zurück zur Briefübersicht

 

   

AN CHRISTOF ADAM WAGNER [?]

   

[Oktober 1803]              

Das heilige Feuer der Reimerei,
es lodert mir wieder nagel — frisch
im Herzen auf. Drum muß ich entweder
die Zuflucht ergreifen zu Dinte und — Schreibkiel,
das muß ich, oder die dichterische Glut
verzehrt mir noch diesen Abend mein — Mark,
O Freund, wie eilen die Zeiten und Stunden!
Ich hab mich verlohren und wieder — erhalten,
ich schwamm in dem rauschenden Strome der Zeit,
mir selber ein Räthsel, viel Monate — lang
durch Schule und Kirche, durch Opern und Bälle,
bald hochgetragen von steigender — Woge,
bald niedergetaucht auf den kiesigen Grund,
verhaltend die Ohren, die Nas' und das — Maul.
Doch iezt bin ich wieder im sichern Kahne,
geleitet von Steuer und Kompaß und — Wimpel,
und schaue, wiewohl noch mit triefendem Haupt,
ans Ufer, das schon der Auctumnus — entblöst.
Wer bot mir die freundliche Hand in das Wasser
und sprach: „Komm, laß dich retten, du — Feuchter,
Du mußt dich erst stellen vors Ketzergericht,
eh' Du ersaufest, Du heidnischer — Bursch!" ...
„O pater peccavi! Verschone, verschon'
und nicht nach Verdienst meine Werke — bezahl',
dem Catechismus nicht breche den Stab,
du schnittest den Faden des Lebens mir — durch.
Wirf lieber mich wieder in Wasser und Fluth,
als daß Du mich grausam läßt braten in — Kohlen
des Scheiterhaufens durchs Ketzergericht;
das Braten liebt' ich mein Lebenlang — nie."
Schon seh ich mich in das Thal Josaphat führen,
schon seh ich die strafende Flamme — anblasen,
ich höre ihr Krachen, ich athme den Rauch
und halte vor Angst und Schrecken den — Leib. ...
Ich wollte ia nicht den tröstenden Glauben
auf sühnende Gnade dem Christenvolk — stehlen.
Die Werke sind nöthig, der Glauben ergänzt sie,
die Tugend macht selig, der Glauben — bekrönt sie,
auch wollt' ich nicht den höllischen Drachen
zu einem geflügelten Eichhörnchen — bilden,
er ist ein Teufel; der Antichrist selber
bekennt es mit Zittern. Doch ob ihn ein — rother,
ein gelber, ein schwarzer Balg niedlicher kleide,
ist Sache des Gusto; das wissen wir — alle.
Auch wollt' ich nicht gegen Dreieinigkeit lehren,
doch auch nicht den Kindern die Köpfe — verdrehen.
Wie Drei sich binden in Einem, wie Eines
in Drei sich spaltet, ergründet doch — niemand.
Sei selber Sohn Gottes in Demuth und Güte,
und trage den heiligen Geist im — Busen,
so wird Dir kein ketzrischer Grundsatz gefährlich,
so sind die Symbole und Formeln — nicht nöthig.
Auch wollt' ich — doch was seh ich? Sie reichen
mir freundlich die Rechte zum tröstenden — Pfände
der Sühnung. Mein Catechismus von Ihnen
gebilligt, bewundert, empfohlen wird — blühen!
Gern bin ich reciproce Ihnen erböthig;
doch ist Ihrem Werke mein Beifall — entbehrlich.
Ein Wort im Vertrauen: sie wandern selbander
zur druckenden Presse; Herr Kirchenrath — Gockel
ist auch der Meinung. Das Ding ist erwerblich
und macht uns bei sterblichem Leibe — verewigt;
zumal, wenn wir dem schwedischen König
und seiner Gemahlin ganz — ergebenst
das Werk präsentiren in Ruck und Eck:
500 Dukaten sind auch kein — Spaß.
Auch soll der Bischoff von Upsala nimmer
vor Altersschwäche und Krankheit das — Lager
verlassen ... und der Rektor alldorten
sei auch allmählich ein achtz'ger — etwa.
Freund, gehn wir! Wir haben uns lange geschmeidigt,
das Vaterland hat uns mit Undank — vergolten.
Verdienst gilt nichts. Verwandtschaft ist Meister.
Den Vetter bedenkt man mit Zulag und — wiß er
viel oder wenig. Der Churfürst muß blechen,
sonst thut man mit ihm ein ander Wort — reden.
Für uns gelingt nicht der bescheidenste Wunsch.
Der Vetter frißt Braten, sauft Rheinwein und — Liqueur;
und wird mit Arbeit das Leben ums halb
verkürzt und verkümmert. Der Vetter, das — Kind,
darf schlafen bis acht Uhr, spaziren bis zwölf
und Nachmittags spielen bis Abends um — zehn. ...
Doch nur Geduld, bald drehn sich die Sachen,
in Schweden, da werden wirs ebenso machen.
Nur dächt ich, Herr Bischoff, Hochwürden und Gnaden,
Sie thäten ein Schiff guten Laufener laden,
ließen zur Vorsorg den Weinberg noch lesen,
den Most in geräumigen Fässern vergässen.
Ein freudiger Herbst sei Ihnen bescheert:
So ist mir der Wunsch meines Herzen gewährt.

 

 

  zurück zur Briefübersicht

keine Unterschrift vorhanden




zurück zum Christlichen Katechismus

nach oben