zurück

 Die Gründung der Basler Hebelstiftung

   
Am 3. Mai 1860 erschien in den «Basler Nachrichten» ein großes lnserat:
 
       
HEBELFEIER IN BASEL

...so ladet der Unterzeichnete Diejenigen ... ein,
welche an einer einfachen und gemüthlichen Feier
auf
E. E. Zunft zu Safran ... teilnehmen wollen...
 Fr. Burckhardt-Brenner.
 
 
     
Der Aufruf verfehlte seine Wirkung nicht. Es waren 54 Gäste im Safransaal vereinigt, ein beachtlicher Teil von Basels geistiger und gesellschaftlicher Elite, der in Gemeinschaft mit Vertretern weiterer Bürgerschichten das Vorhaben Fritz Burckhardts - eines damals noch nicht 30-jährigen Gymnasiallehrers - begrüßte. Vor allem gaben eine Reihe von Standes- und Universitäts-Persönlichkeiten dem jungen Initianten die Ehre ihres Besuches und bekundeten damit ihre Verehrung für den alemannischen Dichter.
 
Fiskal Dr. Johann Rudolf Burckhardt hatte entscheidend in den Verlauf der Veranstaltung eingegriffen. Noch während des Essens hatte er eine Subskriptionsliste in Umlauf gesetzt und als Erster darauf 10 Fr. gezeichnet. Im Umsehen waren 500 Franken beieinander, die nachträglich durch das begeisterte Herumgehen
Prof. Christian Schoenbeins "als Kapuziner" auf die stattliche Summe von 2270 Fr. anwuchsen.

Damit war der Weg gebahnt zur Gründung der «BASLER HEBELSTIFTUNG 1860»

Noch am selben Abend wurde eine Kommission bestellt, bestehend aus den Herren:
Fritz Burckhardt-Brenner, Ratsherr Prof. Peter Merian, Ratsherr Prof. Wilhelm Vischer-Bilfinger,
Prof. Christian Friedrich Schoenbein und Dr. Eduard Thurneysen-Gemuseus.

 
   

 



     Fritz Burckhardt-Brenner                  Prof. Peter Merian                   Prof. Christian Schoenbein      



Prof. Wilhelm Vischer-Bilfinger      Fiskal Dr. Johann Rudolf Burckhardt        Dr. Eduard Thurneysen        



Wer waren diese Männer ?

Fritz Burckhardt (27. Dez. 1830 bis 3. Febr. 1913) wurde als Sohn des Basler Regierungsstatthalters in Sissach geboren. Er besuchte in Basel Gymnasium und Paedagogium und studierte an der Universität Mathematik und Botanik. Mit Jacob Burckhardt und Arnold Böcklin war er freundschaftlich verbunden. Schon als 22jähriger fand er eine Anstellung am Gymnasium als Mathematiklehrer. Neben dem Schuldienst war Burckhardt ein eifriges Mitglied der Liedertafel und des Gesangvereins sowie des Bürgerturnvereins, und im Freundschaftskreis des «Leimsutt» kamen auch seine poetischen Neigungen zur Auswirkung, die sein initiatives Vorgehen im Hebel-Jahr 1860 erklären. Auch am 400. Universitätsjubiläum und am Eidgenössischen Turnfest im gleichen Jahr war er organisatorisch eifrig beteiligt. Der Dank des Gemeinwesens für sein vielseitiges Wirken blieb nicht aus: 1865 wurde ihm der philosophische Ehrendoktor verliehen, und ein Jahr später erfolgte die Ernennung zum außerordentlichen Professor der Physik. Der medizinische Ehrendoktor folgte später nach für seine Bemühungen um Volkshygiene und Krankenpflege.
Burckhardts Vorlesungen an der Universität befassten sich, neben der Mathematik, besonders mit Problemen der Optik. 1869 wurde er Rektor der Gewerbeschule (der spätem Oberen Realschule), 1875 Rektor am Gymnasium und Paedagogium, was für ihn, den Nichtphilologen, eine besondere Anerkennung bedeutete. Im Jahre 1902 trat Burckhardt vom Rektorat, 1908 von allen Ämtern zurück.
Der Kommission der Hebelstiftung war er von 1868 bis 1907, also während fast vierzig Jahren, der stets bemühte, treue Präsident. Am Hebelmähli nahm er letztmals 1909 persönlich teil, es war sein vierzigstes.

