenzen weitgehend berücksichtigt.

Diese Verbesserungen im einzelnen anzuführen ginge zu weit; da sich bestimmte Fälle immer wiederholen, mögen sie hier summarisch zusammengefasst werden.

Im Bereich des Vokalismus begegnet am häufigsten e statt i, und zwar sowohl in Vor- und Nachsilben wie auch in der Stammsilbe, bei Wörtern wie: ihri, bikenne, verschrickt; a statt e: het, sparsem; a (ä) statt o (o): mal, g'föhrli; o statt u: Wuche; häufig steht so statt se. Entsprechend dem Hochdeutschen fehlt der Umlaut in Wörtern wie g'wäschen, Aesche, dort; umgekehrt findet sich Umlaut, wo das Alemannische umlautlose Formen hat: dünkt. Inkonsequent ist auch der Gebrauch von sie (= sie) und si (= sein; sich); häufig war sie aus si zu verbessern, einigemal umgekehrt si aus sie. Hochdeutsch rr statt r — d. h. Kurzvokal statt Langvokal — findet sich in Pfarer, Her, Gschir. Endlich sei auf die Vorsilbe ge- hingewiesen, die hin und wieder die vokallose alemannische Form verdrängt hat in Wörtern wie: z'semmegsetzte, gfallt.

Im Bereich des Konsonantismus sei zunächst auf das hochdeutsche ch statt dem früher üblichen g aufmerksam gemacht: menschlig, chünstlig; ferner findet sich zuweilen ch, wo die alemannische Form keinen entsprechenden Konsonanten hat: grüseli, liebli, no (statt: noch), i (statt: ich), nit. Umgekehrt steht hochdeutsch h an Stelle des alemannischen ch: höchere, hoche; oder k an Stelle von ch: chünstlige. Ferner wurde verbessert: vertschlofe aus verschlofe (das erstemal von Hebel verbessert, das zweitemal wohl übersehen). An Einzelfällen seien noch erwähnt: Thurm statt Thurn (allgemein verbreitete ältere Form), anfangs statt afangs, euerm statt euem. Schließlich sei auf das Binde-n zwischen zwei Vokalen hingewiesen, das Hebel selbst nicht konsequent setzte und das vor allem bei den nach 1820 erschienenen Gedichten, wie sie die Ausgabe von 1834 bietet, häufig fehlt. Es wurde an Hand der Erstdrucke eingefügt.

Neben diesen hochsprachlichen Formen, die sich in den alemannischen Text eingeschlichen haben, gibt es noch eine Reihe weiterer Druckfehler, die zum Teil auf fehlerhafte Lesung der Hebelschen Manuskripte zurückgehen dürften. Sicher gilt das von Uihl statt Uehl (Hebel schrieb: Ühl, die ü-Punkte und der für Hebel charakteristische Abwärtshaken des U wurden für i gelesen). Der Wechsel zwischen chunt und chunnt, chum und ckumm wird zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass Hebel das Doppel-n häufig durch darüber angebrachten Strich bezeichnete, den er hin und wieder vergaß. Hier wurde an Hand der Erstausgabe verbessert. Das gilt auch für verbey aus verby. Unsicherheit herrscht auch im Gebrauch von as (= wie, als) und (= daß).

 

O. a. Anmerkungen aus:

 J.  P. Hebel: "Poetische Werke", Winkler Verlag München, 1961
(Referenzwerk für die Schreibung auf dieser Website)


Längin: - "Aus J. P. Hebel's ungedruckten Papieren",  Hrsg. v. Georg Längin, Tauberbischofsheim 1882

Behagel: - "Hebel's Werke", Hrsg. v. Otto Behagel, Berlin & Stuttgart 1883

 

   
 
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