Peter Merian (20. Dez. 1795 bis 8. Febr. 1883) war die Verkörperung des konservativen Basler Staatswesens und zugleich eine der markantesten Erscheinungen schweizerischen Gelehrtentums. Er war Akademiker und Regierungsmann in einer Person, eine Erscheinung, wie sie heute in diesem Ausmaß nicht mehr möglich wäre.
Die Vorliebe für die Naturwissenschaften war bei ihm schon früh ausgeprägt; er studierte sie in Genf, Basel und Göttingen und erweiterte nach dem Magisterexamen seine Bildung auf Auslandsreisen.
Schon als Dreißigjähriger wurde Merian zum ordentlichen Professor für Physik und Chemie ernannt. Seine Lieblingsfächer blieben aber Geologie und Paläontologie. Ihm verdanken wir die erste wissenschaftliche Darstellung des geologischen Aufbaus der Basler Gegend, der Trennung des Juras in Ketten- und Tafeljura. Er wies auf die Möglichkeit von Steinsalzlagern im Rheintal hin, was zu Probebohrungen und 1841 zur Einrichtung der Rheinsalinen Schweizerhalle führte.
Daneben beschäftigte ihn auch die Meteorologie, besonders die Erdbebenforschung. Er hat die Reihe der in Basel wahrgenommenen Erschütterungen des Erdbodens vom Jahr 1000 bis ans Ende des 18. Jahrhunderts verfolgt und geschildert.
Nebenher lief eine nie abbrechende Sammeltätigkeit auf verschiedenen Arbeitsgebieten zugunsten der Basler Museen. Auch die Geschichte der Wissenschaften und der wissenschaftlichen Institute und Gesellschaften, vor allem die der Universität, beschäftigte ihn dauernd. Dazu kam seine nimmermüde Tätigkeit in öffentlichen Ämtern: im Grossen und im Kleinen Rat (Regierung), im Staatskollegium, im Erziehungskollegium, in der Universitätskuratel usw.
Das Rektorat der Universität hatte er dreimal inne, so im Jubiläumsjahr 1860.
Musisch veranlagt wie Fritz Burckhardt war er nicht, er machte keine Gedichte; aber Hebel schätzte er.
Als Erscheinung war und blieb Peter Merian bis ins hohe Alter der selbstbewusst blickende altbaslerische «Ratsherr».

Christian Friedrich Schoenbein (18. Okt. 1799 bis 29. Aug. 1869) war kein Basler, sondern Schwabe aus Metzingen. Er kam erst 1828 als Assistent Peter Merians in die Stadt. Schoenbein fühlte sich aber in Basel bald völlig heimisch und fand hier den günstigen Boden für seine hervorragende Laufbahn als schöpferischer Chemiker. Von Anfang an wies er sich auch über ein ausgezeichnetes Lehrtalent aus, so dass ihm, dem noch nicht Graduierten, schon ein Jahr später seine Fakultät den Ehrendoktor verlieh. Als 1850 Peter Merian sich ganz auf die Geognosie beschränkte, wurde Schoenbein ordentlicher Professor für Physik und Chemie. Er entfaltete bald eine Forschertätigkeit, die seinen Namen in der ganzen wissenschaftlichen Welt berühmten machen sollte.
Seine Entdeckung des Ozons und die Erfindung der Schiessbaumwolle, die erstmals bei den Sprengungen für den Isteiner Tunnel sich bewährte, sowie die Konstruktion des Kollodiums gehörten zu seinen bedeutsamsten Leistungen. Dabei waren sie nicht in einem raffiniert ausgestatteten Forschungslaboratorium entstanden, sondern in einer alten Waschküche des Falkensteinerhofs auf dem Münsterplatz. Weiterhin entdeckte er das Prinzip der Brennstoffzelle.
Auch bürgerlich wuchs Schoenbein rasch ins Basler Gemeinwesen ein. Er verpflichtete sich zwar keiner Partei, wurde aber schon 1848 Mitglied des Grossen Rates, später auch des Stadtrates und Vorstandsmitglied der Kleinbasler Ehrengesellschaften. In den Kämpfen um die neue Bundesverfassung 1848 erwies er sich als echter Demokrat und unerschrockener Vertreter der Gedanken- und Glaubensfreiheit.
Der umstrittenen Universität widmete er seine ganze Kraft und sein grosses Organisationstalent und sein Andenken lebt weiter in einem Straßennamen in einem der «vornehmen» Viertel Basels.

Wilhelm Vischer-Bilfinger (30. Mai 1808 bis 5. Juli 1874) war der Sohn von Benedikt Vischer, der als Oberst der Artillerie 1833 den Auszug der Basler gegen die Landschaft kommandierte, welcher so verhängnisvoll endete.
Die schmähliche Behandlung Basels durch den Bund hinterließ auch beim Sohn eine Stimmung, die seine lebenslängliche föderalistische Einstellung mitbeeinflusste. - Einer langjährigen Schulzeit bei dem bekannten Pädagogen Feilenberg in Hofwil folgten Studienjahre in Basel, Bonn und Jena in Philologie und Geschichte. 1833 wurde er als Vikar ans Paedagogium berufen und zwei Jahre später zum Professor für griechische Sprache und Literatur an der Universität ernannt.
1868 folgte er, wie Peter Merian, einem Rufe in die Regierung. Als Gelehrter hatte Wilhelm Vischer die Altertumskunde im weiten Sinne, wie auch die Spezialisierung auf griechische Wissenschaft und Staatskunde im Auge, wobei Archäologie, Epigraphik und Numismatik einbezogen waren. Reisen in Italien und Griechenland hatten sein Eindringen in die Antike gefördert. Vischer machte sich um die römischen Ausgrabungen in Äugst und um die Gründung und Leitung der Historischen Gesellschaft und der Gesellschaft für vaterländische Altertümer verdient, die nach seinem Tode sich zur Historischen und Antiquarischen Gesellschaft vereinigten. Er sammelte eifrig antike Plastiken, die später ans Historische Museum übergingen. Der Stadtgeschichte hat er Biographien von Isaac Iselin und Lukas Legrand und vor allem, auf das Jubiläum 1860 hin, seine «Geschichte der Universität Basel von 1460 bis zur Reformation» geschenkt.
Als Mitglied des Grossen Rates wie seit 1868 als Ratsherr in der Regierung betreute er das Erziehungswesen mit Energie und Erfolg. Entschlossen kämpfte er gegen den zweimal auftauchenden Plan einer eidgenössischen Gesamtuniversität. Die Berufung Friedrich Nietzsches auf seinen eigenen gräzistischen Lehrstuhl sowie die des Theologen Franz Overbeck und des Zoologen Ludwig Rütimeyer war sein Verdienst.

Eduard Thurneysen-Gemuseus (11. Juni 1834 bis 13. Nov. 1910) war ein bedeutender Jurist und Beamter, der durch die Schule des angesehenen Rechtslehrers Johann Schnell gegangen war, und dessen Mitarbeiter bei der Sammlung und Erschließung der zerstreuten Rechtsquellen von Stadt und Landschaft Basel er wurde. Thurnyesen wurde Polizeikommissär, Mitglied des Waisengerichts und des Erziehungskollegiums und Präsident des Strafgerichts, in welchen Ämtern er für seine Strenge wie für seinen Gerechtigkeitssinn bekannt war. Viele Worte machen, war seine Sache nicht; aber hinter einer etwas rauhen Hülle und trotz seinem, wie er selbst sagte, «schweren» Gemüt, war er eine innerlich reiche Natur. Der ersten Formulierung der Bestimmungen der Hebelstiftung kam sein juristischer Rat sehr zugute.
 

Johann Rudolf Burckhardt (1798 - 1873) hatte in Heidelberg studiert und in 1824 in Basel promoviert. Seit 1825 bekleidete er das Amt eines Fiskal, was heute einem Staatsanwalt gleichkommt. Dies war ein rascher Aufstieg für den jungen Mann aus der alten Basler Familie. Er war ein liberaler Geist, an dessen Haltung zuweilen konservative Basler Anstoß nahmen. Zu seinen Freunden gehörte zum Beispiel der spätere Radikalenführer Wilhelm Snell, ein deutscher Flüchtling, der als Professor an der Universität Basel lehrte. Nichts desto trotz stieg er in späteren Jahren außerdem zum Verhörrichter auf und gehörte dem Stadtrat an. Bei der Hebelstiftung ist er jedoch "offiziell" nicht weiter in Erscheinung getreten.
 

So bestand die erste Hebel-Kommission aus einem Schulmann, zwei Naturforschern, einem Historiker und einem Juristen, alle zugleich in öffentlichen Ämtern bewährt. Man erkennt Fritz Burckhardts sicher wählende Hand, die bestrebt war, seiner Gründung von Anfang an das Interesse und die Achtung der Bürgerschaft zu gewinnen. Und man vermisst in diesem Kollegium nur einen Namen, den von Prof. Karl Rudolf Hagenbach, dem Theologen, volkstümlichen Poeten und großen Hebelfreund.

Die Kommission, deren erster Präsident Prof. C. F. Schoenbein wurde, formulierte ihre Statuten, die

«BESTIMMUNGEN DER BASLER HEBELSTIFTUNG».

 

 

    Die Subskriptionsliste anlässlich der Gründung der Basler Hebelkommission

C. F. Schoenbein's "Kapuzinerliste"

Schreiben von Prof. Schönbein an den Hausener Bürgermeister April 1861

10. Mai 1861: Das erste Basler Hebelmähli in Hausen


 
Die Präsidenten der Hebelstiftung

 

 
zurück


nach oben   

   

Originaltexte zu Fr. Burckhardt, P. Merian, C. Schoenbein, W. Vischer & E. Thurneysen aus:
Otto Kleiber, Lebendiger Hebel;
Hundert Jahre Basler Hebelstiftung 1860 - 1960; Basel 1960